9. Tag (Sa, 31.08.96)

Zurück über die Straße 604 erreichen wir bald wieder die Straße 55. Obwohl es nun wieder nordöstlich genauso zurückgeht, wie wir gekommen sind, besteht doch Einigkeit: Der Abstecher in die "Gletscher-Sackgasse" hat sich mehr als gelohnt.

Als wir bei Turtagrö wieder den Abzweig vom Vortag passieren, hat sich das Wetter derart geändert, daß kaum etwas wiederzuerkennen ist. Extrem dichter Nebel mit Sichtweiten von nur wenigen Metern hat sich über die Straße gelegt, auf der es nun nur noch mit zügigem Schrittempo weitergeht. Wir schrauben uns in Serpentinen in die Höhe - auf der für eine zweistellige Straße engen Passage schälen sich einige schemenhafte Fahrzeuge im Gegenverkehr aus dem Nebel - gespenstisch und nichts für schwache Nerven, wenn man bedenkt, daß es hier auch eine einspurige Fahrbahn gibt!

Der Nebel lichtet sich auf größerer Höhe wieder und es folgt eine wunderbare Weiterfahrt durch das (islandähnliche) Traumhochland Jontunheimen auf der Straße nach Lom. Die Höhen und Ausblicke schlagen den Fahrer so in den Bann, daß er mehrfach anhalten muß, um nicht vor Begeisterung von der Straße zu rollen.

Im Hochland ...

Später wird das Skizentrum Lom erreicht: echtes Touristenzentrum am Wochenende, schöne Stabkirche, durchaus mal was anderes nach der "Wildnis". Wieder ist Sitzen unter dem Vordach angesagt, eine beruhigende Werkstatt liegt direkt hinter dem Campingplatz, hat sich doch der "Stössel" während der Bergfahrt vorher wieder deutlich bemerkbar gemacht ...

Die Stabkirche von Lom ... ... und dieselbe von innen ...

Neben unserem Campingplatz im Zentrum von Lom haben wir recht bald eine lizenzierte Bar ausgemacht, vor der ab und zu eine Art Türsteher die Umgebung beobachtet. Was mag hier wohl ein Bier kosten? Mehrfach schleichen wir unauffällig an der Tür vorbei, um nicht den Eindruck zu erwecken, wir suchten nach einer Karte mit Preisen, was uns auch nicht gelungen wäre, da dort keine aushängt.

Nach der dritten Umkreisung trauen wir uns endlich rein: kurze Frage nach dem Bierpreis bei der Bedienung hinterm Tresen und erstmal wieder raus. 10,- DM und mehr für eine Halbe Bier? Das grauslige Gefühl will erst mal überwunden werden, insbesondere wenn man aus Bayern kommt und gern Bier in "Maßen" trinkt.

Später überwinden wir uns aber dennoch und landen schließlich auf einem der noch wenigen freien Barhocker. Wir versichern uns, daß es sich beim inländisches Faßbier um sogenanntes "Starkbier" (ca. 5% Alkohol) handelt und lassen es uns schmecken. Während des zweiten Bieres erscheint uns dann der Preis nur noch halb so hoch und wir beobachten, daß hier die Trinksitten trotz der Preise recht rauh sind. Wild zusammengewürfelte Mixturen (Hauptsache viel Alkohol drin) wechseln über den Tresen und wir haben das Gefühl, daß die Gäste hier ihrem teuren Hobby sehr gern frönen.

Um eine Erfahrung reicher und einige Biermark ärmer geht´s am Abend wieder die paar Schritte zurück in die Kabine - mitgebrachtes Bier wurde jedenfalls heute gespart! 

10. Tag (So, 01.09.96)

Weiter die Straße 55 nach Osten. Zur Linken liegt unverändert malerisch der Vagavatn und die Straße wird schnell sonntäglich leer. Bei Randen wird auf die Straße 51 gewechselt, die sich sofort in die Höhe Richtung Süden schraubt - von nun an gehts wieder zurück!

Ein kurzer Halt sichert unser Abendessen, denn überall schießen frische Birkenpilze und Rotkappen aus dem Heideboden.

