Kalifornien und die Pazifikküste

Ensenada, 27.12.2018: Wir haben inzwischen die USA verlassen und sind in Kalifornien angekommen.

So zumindest denken viele in Kalifornien: Diese Sichtweise ist verständlich, denn Kalifornien ist mit weitem Abstand der wirtschaftlich potenteste Bundesstaat und damit der Technologie- und Wirtschaftsmotor der USA ...

Central Valley

Auf dem Weg nach San Francisco fahren wir durch das Central Valley: Der Begriff "Valley" ist dabei irreführend, dann es ist eine 400 km lange, in Nord-Südrichtung verlaufende Tiefebene, getrennt nach Westen durch die Küstengebirge, nach Osten, 100 km entfernt, durch die Sierra Nevada. Viele Plakate am Straßenrand fordern den Bau neuer Dämme in den Bergen zur Sicherstellung der Wasserversorgung, denn es herrscht hier seit Jahren Wassernotstand. Kein Wunder, denn hier wird flächendeckend alles künstlich bewässert und jede freie Fläche bewirtschaftet. Mandelbäume und Südfrüchte wachsen hier streng in Reih und Glied, die Baumreihen sind kilometerlang. Weiterhin wird intensiv Gemüse angebaut oder Milchvieh konzentriert in offenen Stallungen gehalten, der Duft weist schon kilometerweit darauf hin ...

Wie schön und idyllisch waren doch die unendlichen Weideflächen in Wyoming: Wiesenblumen am Wegesrand, Hecken oder Unkraut; hier Fehlanzeige, nichts dergleichen. Vermutlich wird wohl Hand in Hand mit Monsanto und ähnlichen Anbietern gearbeitet und alles weggespritzt. Wir fragen uns, wo kommt das ganze Wasser her, denn die Wüstenregionen sind nicht weit entfernt und die Megaregionen rund um Los Angeles sind auch von dieser Wasserversorgung abhängig. Die Lust auf den Einkauf kalifornischer Mandeln oder hier erzeugter Milch sinkt rapide ...

Die intensive Nutzung der Ländereien macht es quasi unmöglich, hier irgendwo frei zu campieren und so weichen wir auf den einzigen Campground in dieser Ebene aus, direkt an einer Bahntrasse gelegen; die Güterzüge lassen ihre Hörner 3x an jedem Straßenübergang erklingen. Als Ausgleich dafür gibt es ca. 30 Museumshäuser, in denen die Siedlungsgeschichte ab 1880 erläutert wird.

San Francisco

Das Wahrzeichen San Francisco´s Langer Schatten weist den Weg: Unser Stellplatz in der Bucht hinten ... Golden Gate Bridge bei Nacht ...
Die Straßen von San Francisco ... Parken am Steilhang ...
Einparken gefällig ..? Chinatown San Francisco ... Historische Bilder: Nach dem Erdbeben und der Feuersbrunst 1906 ... Historische Straßenschäden ...

Wohl jeder kennt die Krimiserie "Die Straßen von San Francisco"; zumindest die älteren Semester. Es ist einfach krass, mit dem Auto hier durchzufahren: Bis auf den Finanzdistrikt überwiegen hier kleine idyllische, familiäre Holzhäuser, die Straßenplanung hat auf die Topologie der Natur überhaupt keine Rücksicht genommen. Steigungen von über 20% sind der Regelfall und wer sein Auto parkt, ohne die Räder zum Bordstein hin einzuschlagen, riskiert schnell ein Ticket.

Die Cable Car´s waren seinerzeit (ab 1890) die einzigen öffentlichen Verkehrsmittel, die diese Steigungen überwinden konnten. Noch heute fahren vier  Linien durch die Stadt, allerdings eher für Touristen. Die Technik und Mechanik ist immer noch unverändert. Ein zentrales Maschinenhaus treibt die umlaufenden Stahlseile an, in die sich die Wagen per manueller Kupplung einklinken. Die Antriebskraft reicht dabei für maximal 50 Wagen gleichzeitig. Diese alte Technik ist faszinierend, insbesondere wie die Themen Kreuzungsverkehr, Abzweigungen und Kurvenbetrieb realisiert wurden.

