Anreise nach Kalkutta

Als Anreiseziel in Indien haben wir Kalkutta (Kolkata) gewählt - der nächste große Flughafen und für den Inlands-Weiterflug besser geeignet als Delhi oder Mumbai.
Wir fliegen mit Emirates über Dubai, ab Dubai sind wir als einzige Nichtinder wie die Sardinen in die komplett ausgebuchte Maschine gepfercht.

Schon bei der Ankunft erschlägt uns die Temperatur von rund 35°C beinahe - gut, dass wir extra 1,5 Tage in Kolkata eingeplant haben ...

Wir besorgen uns ein paar Rupees aus dem Geldautomaten und entspannen uns beim ersten Abendessen und einem ersten indischen Kingfisher Bier - dem in den nachfolgenden Tagen dann noch einige folgen sollten - nur zur Eingewöhnung natürlich!

Der nächste Tag gilt der weiteren Akklimatisierung und der Besichtigung von Kolkata. Das indische Leben fasziniert uns immer wieder. Wir besichtigen den Gemüsegroßmarkt: Riesige Ballen von Gemüse mit einem Gewicht bis zu 500 kg werden kunstvoll von einer Gruppe Männer auf die Köpfe geladen und ins Innere des Marktes transportiert - hätte ich es nicht selbst gesehen, ich würde es nicht glauben, dass derartige Lasten nur durch Menschenkraft transportiert werden können ...

Transporte durch Menschenkraft ... Markt für Tonfiguren ...

Gangesbrücke für über 4,5 Millionen Menschen täglich ...

Wir verzichten auf die touristischen "Highlights" und besichtigen dafür den Markt für Tonfiguren und den Blumengroßmarkt (hier werden die Blumenketten und Girlanden für die diversen Feste hergestellt). Wir staunen über die Brücke über den Ganges, die jeden Tag von über 4,5 Millionen Menschen überquert wird und essen mit den Studenten zu Mittag im Literaten-Cafe.

Nachdem wir doch auch ein paar "Musts" besichtigt haben, wie etwa das Mutter Theresa Haus oder das Haus von Gandhi, vergeht der Tag im Handumdrehen und wir bereiten uns auf den Weiterflug von Kolkata nach Guwahati vor - ein Flug von kurzen zwei Stunden ...

Auf nach Arunachal Pradesh

Am Flughafen von Guwahati warten schon unser Guide Michi und unser Fahrer Bormen auf uns. Guwahati liegt bereits im ebenfalls zu den "Schwestern" gehörenden Bundesstaat Assam und ist eigentlich eine nichtssagende, üppig wuchernde Stadt. Weil uns für die Fahrt ins benachbarte Arunachal noch ein langer Tag im Auto bevorsteht, machen wir uns gleich auf den Weg. Die Temperatur liegt auch hier so um die 30-35°C ...

Wie schon erwähnt, liegt der Bundesstaat Arunachal Pradesh zwar ebenfalls in Indien, man reist jedoch dort trotzdem ein wie in ein fremdes Land: Polizeistation mit Schranken, Vorweisen des Visums und des Sonderpermits - eine Prozedur, die wir noch öfter erleben werden, da man sich hier mehr oder weniger bei jeder Polizeistation zu melden hat.

In weiser Vorausahnung habe ich einen Satz von Kopien mit Namen, Passdaten etc. mitgenommen: Jeder Posten bekommt eine Kopie und kann so in Ruhe seine Eintragungen im obligaten dicken Buch machen - wir vermuten, dass dieses wahrscheinlich, wie vieles in Indien, irgendwann im Nirwana verschwinden wird. Ergänzen möchte ich dazu, dass Reisen für Ausländer in Arunachal nur in Begleitung eines einheimischen Führers und in der Gruppe gestattet sind (zwei Personen sind aber schon eine Gruppe, so dass meine Frau Brigitta und ich ganz legal unterwegs sind), auch wenn es immer wieder Findige gibt, die eine ganze Gruppe virtueller Mitreisender erfinden und mit dem Bus reisen ...

Wir treffen auch einen Alleinreisenden, dessen Schilderungen wir aber entnehmen, dass das Vorankommen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln (= Sammeltaxis) nicht ganz einfach ist und viel Zeit in Anspruch nimmt - die schönsten Fotomotive entlang der Strecke interessieren Einheimische natürlich nicht, daher gibt es auch keinen Fotostopp.

Schmackhafte Momos ... Man sitzt in der Küche am offenen Feuer ...

Nach erfolgreicher Einreise geht es also zunächst einmal weiter Richtung Norden, Richtung China. Unser erstes Etappenziel ist die Stadt Tawang, die wir über Tezpur und Bomdila ansteuern. Nach einigen Zwischenetappen erreichen wir mit dem Sela-Pass auf einer Seehöhe von 4.200 m den höchsten Punkt unserer Reise. Bezeichnender Weise schneit es. Schon unterwegs haben wir an den Raststationen die Kultur der Grenzregion kennengelernt - wie an den Autobahnstationen bei uns treffen sich dort verschiedenste Menschen aus der ganzen Region zur Labung und Rast. Man sitzt in der Küche am offenen Feuer, isst "Momos" (Teigtaschen, die mit Gemüse oder Fleisch gefüllt sind) mit würziger Chilisoße und trinkt dazu süßen Schwarztee oder indischen Chai Tee. Wer möchte, kann natürlich auch Reis haben, aber da es den im Gegensatz zu Momos überall gibt, nehmen wir natürlich - wo möglich - Momos.

