Fr 29.08.03: Auf in den Süden - über die Ringstraße 1 ...

Die Ringstraße 1 hat uns wieder: Der Öxi ist nur noch eine schöne Erinnerung, als wir an diesem Morgen wieder Hauptstraße fahren - sie wird uns auf dem schnellsten Weg Richtung Süden und zu den Orten unserer früherer Besuche führen. Was haben wir vor? Nun, zunächst wollen wir eine Lücke schließen, die wir trotz vieler Besuche auf der Insel immer noch haben: Diese Lücke beginnt bei Djúpivogur, wo wir 1997 umkehrten, und sie reicht über Höfn, den Jökulsárlón bis zum Skaftafell. Dahinter wäre dann im Westen der Anschluss an frühere Fahrten erreicht: Östlich von Vik, wo wir ebenfalls wieder hin wollen, hatten wir bei unserer Tour Island 95 einst die Ringstraße in nördlicher Richtung verlassen, um über Landmannalaugar Richtung Sprengisandur zu fahren ...

Nun, somit war zunächst also wieder Djúpivogur anzusteuern (Karte/3), den Ort, wo wir am 31.08.1997 zum Sommerabschluss die letzten englischsprachigen Nachricht auf FM im isländischen Rundfunk hörten: Es gab damals nur noch ein einziges Thema - den Tod Dianas ... 

Djupivogur "City" heute ... ... und "einst" ...

Der Campingplatz des Ortes ist nach wie vor kostenlos, nur liegt er jetzt woanders. Wie unser "historisches" Foto zeigt, wurde der damalige Platz in der Zwischenzeit deutlich verändert - die Zeit bleibt auch in so einem isländischen Fischerort nicht stehen!

Noch einmal besuchen wir den Hügel am Sendemast des Ortes oberhalb des ehemaligen Campingplatzes und genießen den Ausblick - wenigstens von hier aus wirkt die großartige Kulisse noch weitgehend unverändert ...

Island 2003 ...Wieder auf der Ringstraße 1: Um hier großartige Ausblicke zu haben, muss man die Straße kaum verlassen. Als sich ein besonders schöner Küstenabschnitt neben uns zeigt, fahren wir dennoch hinunter: Die Untersetzung schafft Sicherheit, als wir bis zum Strand vorrollen. 

Offenbar finden sich an diesem malerischen Abschnitt des Strandes nicht nur Touristen ein - auch Seeminen lassen sich hier gerne anspülen (Karte/4). So wundert es kaum, wenn auch wir hier eine solche finden, doch mehr dazu in unserem Schwerpunkt: Hinterlassenschaften (2) - Island und der Zweite Weltkrieg ...

Der Strand ist eine wahre Fundgrube: Nicht nur Minen findet man hier, sondern auch jede andere Form von Treibgut. Was wir bei diesem Halt mitnehmen, dient jedoch nur der Gaudi: Eine altes verwittertes Schiffstau wird derart am Bullenfänger angebracht, dass wir fortan wirken, wie ein Offroader auf Urlaub: Wo andere die Winch haben, transportieren wir eben unser Schiffstau zum Freischleppen ...

Wir fahren weiter und müssen doch bereits kurz danach wieder runter von der Ringstraße: Diesmal ist es der Leuchtturm von Hvalnes, einer exponierten Landspitze im Südosten der Insel, der mitsamt seiner pittoresken Umgebung zum Verweilen einlädt (Karte/5). 

Am Leuchtturm ... ... von Hvalnes ...

Wir staunen nicht schlecht, als uns eine ganze Reisegruppe wie wild zuwinkt, während wir anrollen - die Wirkung unseres Schiffstaus muss geradezu unglaublich sein! Doch nach dem Aussteigen merken wir, dass wir es "nur" mit patriotischen Deutschen zu tun haben: Die Reisegruppe aus Ostdeutschland, die hier einen kurzen Halt einlegt auf einer recht langen Busrundreise um ganz Island, hatte lediglich unser Kennzeichen für eines aus den neuen Bundesländern gehalten. Nun ja, wenn man sich mit deutschen Kfz-Kennzeichen nicht so ganz gut auskennt, kann man schon mal ein Kennzeichen aus dem Münchner Osten für ein solches halten ...

Auch während der Weiterfahrt sehen wir uns noch mehrfach genötigt, zu halten: Immer imposanter wächst vor uns am Horizont die Kulisse des Vatnajökulls, des mit über 8.000 qkm größten Gletschers der Welt, wenn man das Inlandeis Grönlands und die Polkappen außer Acht lässt.

Wie lange dies in Anbetracht der Erderwärmung allerdings noch gelten wird, wissen wir nicht, als wir heute in Höfn einfahren, einer kleinen Stadt, die wir in all den Jahren bisher noch nie aufgesucht hatten (Karte/6). In Anbetracht des echten "Kaiserwetters" beschließen wir, sofort den Campingplatz des Ortes anzufahren und bereits kurz darauf sitzen wir in der Sonne, während weit über uns und in Sichtweite des Gletschers unser Leichtwinddrache "Open Keel Delta" wieder einmal im strahlend blauen Himmel steht (N64.258255° W015.203952°) ...

