Teil 2: Und weiter auf der Suche nach der Piste ...

400 km liegen zwischen Khovd und dem nächsten Aimag (Altai). Wir wissen nicht wirklich, was uns erwartet: Die Navigationsgeräte streiken schon bei der Planung einer Route. Also müssen wir es wie die Mongolen halten und einfach in Richtung Osten fahren ...

Straße? Buckelpiste? Flussquerungen? Sumpfgebiete? Regen? Wir werden sehen. Doch bevor wir weiter fahren, füllen wir Proviant und die Tanks auf. Wir planen ca. 4 Tage für die Strecke ein und das ohne Verzögerungen.

Zu unserer Überraschung beginnt hinter Khovd gleich eine Teerstraße in Richtung Altai. Wir fliegen durch die Weiten der Mongolei. Relativieren wir das Fliegen etwas: Wir fahren gemütlich mit 60 km/h, aber es wackelt nicht, es schaukelt nicht, Loki rollt und so kann auch der Fahrer etwas von der wunderschönen Landschaft genießen. Das läuft. Die Straße ist auch "sehr" befahren: Des Öfteren sehen wir Autos ...

Landschaft mit Gers ... ... und Wüstenschiffen ...

Langsam senkt sich die Sonne und setzt an, hinter den Bergkämmen zu verschwinden. Wir suchen uns einen Schlafplatz. Wir finden diesen gleich neben der Teerstraße hinter zwei kleinen Hügeln. Irgendwann später werden wir etwas stutzig: In der ganzen Euphorie, auf einer Teerstraße zu fahren, ist uns gar nicht aufgefallen, dass wir alleine sind. Seit Kilometern haben wir kein Auto mehr gesehen. Irgendetwas stimmt hier nicht. Bewaffnet mit unseren Klappstühlen und einem Bier erklimmen wir die Hügel um unser Auto herum: Es bietet sich uns ein traumhafter Blick über das Tal.

Zwischenstopp ...Am Horizont nehmen wir die Staubwolken von Autos und Lastwagen war. Dort hinten geht es also weiter. Auf unserem Teil der Straße sehen wir kein Fahrzeug, sie scheint im Nirgendwo zu enden. Das Fernglas wird gezückt und der Verkehr beobachtet. Knapp 5 Kilometer von uns entfernt verlassen alle Fahrzeuge die Teerstraße und es geht wieder querfeldein: Eine Aufgabe, der wir uns morgen stellen werden.

Unser Frühstück auf der Bergkuppe bestätigt die gestrigen Beobachtungen. Vor und neben uns scheint Sumpf zu sein. Unpassierbar für die Autos. Also wir müssen die fünf Kilometer zurück und dann runter von der Straße. Wir sind wieder in der mongolischen Realität angekommen. Eine Buckelpiste wechselt sich mit der anderen ab. Die Wiesen sind noch aufgeweicht vom Regen der letzten Tage. Wasser steht überall. Aber wir sehen andere Trucks vollbeladen und Fahrspuren. Also sollten wir hier auch ohne Probleme durchkommen.

Flussquerungen ...

Es dauert nicht lange und unsere Fahrt wird durch einen Fluss gestoppt: Jurten an der Furt zeigen die ungefähre Durchfahrt. Die Breite des Bettes liegt bei ca. 30-50 Metern. Wir fragen die Einheimischen, wo wir am besten durchkommen. Eigentlich haben wir es nicht anders erwartet: Sie antworten "überall".

Eine richtige Fahrspur können sie uns nicht nennen. Ein voller Bus erreicht die andere Seite des Ufers. Alle Fahrgäste müssen aussteigen und sollen durchs Wasser laufen. Eine nasse Angelegenheit. Wir schätzen die tiefste Stelle auf ca. einen Meter. Wir warten. Der Busfahrer sollte die Furt doch kennen? Nichts passiert. Der Busfahrer wartet darauf, dass wir zuerst fahren. So stehen wir da bestimmt 15 Minuten. Keiner will der Erste sein. Irgendwann geben wir auf und fahren los.