Das ganze Tal entlang fällt uns die massive Militärpräsenz auf: Über rund zweihundert Kilometer hat man den Eindruck, sich auf einem Truppenübungsplatz zu befinden, Truppen verschiedenster Waffengattungen sind allgegenwärtig.

Unser Guide klärt uns darüber auf, dass - obwohl es keine genauen Zahlen gibt - man von zumindest 200.000 hier stationierten Soldaten ausgeht. Hintergrund ist der von Indien provozierte indisch-chinesische Grenzkrieg des Jahres 1962, der mit einem Sieg Chinas endete und in Indien einen bis heute anhaltenden Schock auslöste sowie die Stationierung massiver Truppenkonzentrationen im Tal, das nach China führt, zur Folge hatte.

3.500 Meter über dem Meer

Unser Ziel, Tawang, liegt auf ungefähr 3.500 m über Seehöhe, davor heißt es aber noch vom Sela-Pass herunter auf rund 2.000 m und anschließend wieder hinauf bis in die Stadt. Unterwegs müssen wir eine Pause einlegen, da eine Gruppe von Frauen eine Brücke repariert - nach 3 Stunden geht es weiter. Wie man vor Ort beobachten kann, gehen die anwesenden Männer die Arbeit recht entspannt an ...

Am Abend es dritten Tages erreichen wir schließlich Tawang, den Beginn des indischen Teils von Tibet, die Temperatur sinkt von tagsüber rd. 15-20°C auf nahe Null nachts, im Zimmer ist es nicht viel wärmer. Strom gibt es nur minutenweise, das Abendessen nehmen wir dick vermummt bei Kerzenlicht ein, meine Frau leidet etwas an der Höhenkrankheit, mir ist bloß erbärmlich kalt.

Für die kühle Nacht und das etwas frugale Abendessen werden wir am nächsten Tag durch schönstes Wetter belohnt, die Gipfel rundherum sind weiß vom Schnee. Nach unserer obligaten Vorstellung beim Polizeiposten machen wir uns auf zum Kloster von Tawang, dem größten Asiens außerhalb von Tibet.

Entspannte Männer, arbeitende Frauen ... Kloster von Tawang ...
Riesige Gebetsmühle ... ... und prächtige Wandmalereien

Begrüßt wird man schon beim Eingang von einer riesigen Gebetsmühle. Die Leute, denen wir begegnen, entsprechen vom Aussehen her eher dem zentralasiatischen als dem indischen Typ. Angeblich stammen die Menschen hier auch aus Gebieten nördlich des Himalayas, ich kann und will mich zu den ethnografischen Fragen aber nicht weiter äußern.

Neben dem Tempel fällt uns das Gewusel einer Menge Kinder im Umfeld der sehr großen Klosterschule auf: Gutgelaunt tollen sie in ihrer orangeroten Kleidung herum und man erklärt uns, dass sie erst mit Ende der Schule die Entscheidung über das Klosterleben oder die Rückkehr in das "normale" Leben treffen müssen. Wir treffen auch ein paar altgediente Mönche, die einen durchaus zufriedenen Eindruck machen - sonst geht es im Kloster, trotz der imposanten Größe, recht ruhig zu. Nicht nur in diesem Kloster, auch in kleineren umliegenden sind wir überwältigt von der Pracht der Wandmalereien, die nicht immer ganz jugendfrei sind und die sich uns in ihrer Vielfalt nur in Ansätzen erschließt.

Sowohl im Klosterbereich als auch außerhalb in den Dörfern treffen wir immer wieder auf Frauen in der lokalen Tracht, die sich in nicht enden wollenden Runden um die Tempel bewegen oder auch in kleinen Altären in den verstreuten Siedlungen Rauchopfer darbringen. Oft tragen sie die aus Yak-Wolle hergestellte traditionelle Kopfbedeckung. Die häufig zu sehenden Ketten aus Halbedelsteinen und Keramik werden von Generation zu Generation weitergegeben und sind teilweise sehr alt.

Nach zwei Tagen in Tawang machen wir uns - nach ordnungsgemäßer Abmeldung bei der Polizei - auf den Rückweg und treffen unterwegs zufällig auf eine Feier zur Einweihung eines kleinen Tempels. Die Dorfbevölkerung lädt uns spontan ein, wir werden mit Reismehl bestäubt und bekommen das obligate, selbstgebraute Reisbier. Anfangs noch ungewohnt, schmeckt es uns zum Ende unserer Reise ganz gut ...

Frauen in lokalen Tracht ... ... bei der Tempelumrundung

© 2014 Reinhard Temmel