Fuhrpark in Höfn ...
Mit dem Schlitten zum Gletscher ..?
Drachenidyll in Sichtweite vom Gletscher bei Explorer-Wetter ...

Höfn, einer der jüngsten Orte Islands, entstand erst um das Jahr 1900 mit Errichtung einer Handelsstation. Für die südöstliche Region Islands entwickelte sich der Ort recht zügig zu einem Handelszentrum. Er verfügt über einen sehr gut geschützten Naturhafen, der allerdings aufgrund schmaler Zufahrten und vieler Felsriffe nur schwer zu erreichen ist. Dazu kommt, dass hier besonders heftige Strömungen herrschen, die in der Vergangenheit bereits zu diversen Unfällen geführt haben.

Freitagabend: Der richtige Zeitpunkt, diesen für die Region so wichtigen Ort näher zu erkunden. Eines fällt uns sofort auf: Noch 1995 waren in Ortschaften gleicher Größe lizenzierte Läden, die Alkohol führten, ähnlich zugänglich wie Waffengeschäfte (so hatten wir einst eine Flasche Löwenbräu in einem mit Ketten gesicherten Schrank gesehen). Heutzutage dagegen hat ein System in Island Einzug gehalten, das an den schwedischen "System Bolaget" erinnert, den wir z.B. bei unserem Besuch in Kiruna näher kennen lernen konnten. Und dieses System wird hier in Island mit sogenannten "VinBuds" betrieben, die es mittlerweile in allen größeren Ortschaften gibt.

Freitagabend: Erinnerungen an "American Graffiti" werden wach. Verschiedenste Pkws mit Jugendlichen brettern teils mit Vollgas, teils in Schleichfahrt immer wieder im Kreis durch die "City": Ca. 70-80 km/h im Ort um 21:15 Uhr sind dabei kurzzeitig durchaus möglich - ein merkwürdiges Gefühl für den Fußgänger im abendlichen Höfn. Dies legt sich nicht gerade, als einmal wenige Minuten nach einem solchen Spurt ein Polizeifahrzeug im Querverkehr ebenfalls recht zügig diese Straße kreuzt, ohne sich allerdings im Geringsten irgendwie um das Geschehen auf der Straße zu kümmern. Als wir eines der Fahrzeuge nach der zigsten Vorbeifahrt mit der entsprechenden Gestik einmal auffällig durchwinken, bekommen wir jedoch keinen auf die Nase, sondern ein wildes Winken und Hupkonzert als Antwort - Schönes Wochenende, Island!

Ein paar "hackevolle" Typen kommen aus einer Bar gewankt, die uns bereits von der Straße aus aufgefallen war. Keine einzige Frau ist weit und breit zu sehen - droht hier ein Wochenende für einsame Männer? 

Wir beschließen, heute Abend weder ein Restaurant aufzusuchen (ein solches gibt es natürlich an der Hauptstraße auch!) noch weiter am "Nachtleben" teilzuhaben - unseren Abend verbringen wir stattdessen wieder im Explorer beim mitgebrachten 5-Liter-Kanister "Côtes du Rhône". So entgeht uns nicht, wie ein einheimisches "Wohnmobil" mit Allradantrieb und einigen wahnwitzigen Manövern am Steilhang in der Dunkelheit manövriert, bis man schließlich den höchstgelegen Punkt des Campingplatzes mit Seeblick erreicht hat und sich dort für die Nacht einrichtet ...

Sa 30.08.03: Auf den Spuren von Touristenströmen ...

Dachten wir gestern noch, der Vatnajökull würde eine imposante Kulisse am Horizont ausmachen, werden wir nun eines Besseren belehrt: Als wir heute Morgen weiter der Ringstraße 1 folgen, sehen wir, was eine wirklich imposante Kulisse ist. Leider gelingt es auch bei mehreren Halts nicht, den gewaltigen Gletscher vor und neben uns richtig aufs Bild zu bannen - hier kann man zweifelsohne eine der beeindruckendsten Perspektiven genießen, den diese Ringstraße in ganz Island zu bieten hat.

Wir nähern uns einem der wichtigsten Touristenziele an der südlichen Ringstraße: Dem Gletschersee Jökulsarlon (Karte/7). Die kleine Lagune am Eingang zum Sandur ist allerdings auch einen Besuch wert: Unzählige Eisberge treiben auf dem Wasser des still vor uns liegenden Sees, bizarre Formen und tief leuchtende Farben im Spektrum von weiß bis blau. Heute kommt noch ein Licht dazu, das auch die im Hintergrund liegenden Gletscherbereiche in Verbindung mit einer tief liegenden Wolkendecke nahezu magisch ausleuchtet: Hier sollte man auf jeden Fall gewesen sein!