Langsam bahnt sich Loki den Weg durch den Fluss. Alles scheint zu klappen. Kurz vor dem Erreichen des Ufers sackt Loki vorne ab. Wasser spritzt an die Frontscheibe: Mist, ein großes Loch! Jetzt hilft aber nichts mehr: Den Schwung mitnehmen, Gas geben und wir sind durch. Eine kleine Schrecksekunde, die auch der Busfahrer bemerkt und sich gleich auf die Suche nach einer anderen Durchfahrt macht.

Kurz darauf gibt es noch zwei kleinere unspektakuläre Flussquerungen. Wir nutzen die Zeit, um am Ufer zu halten und im klaren Wasser des Flusses Wäsche zu waschen. Eigentlich ein schöner Platz für die Nacht, denken wir uns. Die Nähe zu den Jurten schreckt uns nicht ab, aber wir finden eine Stelle mit vielen leeren Wodka-Flaschen. Das sieht hier nicht nach einer ruhigen Nacht aus und so entschließen wir uns, weiter zu fahren ...

Und fest steckt er ... Rettungsaktion ...

Ein kleiner Bach mit sehr viel Schlamm außen herum stoppt unsere Fahrt. Drei Flussquerungen heute reichen, denken wir uns und schlagen in der Nähe unser Nachtlager auf. Wir stehen offenbar zu dicht an der Piste: Keine Ahnung, warum die Mongolen immer nachts fahren müssen und das bei solchen Straßen, aber sie tun es. Und so hören wir später am Abend Trucks, die an uns vorbeifahren und Autofahrer, die bei Dunkelheit am Bach wild die beste Durchfahrt diskutieren. Aber wir haben uns daran gewöhnt und schlafen ein ...

Am nächsten Morgen, wir sind noch etwas verschlafen und ohne Kaffee: Ein Mongole redet auf uns ein. Wir verstehen schnell, was er will. Und wir sehen es auch: Ein vollbeladener Truck steht im Bachbett und kommt nicht mehr vor und zurück. Er hat sich nachts dort festgefahren. Wir sollen ihn rausziehen. Ja genau! Guten Morgen Mongolei!

Wir brauchen erst mal einen Kaffee. Der Truck ist vollbeladen und wiegt nach Aussage des Fahrers 35 Tonnen. Wir versuchen ihm klar zu machen, dass es Lokis Leistung etwas überfordert und spielen auf Zeit. Es werden doch bestimmt noch andere Trucks hier vorbeikommen. Und da sind auch schon zwei: Glück gehabt!

Die Chance für uns, sich im Matsch und dem weichen Boden neben dem Bach festzufahren, ist um einiges höher, als 35 Tonnen dort heraus zu ziehen. Der erste Truck versucht sein Glück: Nichts bewegt sich. Naja, dann halt beide Trucks zusammen in einer Reihe. Es gelingt, der Truck ist frei und der Fahrer winkt uns zum Abschied noch freundlich zu. Wir trinken immer noch unseren Kaffee und sind erleichtert, dass es uns erspart blieb, einen Versuch zu starten. Ein Hirtenjunge kommt später auf uns zu geritten und zeigt uns eine zweite bessere Durchfahrt weiter nördlich: Wie unspektakulär doch so eine Bachquerung am Tage an der richtigen Stelle sein kann!  

Tribut der Wüste ... ... und Wellblech, so weit das Auge reicht ...

Wir arbeiten uns mit unserem Steyr langsam weiter vor in Richtung Altai. Immer auf der Suche nach der idealen Spur und nach dem richtigen Tempo für die Wellblechpisten. Bei letzterem geben wir aber bald auf und fahren langsam mit ca. 20 km/h weiter. Es macht keinen Sinn, schneller zu fahren: Die Abstände der Wellen ändern sich ständig und so auch die erforderliche Geschwindigkeit. Zum Teil wird Loki unlenkbar. Wir haben ja Zeit und vier Tage für die Strecke eingeplant.