Die Golden-Gate-Bridge ist eines der Highlights und so ist ein Spaziergang über die Brücke auch obligatorisch. Mit einer Spannweite von 1.280 Meter und einer Pfeilerhöhe von 227 Meter war sie zum Zeitpunkt der Eröffnung im Jahr 1937 die weltweit größte Hängebrücke. Pünktlich zu Sonny´s Geburtstag können wir an einem kleinen Hafenbecken in Sichtweite der Brücke nächtigen und bei einer Flasche Prosecco das umwerfende Lichterspiel genießen. Zwar ist das Übernachten in einem Camper in ganz San Francisco (S.F.) außerhalb der exorbitant teuren Campingplätze untersagt, aber die regelmäßig kontrollierende Polizei lässt uns hier zwei Nächte gewähren ...

 

Cable Car ...

Historisch: Technik und Mechanik unverändert Es geht bergab ... Historisch: Zentrales Maschinenhaus ...

Südlich von S.F. zwischen der San Francisco Bay und dem Pazifik im Umkreis der Stanford University liegt das sogenannte Silicon Valley. Hier befindet sich auf 30 km Länge wohl die weltweit größte Konzentration von IT-Firmen: Facebook, Google, Intel, Oracle, Apple, Microsoft sind hier gegründet worden. Wir werfen einen Blick in das Besucherzentrum von Apple: Die Schlichtheit und Ausstrahlungskraft der Architektur spiegelt sich in den Produkten wider und zieht uns in ihren Bann; die Preise der Produkte allerdings eher nicht!

Pazifikküste

Von S.F. nach Los Angeles (L.A.) führt der Highway Nr. 1 direkt an der Pazifikküste entlang. In Monterey verbringen wir einen herrlichen Abend mit Sonnenuntergang am Meer, später gibt es dann "Nacht City-Camping" auf einem Parkplatz, wo das ansonsten überall präsente Schild "No overnight-parking" fehlt. Wir verbringen eine ruhige Nacht und fahren zum Frühstück ans Meer, um kein weiteres Aufsehen zu erregen ...

Südlich von Monterey flanieren wir später durch den luxuriösen und pittoresk gestalteten Badeort Carmel-by-the-Sea. Hier spielt Geld offensichtlich keine Rolle und für 15 $ kann man sich als Außenstehender auch gerne die Uferpromenade der Reichen und Hübschen anschauen. Wir schonen da lieber unsere Reisekasse, gen Süden beginnt die für uns schönste Strecke zwischen S.F. und L.A. Die Steilküste ist hier 150 km lang ohne nennenswerte Ortschaften dazwischen. Die Straße verläuft meist 100 - 200 Meter oberhalb des Meeres direkt am Steilhang und garantiert grandiose Aussichten auf die Küste und das Meer. Sie wurde erst um 1930 angelegt, um während der großen Wirtschaftskrise in den USA den Menschen einen Job zu geben. Die Abgeschiedenheit und die fehlende Infrastruktur schützten hier die mächtigen Redwoodbäume, die ansonsten oftmals dem unermesslichen Holzbedarf zum Opfer fielen. Diese Etappe gehört sicher zu den "Must Have" Strecken im Westen der USA ...

Nördlich von L.A. wird die Küste wieder weitläufiger und in Pismo Beach gibt es den einzigen Strand, der auf 10 km zur freien Nutzung offen ist. Naturschutz spielt hier nur eine untergeordnete Rolle und jeder kann sich nach Belieben mit seinem Auto im Sand festfahren. Auch uns reizt eine Nacht im Sand mit Meeresblick; wir haben allerdings das nächtliche Durchhaltevermögen der Amerikaner falsch eingeschätzt: Ihre Strandbuggy´s rasen mit Flutlichtscheinwerfern und Christbaumbeleuchtung bis tief in die Nacht durch die Dünen. Damit diese Maschinen nicht zu überhören sind, wurde auch kräftig am Sound-Engineering gearbeitet. Bei uns jedenfalls steigt die Aggression gegen diese Kisten, bis irgendwann weit nach Mitternacht schließlich Ruhe einkehrt ...

Mächtig: Redwoodbäume ... Highway Nr. 1 ... Noch einmal: Highway Nr. 1 ... Strand-Beziehungen ...
Pismo Beach: Brotbacken am Strand ... Abend-Idyll ... Noch einmal: Pismo Beach ...

In einem lieblichen Seitental nördlich von L.A. liegt der kleine Ort Ojai: Der spanisch-mexikanische Einfluss prägt die Ortskulisse mit seinen langen Arkadenreihen und kleinen Geschäften. Hier lässt es sich angenehm leben, L.A. ist noch weit genug entfernt. Wir können bei den Eltern der Freundin unseres Sohns Dirk für einige Tage bleiben. In Ruhe erkunden wir den Ort, haben Zeit zum gegenseitigen Kennenlernen und genießen die Gastfreundschaft.