Die wieder einmal landschaftlich schöne Straße (wie so oft!) führt uns später erneut an einen See - der Campingplatz Fjellstue Bessheim scheint zwar viele Dauercamper zu beherbergen, jedoch stehen die einigen wenigen, die dort das Wochenende verbracht haben, kurz vor dem Aufbruch am Sonntagnachmittag. Stimmt der Eindruck, daß sie uns beneiden, die auch morgen früh noch hier sein werden?

... der Schiffler von Bessheim ...

Unter den interessierten Blicken der kurz darauf abreisenden Camper pumpen wir in Anbetracht des malerischen Gewässers wieder unser Schlauchboot auf und stechen kurz darauf in See. Schon nach wenigen Metern auf dem See und deutlich kleiner werdenden Wohnwagen am Ufer spürt man deutlich, daß man hier sehr, sehr einsam werden kann, wenn es darauf ankommt. Prüfende Blicke zum Himmel zeigen uns jedoch, daß in den nächsten Stunden weder ein Wolkenbruch noch eine Sturmfront zu erwarten ist und so paddeln wir weiter raus in den See bis zur gegenüberliegenden Halbinsel. Klein fühlt man sich hier vor den gegenüberliegenden Bergen auf dem abendlichen See!

In fast 1000m Höhe (diesmal ohne Zeltplane!) stellen wir abends vor dem Explorer unsere Stühle und den Campingtisch auf. Langsam sinkt die Temperatur auf 5 Grad C, doch eine heiße Suppe und aufwärmende Getränke runden den malerischen Sonnenuntergang am gegenüberliegenden Berggipfel ab. Mehr Natur kann man kaum noch erwarten!

Wieder einmal kommen wir recht spät in die Kabine, um dort den regelmäßigen "Nachschluck" vor dem Schlafengehen zu uns zu nehmen. 

11. Tag (Mo, 02.09.96)

Bei Laerdal hatte ein deutscher Mercedes-Fahrer, der sein wertvolles Gefährt liebevoll waschen mußte, nachdem er ohne seinen Wohnwagen in der Umgebung unterwegs gewesen war, von einem "Ruhetag" gesprochen, den sie einlegen würden.

Da uns der Begriff in dieser Umgebung tatsächlich nachhaltig beeindruckt hatte, beschließen wir in Anbetracht des schönen Wetters an diesem Platz heute spontan, ebenfalls erstmalig einen "Ruhetag" einzulegen - sprich, am selben Ort zu bleiben und dort eine weitere Nacht zu verbringen.

In der Umgebung des Campingplatzes findet sich ein Gebirgsbach, der in verschiedensten Wasserfällen (einer schöner als der andere) ins Tal rauscht - klar, daß wir am Ruhetag auch mal zu Fuß gehen müssen und in die Höhe steigen! Von oben wirkt der Campingplatz mit seinen verlassenen Wohnwagen wie eine Spielzeuganlage - winzig klein zu erkennen auch ein Exot: unser Explorer.

Bessheim von oben ... Drachen über Bessheim ...

Kein Ruhetag ohne aufeinanderfolgende Action-Einlagen. Da relativ kräftiger Wind weht, kommt zunächst ein Sky Window-Drachen mit Knüpferschlange zum Einsatz, daneben unser "Festival-Marker" aus kanarischen Gefilden, die 30m lange Schlange. Wir kämpfen gegen Böen, die drohen, unsere Drachen in Einzelteile zu zerlegen und gegen Flauten, die alles zum Absturz bzw. zur Notwasserung zwingen. Letztlich stabilisiert sich ein flauer Wind und der Delta mit 3m Spannweite kommt zum Einsatz. Er schafft an diesem Abend unseren Norwegen-Rekord im Höhenfliegen: 200m!

Bessheim-Wasserfall ... ... und Redakteur am Abgrund ...

Die Kabinen-Elektrik erfordert das Laufenlassen des Motors, später werden wir feststellen, daß unter 2qmm Leitungsquerschnitt zur Ladesteckdose eigentlich doch nichts sein sollte, da Heizung und 2 Lampen gleichzeitig unmöglich zu betreiben sind. An diesem Abend wird der Grundstein gelegt für eine entsprechende Nachfrage beim Kfz-Elektriker und beim Hersteller sowie für ein zusätzliches Solar-Panel nach Rückkehr in heimatliche (?) Gefilde ...


© Text/Bilder 1996, 1997 J. de Haas