Lebensgefährlicher Unfug

(Bücher machen keine Wildnisexperten)


Beim Stöbern im Zeitschriftenwald fiel mir die outdoor1 Januar/Februar 2000 in die Hände: Mit Interesse las ich den informativen Bericht über Wildnisküche, bis auf Seite 35 folgende Passage kam:

"... Ergänzen Sie Ihre Nahrung durch Wild Food, etwa Beeren, Pilze oder Fische. Wenn Sie unsicher sind, dann nehmen Sie ein Buch (siehe rechts) mit. Sie lernen die Natur besser kennen und können evtl. bald wirklich aus ihr leben. Das ist echtes Outdoor-Dasein!"

Derartige Hinweise führen jedoch nicht zu echtem Outdoor-Dasein, sondern sind vielmehr als lebensgefährlicher Unfug einzustufen! Niemand sollte sich, wenn er unsicher ist, auf Bücher verlassen, da hilft nur Erfahrung und Anleitung durch Leute, die sich wirklich auskennen. Nehmen wir den Bereich Pilze - jeder erfahrene Pilzsucher weiß, wie unterschiedlich "gleiche" Pilze aussehen können und oft weichen Bild und Realität erheblich voneinander ab.

Wird z.B. der pelzige Belag bei Austernseitlingen von echtem Schimmelbefall bei anderen Pilzen nicht sicher unterschieden (auf dem Bild sieht das sehr ähnlich aus), kann dies gesundheitsgefährdend sein.

Wer die Beschreibungstexte nicht ganz gründlich liest oder nicht  vollkommen versteht, kann sich schnell in Lebensgefahr begeben. So habe ich bereits einmal bei einem "belesenen" Pilzsucher die Knollenblätterpilze aus dem Korb geholt!

Oder denken wir an den giftigen Schierling: Schnell kann er mit allerlei anderem wilden Grünzeug im Kochtopf landen ...

Die Bücher können unsicheren Leuten Ideen geben, was man denn machen und wie es gehen könnte, aber die Umsetzung erfordert Anleitung in der freien Natur, viel Erfahrung und auch gesunde Skepsis. Denn je weiter wir entfernt sind von unserem Zuhause, um so mehr müssen wir daran denken, dass sich die Pflanzen- und Tierwelt ändert. Was bei uns zweifelsfrei zu bestimmen ist, da es keine ähnlichen Giftpflanzen gibt, muss z.B. 1.000 km entfernt u.U. schon äußerst gründlich angeschaut werden.

Wie viele Pilzbestimmungsbücher gibt es z.B., die darauf hinweisen, dass Pilze in Lappland noch immer radioaktiv hoch belastet sind wegen Tschernobyl? Wie viele Pflanzenbestimmungsbücher warnen z.B. vor dem Verzehr roher Waldbeeren wegen des Fuchsbandwurms?

Doch woher die Anleitung und Erfahrung bekommen?

Am einfachsten beginnt man vielleicht in der Familie oder im Freundeskreis, manchmal gibt es da mehr Kräuterhexen und -hexenmeister, als man so weiß. Ab und zu verfügen gerade unsere Großmütter, -tanten usw. über einen immensen Erfahrungsschatz.

Aber auch anderes ist möglich: Wenn ihr unterwegs seid und jemanden beim Sammeln von "Wild Food" seht, sprecht ihn doch einfach mal freundlich an. Lasst euch erklären, was und wie er sucht.

Ansonsten gibt es Kurse, das müssen nicht immer die teuren Outdoor-Kurse sein, schaut doch mal bei der Volkshochschule vorbei oder besucht mit eurer Ausbeute die kostenlosen Pilzberatungsstellen der Gemeinden.

Also lest ruhig weiter Bücher, aber seid euch bewusst:

Nicht durch Lesen von Büchern werden wir sicherer im Umgang mit Wild Food oder gar zum Wildnisexperten, sondern nur durch Lernen von anderen in der Natur ...


© Text 2000 S. Zerlauth, Fotos Giftpilze: Georg Müller, Pilze, Pilze, Pilze