Bekannte Geräte: Amphibienfahrzeug am Jökulsarlon ...

Magische Stimmung an der Lagune ... ... und Touris auf Erkundungsfahrt ...

Eine Tafel verdeutlicht, wie sich der See in nur wenigen Jahrzehnten erheblich verändert hat, noch Ende des letzten Jahrhunderts existierte das heute rund 130 m tiefe Gebilde noch nicht. Die Amphibienfahrzeuge, die hier stehen, kommen uns bekannt vor: Ähnliche hatten wir bereits 1995 in Vik gesehen, doch dazu später mehr.

Touristen stehen an, um eines der Fahrzeuge zu besteigen, das nun aufbricht: Wir verfolgen die Fahrt noch mit dem Teleobjektiv, bis es in einiger Entfernung in den Gletschersee eintaucht und zwischen den Eisbergen verschwindet ...

Wir wollen weiter: Mehr noch als der Jökulsarlon interessiert uns der nahe gelegene Breiðarlón, ein weiterer Gletschersee, an dem nicht nur ein James Bond-Film gedreht wurde, sondern auch der berühmte "Tomb Raider". Unvergessen die Szenen, in denen Angeline Jolie nach einer Hundeschlittenfahrt über den Gletscher wieder nur im T-Shirt in ein Höhlensystem eindringt ...

Wir fahren eine teilweise recht üble Piste, bis wir am Breiðarlón ankommen: Erst bei der Rückfahrt werden wir feststellen, dass offenbar im Zuge der Filmarbeiten eine recht komfortable neue Piste angelegt wurde, die bereits kurz hinter dem Jökulsarlon von der Ringstraße 1 abzweigt und nahezu direkt dorthin führt. 

In der Nähe des Drehortes stoßen wir auf ein Forscherzelt, von wo aus wohl derzeit die Bewegungen des Gletschers studiert werden (N64.070742° W016.340168°). Offenbar wird der abwesende Forscher vermisst: Kaum sind wir am Zelt angekommen, tauchen zwei Schafe auf dem gegenüber liegenden Hügel auf, die sehnsüchtig zu uns herüber schauen und sich nicht mehr von der Stelle rühren - hat hier jemand einen bleibenden Eindruck hinterlassen?

Idylle am Breiðarlón ... Forscherzelt mit Besucherschafen ...

Die restliche Etappe des heutigen Tages wartet: Wir wollen endlich nach all den Jahren auch zum ersten Mal den Skaftafell-Nationalpark besuchen und auf dessen legendären Campingplatz übernachten (Karte/8). 

In der Tat: Wieder einmal ein äußerst beeindruckendes Panorama empfängt uns, als wir uns Skaftafell nähern. Auch der Camp Warden erweist sich als äußerst freundlich und das Zentrum hier am Campingplatz als informativ: Mit anschaulichen Tafeln und Modellen wird der Gletscherlauf von 1996 erläutert, der die benachbarte westliche Region einst verwüstete - doch dazu später mehr.

Der Nationalpark, der heute mehr als 1.600 qkm groß ist, umfasst wesentliche Teile des Gletschers Vatnajökull und besteht, sofern er nicht vom Eis bedeckt ist, aus einer Erosionslandschaft fast schon alpinen Charakters. In diesem Bereich liegt auch der mit über 1.400 m Höhe höchste Berg Islands. Der Park mit seinen insgesamt 3 Teilgletschern des Vatnajökull soll im Wesentlichen eine einzigartige Naturlandschaft schützen, die wohl in dieser Form weltweit einmalig ist.

1,5 km Fußweg zur Gletscherzunge ... ... und pittoreske Szenerie am Skaftafell-Nationalpark ...

Wir machen uns auf den rund 1,5 km langen Fußweg zur nächsten Gletscherzunge, die wir noch an diesem Abend unbedingt sehen wollen - und wir werden nicht enttäuscht. Nur noch wenige Wanderer sind um diese Zeit hier unterwegs auf dem zum Teil recht unwegsamen Gelände - das Abendessen im Explorer, bei dem wieder einmal die Feinheiten des "Kochen Unterwegs" zelebriert werden, schmeckt danach umso besser ... 

Jede Menge Isländer sind mittlerweile zu ihrem Weekend-Aufenthalt auf dem Campingplatz eingetroffen: Die neuerdings hier so typischen Klappwohnwagen werden aufgebaut und bei Einbruch der Dunkelheit sitzen die meisten noch bei ca. 10°C vor ihren Fahrzeugen - keiner würde auf die Idee kommen, bei diesen spätsommerlichen Temperaturen hinein zu gehen. Wie lautete noch gleich das Motto unserer "Parallelreisenden": "Nur die Harten kommen in den Garten" ...


© 2004 Text/Bilder J. de Haas