Zugleich warten aber auch schon Servicearbeiten wie Wäsche waschen und eine Generalreinigung des Toyo auf uns: Nach fast vier Monaten Reise ist dies mehr als überfällig ...

In Richtung L.A. nimmt der Verkehr rasch zu, auch 7-spurige Highways (pro Richtung) können lange Staus nicht verhindern. Bis zu 4-stöckige Brücken lenken die Verkehrsströme entlang der Kreuzungen, Staus in allen Richtungen. Uns kommt es vor, wie die Endzeitstimmung des mobilen Verkehrs, alles steht, Apokalypse Now. Ohne Navi ist der Unkundige hilflos verloren, auch detaillierte Karten im Wandermaßstab helfen in dem Gewirr nicht weiter.

San Diego

Wir erreichen San Diego, die letzte amerikanische Großstadt, bevor es nach Mexiko geht. Gegründet im Jahr 1730 als Mission zur Sicherung spanischer Ansprüche und zur Bekehrung der Indios ist es heute eine Lifestylestadt, in der Arbeit und Beachlife gleichermaßen gelebt wird. Die Stadt erstreckt sich direkt an herrlichen Strandabschnitten, eine Vielzahl von Parkplätzen mit Dusch- und Toiletteneinrichtungen fördern das Surf- und Badeerlebnis.

Selbst in den Wintermonaten sind viele Surfer unterwegs und die Uferpromenaden sind gut gefüllt. Leider wird auch hier fast überall das Übernachtparken verboten; selbst die Parkbänke sind so gestaltet, dass man sich nicht hinlegen kann. Der Grund sind viele "homeless people": Sie ziehen mit Ihrer Habe durch die Stadt, das milde Klima hier lässt keinen erfrieren. Die mexikanische Grenze verläuft am südlichen Stadtrand und die Militärhubschrauber kontrollieren im 15-Minutentakt die Küste, wohl um Drogen- und Menschenschmuggel abzuwehren.

Wir besichtigen die alte (rekonstruierte) spanische Mission und die "Old Town", ein Museumsgelände mit alten Häusern aus der Gründungszeit der Stadt. Weiter in Downtown am Hafen mit Museumsschiffen liegt auch der alte Flugzeugträger Midway (CV-41) zur Besichtigung. Allein der Blick von unten auf den Stahlkoloss ist faszinierend und furchteinflößend zugleich, insbesondere wenn man sich die Zerstörungskraft dieses atomgetriebenen Trägers vorstellt ...

San Diego: Spanische Mission von 1730 Anderer Blickwinkel: Die Spanische Mission Unterwegs in San Diego "Homeless People" ...
Flugzeugträger Midway Bahnhof San Diego ... San Diego Strand Und noch einmal: Am Strand ...

Zwei Nächte schlafen wir in einer Stichstraße, die direkt am Meer endet. Tags darauf stellen wir fest, dass Sohn Dirk während seines Auslandssemesters in San Diego nur zwei Querstraßen weiter gewohnt hat. Die Anwohner und die Polizei lassen uns gewähren und so verbringen wir ruhige Nächte; allerdings schlafen wir unten, um kein unnötiges Aufsehen zu erzeugen. Der einzige Campingplatz in Citynähe verlangt 80 $ pro Nacht ...

Nach zwei Tagen reicht uns das nächtliche Versteckspiel und wir brechen auf nach Mexiko: Wir wählen den kleinen Grenzübergang Tecate; von Tijuana haben wir zu viel negatives gehört. Die Ausreise aus den USA ist unsichtbar, keine Schranke, keine Passkontrolle, einfach nichts, nur hochgerüstete Soldaten mit Stahlhelmen und voller Kampfausrüstung stehen bereit, die Welt zu retten. Offensichtlich will man in den USA nicht wissen, wer mit was ihr Land verlässt, es ist einfach ein offenes Scheunentor nach Mexiko, frei nach dem Motto, wer weg ist, ist weg. Die Einreise nach Mexiko verläuft völlig entspannt, kurze Ausweiskontrolle, Touristenkarte ausfüllen und schon dürfen wir sechs Monate im Land bleiben. Die mexikanischen Beamten waren übrigens waffenfrei unterwegs ... 


© 2019 Hans-Jörg Wiebe