Etappe 5: Gebirge, Hochebenen und Tabriz, 17.04. - 25.04.16

Nachtrag zur 4. Etappe, über eine informative Unterhaltung ...

Wir hatten uns mit unserem Gastgeber ausführlich und bestens unterhalten: Wie bereits erwähnt erfahren wir einmal mehr von der Zwiespältigkeit des Landes, wenn z.B. die Pasdaran (Revolutionsgarden) amerikanischen Whisky mit Hilfe von chinesischen Aromastoffen fälschen und auf dem Schwarzmarkt teuer verkaufen oder dass die Auseinandersetzung zwischen dem Iran und Israel auch die wenig bekannte Facette hat, dass Israel den Iran im Krieg gegen den Irak damals massiv unterstützt hat.

Reiseroute, fünfte Etappe (türkis eingezeichnet) ...Auch seine Schilderungen von der grünen Revolution (Moussavi, 2009) gehen schon unter die Haut, als wir erfahren, dass Hunderttausende, ohne ein Wort zu sagen, stumm auf die Straße gegangen sind, um den Pasdaran keinen Anlass zum Eingreifen zu liefern. Selbst die Mobiltelefone wurden seinerzeit abgeschaltet, um absolute Ruhe zu erzeugen. Auf Kommando wurde dennoch plötzlich und unvermittelt auf einen Schlag überall Tränengas verschossen und blindwütig auf jung und alt, Mütter, Kinder und Gebrechliche eingedroschen; es gab viele Tote. So undifferenziert soll nach seinen Angaben nicht einmal der Savak geprügeklt haben, der Geheimdienst des Schahs.

Während der Erzählungen dreht er sich einen Joint; den Samen habe er sich aus Deutschland mitgebracht: Wir lehnen dankend einen Zug ab. Womit er sein Vermögen gemacht hat, darüber haben wir nicht gesprochen - er hat nur angedeutet, dass so mancher mit doppelter Staatsbürgerschaft in Zeiten des Embargos zu Wohlstand kam; dies sei aber nicht sein Ding gewesen ...

Wieder durch den Norden Irans

Einmal mehr zieht es uns in die Bergregionen dieses Landes: Bereits in Deutschland haben wir eine Strecke herausgesucht, die uns für drei Tage fernab der Hauptstraßen auf kleinen Nebenstraßen und oftmals Pisten durch entlegene Täler und Hochebenen führen soll.

Weite, grüne Hochebenen ... Auf kleinen Nebenstraßen und Pisten durch entlegene Täler ... ... und herrliche Übernachtungsplätze ...

So manches Mal denken wir, es geht hier nicht mehr weiter, doch dann weisen uns Einheimische den Weg. Zuvor jedoch blicken wir oft in ungläubige und fragende Augen; was machen diese Fremden hier und wo wollen sie hin? Dann jedoch huscht ein Lächeln über ihr Gesicht und der Bann ist gebrochen. Auch bei einer Polizeikontrolle geht es gar nicht um Pässe und Visa, sondern um unsere geplante Strecke. Wir dürfen erst weiterfahren, nachdem uns ausführlich erläutert wurde, in welchen Orten wir wie abbiegen müssen. Wir vermuten zumindest, dass dies der Gesprächsinhalt war, da die Konversation auf Farsi geführt wurde und ich allenfalls einige Ortsnamen erkannt habe ...

Diese Landschaft fasziniert durch weite, grüne Hochebenen mit ihren Nomaden, den schneebedeckten Bergketten und den tief eingeschnittenen Flusstälern, in denen lehmhaltige Schmelzwasser wie vor Jahrhunderten gen Meer rauschen. Wir finden herrliche Übernachtungsplätze, keiner stört uns, außer einem heftigen Gewittersturm mit Hagel, direkt über uns. Danach wird selbst eine geneigte Wiese mit Lehmboden zu einer Herausforderung für unseren Allradantrieb.

Ein Iraner, der frohen Mutes seinen Peugeot 405 über eine Piste gen Tal lenkt, muss sich später retour doch arg anstrengen, wieder bergauf zu kommen. Seine kleinen Räder haben nur wenig Traktion im Lehm und zur Abendbrotzeit haben wir nur wenig Lust auf Unterstützung mit unserem Fahrzeug. Ein hilfsbereiter Iraner kommt uns zuvor und hilft ihm aus seiner misslichen Lage ...