Wir genießen das nomadische Leben und die Landschaft. Ab und zu treffen wir andere Overlander, die uns entgegen kommen. Man hält und tauscht sich aus. Jeder möchte wissen, wie die Pisten sind, die vor uns liegen. Schließlich erreichen wir Altai: Die Stadt bietet alles, was wir von einem mongolischen Aimag gewohnt sind. Große Supermärkte, Geldautomaten, Tankstellen und sogar schnelles Internet. Wir verweilen einige Stunden, erledigen unsere Einkäufe und fahren gegen Abend wieder aus der Stadt heraus.

Pferde werden hier geschont ...Hinter Altai erwartet uns wieder eine Teerstraße: Es ist zwar schon später am Tag, aber das Gefühl zu fahren, mit mehr als 20 km/h und nicht durchgeschüttelt zu werden, das wollen wir heute noch ein bisschen genießen. Eine 120 km lange neugebaute Teerstraße soll es geben, das zumindest haben uns die anderen Overlander erzählt. Das ist etwa ein Drittel der Strecke nach Bayankhongor, dem nächsten Aimag - ein Traum! Wir planen für die Etappe nur noch drei Tage ein.

Am Ende der Teerstraße sind wir wieder in der Wüste: Kein Baum, kein Strauch, ab und zu Gräser und Sand, viel Sand. Trotzdem ist die Piste gut in Schuss wir kommen zügig voran. Stellenweise sehen wir Spuren früherer Versuche der Mongolen, eine befestigte Piste zu bauen. Es gibt meist nur noch Reste und diese zeugen von den unbändigen Wassermassen, die bei Regen die Berge hinunterschießen. Kurz vor unserem Ziel, dem Aimag Bayankhongor, verfinstert sich der Himmel. Die Pisten werden immer schlechter und Wind kommt auf.

Nur noch 20 km von unserem Ziel entfernt beginnen wir uns ernstlich Sorgen zu machen: Wir können kaum noch etwas erkennen und Donnergrollen begleitet uns. Etwa zehn Pisten führen in das Tal hinein. Alle sind aufgrund der großen Löcher und des Matschs, der sich wohl beim letzten Regen gebildet hat, sehr schlecht zu befahren. Durch den mittlerweile aufkommenden Sandsturm hindurch erspähen wir eine höher gelegene Piste, die direkt am Berg entlangführt. Es donnert wieder. Wir wollen kein Risiko eingehen und kämpfen uns von einer Piste zur nächsten, um einen Weg den Berg hinauf zu finden. Auch hier zeugen wieder zahlreiche trockene Flussbetten davon, was passiert, wenn es in der Wüste regnet. Sie sind sehr tief und mit allerlei Geröll gefüllt.

Bayankhongor zum Greifen nah ...Wir kämpfen uns weiter Richtung Berg, um in der Höhe Schutz vor möglichen Schlammlawinen zu suchen. Die Piste dort oben scheint auch mehr aus Steinen als aus Sand zu bestehen. Hier unten ist alles voller Sand, das Wasser steht in den Senken und wir befürchten bei weiterem Regen mit unseren 7 Tonnen steckenzubleiben. Da wir uns mittlerweile nur noch mit ca. 10 km/h fortbewegen, dauert es eine gefühlte Ewigkeit, die obere Piste zu erreichen, aber schließlich haben wir auch das geschafft und sehen Bayankhongor verschwommen vor uns, zwischen einzelnen kleineren Windhosen, die tonnenweise Staub aufwirbeln.

Unser GPS ermutigt uns: Nur noch 15 km. Es dauert jedoch noch ganze zwei Stunden, die Stadt immer vor Augen, bis wir im Sandsturm die extrem schlechte Piste vor Bayankhongor unfallfrei meistern. Während einige Jeeps mit mindestens 30 km/h an uns vorbeiziehen, fallen wir immer wieder in Löcher oder aber das Wellblech ist so hoch, dass wir in Anbetracht unserer harten Blattfederung vom Gas gehen müssen. Wir bleiben nur kurz in der Stadt und verlassen diese sobald möglich wieder Richtung Ulan Bator ...


© 2014-2015 Astrid Eisheuer & Sven Gruse,  www.rightbeyondthehorizon.com