Russland ohne Ende ...


Richtung Omsk

Bisher ging alles gut, keine Besonderheiten, nicht die prognostizierten Überfälle, keine Probleme mit der Polizei oder der Mafia. Habe ich Glück? Vielleicht sind ja die Geschichten, die man sich daheim erzählt, ja auch etwas übertrieben. Ich weiß es nicht und bin eigentlich auch froh, dass ich es nicht erfahren werde. Nur einmal, in Samara, habe ich eine Eingreiftruppe der Polizei erlebt, wie sie eine Razzia durchgeführt hat. War ganz schön beängstigend, wie sie schwer bewaffnet Verdächtige zwangen, sich flach auf den Boden zu legen. Man hat gemerkt, dass diese Leute nicht erst lange fragen werden, bevor sie ihre Waffen einsetzen. Zum Glück sind diese Begegnungen selten. Die Situation auf der Straße ist aus meiner Sicht als normal zu bezeichnen ...

In Celjabinsk finde ich einen Übernachtungsplatz an einem Fluss, auf einer großen freien Fläche. Den Platz hatte ich am Abend gefunden, nun am nächsten Morgen werde ich durch metallische Geräusche geweckt: Um mich herum wird der Samstagsmarkt aufgebaut und ich mit meinem Fahrzeug mitten drin! Glücklicherweise finde ich noch eine Möglichkeit, den Platz zu verlassen, bevor der Markt völlig aufgebaut ist. In Deutschland hätte sich bestimmt schon so mancher fürchterlich aufgeregt, aber hier baut man einfach um das neue Hindernis herum - es ist so ganz anders als bei uns!

Vor der Kasachischen Grenze: LKW-Stau

Weiter geht es, Richtung Omsk und Novosibirsk. Omsk, das Tor zu Sibirien: Diese Stadt gefällt mir - es ist eine alte Stadt. Von hier aus kann man das Flussschiff nehmen und noch weitere 3.000 km Richtung Norden fahren. Das hebe ich mir aber für eine andere Tour auf: Russland ist groß und man braucht Zeit für dieses Land. 

Um allerdings nach Omsk zu gelangen, muss man noch ca. 300 km über kasachisches Gebiet fahren. Hätten damals die Straßenplaner geahnt, dass das sowjetische Gebiet einmal wieder zerfallen würde, sie hätten die Straße sicher etwas weiter nördlich verlegt. So aber bedeutet es, wieder eine Grenze zu überwinden. Die Abfertigung auf russischer Seite ist problemlos. Eine kleine Abfertigungsgebühr muss man einem Beamten in ein winzig kleines Fenster hineinreichen, dann kann man fahren. Allerdings ist der Zoll der Meinung, mein Campingauto wäre ein LKW und ich müsse Zoll zahlen, aber auch das klärt sich schnell - hier müssen schon mal Wohnmobile vorbeigekommen sein - und ich kann weiter fahren. 

Die kasachische Seite von dieser Grenze macht auch keine weiteren Probleme. Erst nach einigen Kilometern - ich dachte schon man hätte es hier vergessen - kommt der obligatorische Kontrollpunkt, an dem man wieder einige "Gebühren" bezahlen muss. Diesmal hält es sich in Grenzen, es wird nur eine Autoversicherung fällig. Da ich durch Kasachstan schnell durchfahren will, bezahle ich nur für einen Tag. Aber immerhin: das sind auch noch ca. DM 11,50. Ökosteuer wird hier nicht erhoben. Warum das so ist, ist nicht zu erkennen. 

Die Straßen in Kasachstan sind aber noch erheblich schlechter, als diejenigen bisher und ich komme nur langsam voran. Auch die Orte machen einen noch stärker verfallenen Eindruck auf mich als die in Russland. In Petropaladinsk möchte ich nicht begraben werden, so trostlos ist die ehemalige Erdölmetropole.

Aber nun habe ich auch diesen Abschnitt hinter mich gebracht, bin gut in Omsk angekommen und bereite mich auf die Etappe nach Novosibirsk vor. Ab Omsk,kann ich eine neu gebaute Autobahn, es ist wirklich eine richtige Autobahn - Prinzip DDR Plattentektonik -, benutzen. Die Strecke führt fast 800 km durch einsame Sumpflandschaft. Das erschwert die Suche nach einem Übernachtungsplatz erheblich, da man nicht so richtig von der Strecke runterfahren kann. Doch endlich finde ich eine Möglichkeit - aber ich muss mich gleich in meinem Fahrzeug verbarrikadieren: Trillionen von Mücken lauern draußen auf ein Opfer!

Novosibirsk

Novosibirsk ist eine reine Industriestadt - die letzte große Stadt vor der Unendlichkeit Sibiriens. Wie sollte sich hier, weitab von Moskau, auch ein historischer Stadtkern entwickeln. Die eigentliche Entwicklungsphase hat dieses Gebiet erst während des zweiten Weltkrieges durchgemacht. So bietet diese Stadt für mich auch nur die Gelegenheit, frische Lebensmittel zu besorgen, aufzutanken, um dann die nächsten 1.800 km bis nach Irkutsk in Angriff zu nehmen. 

Diese Strecke wird mich zum nördlichsten Punkt meiner Tour führen. Am Anfang läuft die Magistrale noch durch landwirtschaftlich genutztes Gebiet, aber schnell ändert sich dann das Bild: Lärchen und Kiefern nehmen immer mehr zu. Die Straße führt jetzt entlang der Transsibirischen Eisenbahn, sie schlängelt sich geradezu um die Gleise. Wer aber denkt, das die Transsib eine verträumte Angelegenheit ist, der irrt. Im 10 Minutentakt fahren die Züge auf zwei Gleisen - nichts ist mehr mit der Romantik von kohlebeheizten Wagen! Vollelektrifiziert ist die gesamte Strecke. 

Wegen der hohen Zugdichte ist das Übernachten neben der Strecke nicht möglich. Nachdem ich den nördlichsten Punkt meiner Tour überschritten habe, fahre ich nun wieder südlich Richtung Irkutsk, immer in einem großem Tal entlang. Hier wird überall Erz, Kohle oder sonst noch was abgebaut. Teilweise fährt man wie durch eine Mondlandschaft, besonders hübsch ist es nicht hier. Ich hatte bislang immer die Vorstellung, dass sich die Leute hier in Sibirien frühmorgens mit dem "Bärentöter" ihr Mittagessen schießen, ich glaubte es wäre hier alles etwas rustikaler. Ich muss eingestehen, das dem nicht so ist. Zumindest im südlichen Teil von Sibirien geht es einigermaßen "zivilisiert" zu: Es gibt Millionenstädte, die Verkehrswege sind erträglich. Für die Größe des Landes ist alles sehr weit entwickelt ... 


© Text/Bilder 2001 Vait Scholz