Tags darauf und retour aus den Bergen nutzen wir einen uns aus dem letzten Jahr bekannten Picknick- und Übernachtungsplatz bei Soltaniyeh zur längst überfälligen Kleiderwäsche: Wahrscheinlich war unsere Wäscheleine der Auslöser, denn prompt erhalten wir Besuch von einem Zivilisten mit Funkgerät in Begleitung eines Soldaten. Nach Sichtung unserer Pässe sollen wir zum Übernachten in das Zentrum des nächsten Ortes fahren. So eine Ansage passt uns gar nicht; zum einen wird es dunkel und in Orte stellen wir uns grundsätzlich nicht. Also packen wir unsere Siebensachen mit deutlich sichtbarem Unmut und fahren in die Dunkelheit. Da wir nicht wissen, wie dicht das lokale Überwachungsnetz gespannt ist, fahren wir x-mal im Dunkeln in diverse Wege hinein, bis wir einen passablen Platz auf einem Feld gefunden haben. Die Uhr zeigt inzwischen 21:30 Uhr, der Magen knurrt und wir beide bräuchten jetzt eigentlich einen Absacker ...

Unser nächstes Ziel ist der Vulkan Sabalan mit 4.800 m Höhe in der Nähe von Ardabil. Unterwegs passieren wir eine eindrucksvolle Canyonlandschaft mit über 1.000 m Höhenunterschied. An einer Flußbiegung finden wir einen ruhigen und idyllischen Nachtplatz: Es ist angenehm mild und zum ersten Mal können wir abends auf die Standheizung verzichten.

Idyllischer Nachtplatz an der Flussbiegung ... Der Blick ist die Mühe des Aufstiegs wert ... Besuch vom Schäfer ...

In den Sommermonaten kann man mit einem 4x4 Fahrzeug bis auf eine Höhe von 3.500 m auf den Sabalan fahren und dann den Berg in einer Tagestour besteigen. Wir hingegen lassen das Auto an der Schneegrenze stehen und wandern den Berg hinauf, bis die Schneefelder unpassierbar werden. Der Blick auf den Gipfel und in die weiten Täler hinein war die Mühen wert ...

Für zwei Nächte stehen wir direkt oberhalb von Tabriz mit Blick auf die schneebedeckten Berge und die Stadt. Wir sind nur wenige km vom Zentrum entfernt und doch sind wir schon inmitten der Natur. Ein Schäfer mit seiner Herde stattet uns einen Besuch ab und Einheimische zeigen uns, welche Kräuter es hier zum Sammeln gibt ...

Im Basar von Tabriz, der zu den größten und schönsten im Orient zählt, tätigen wir noch die abschließenden Einkäufe, bevor wir zu unserem letzten Ziel im Iran aufbrechen.

Wir haben noch eine Einladung in Khoy bei Sarah und Saeed, die wir in Isfahan kennengelernt haben: Beide sind Anfang 30, sie ist Lehrerin und er arbeitet im Ex- und Importbereich. Nach einer Stadtführung essen wir gemeinsam mit Freunden von ihnen und verbringen einen gemütlichen und anregenden Abend. Diesen Abend brauchen wir uns nicht um einen Stellplatz zu bemühen, im Gästezimmer können wir ganz bequem unsere Matratzen und Schlafsäcke ausbreiten ...

Einladung in Khoy ... Begegnung mit LKW-Fahrern ...

Die Ausreise über den Grenzübergang Bazargan in die Türkei läuf völlig reibungslos und hilfsbereit: Ein Beamter weist uns sogar darauf hin, dass wir keinen "kostenpflichtigen" Schlepper brauchen und scheucht einen, der zu aufdringlich wurde, von dannen.

Nach insgesamt einer Stunde haben wir auch die erforderlichen türkischen Stempel im Reisepass: Von so einer Abwicklung können die LKW Fahrer nur träumen. Die Ausreiseschlange in die Türkei beträgt 6 km, die Staulänge auf der Einreiseseite ist ähnlich lang. Von einem türkischen Fahrer erfahren wir, dass er für die Einreise in den Iran 3-5 Tage kalkuliert; zum Zeitvertreib bemalt er seine Reifen mit weißen Streifen ...  


© 2016 Hans-Jörg Wiebe