Freitag, 05.09.08: Stille Zeugen am Atlantikwall ...

Der Morgen an diesem Freitag gestaltet sich in der Tat denkwürdig: Kein Dach kann hochgeklappt werden, prasselnder Regen unverändert und der Sturm hat nur leicht nachgelassen. Das Frühstück fällt aus an diesem Morgen und wir beschließen, sofort weiter zu fahren Richtung Westen, auch wenn die Wettervorhersage unseres "Fuzzis" nach wie vor nichts Gutes ahnen lässt, ebenso wenig wie die aktuelle Luftdruckanzeige des Suuntos.

Heute soll die Fahrt weitergehen in Richtung Clohars-Carnoet und nördlich vorbei am ehemaligen deutschen U-Boot-Stützpunkt Lorient zu einem Camp im benachbarten Le Pouldu: Nur um die 70 km sind es bis dorthin und deshalb wollen wir zuerst noch einen Besuch bei einigen Zeugen des Zweiten Weltkriegs machen - es ist der nahe "Atlantikwall", der unser erstes Ziel ist. Mehr zu unserem Abstecher dorthin unter dem Schwerpunktthema Hinterlassenschaften - Stille Zeugen am Atlantikwall ...

An der Batterie von Plouharnel ...

Das Wetter hat sich kaum gebessert, als wir unsere Fahrt fortsetzen: Die Fahrt nach Clohars-Carnoet lässt Übles vorausahnen ... Im direkt benachbarten Örtchen Le Pouldu führt uns der erste Weg sofort zur Atlantikküste: Mit Tür zur Hauptwindrichtung befindet sich dort eine Touristeninformation auf der Strandpromenade - als wir sie öffnen, werden den dort sitzenden beiden Mitarbeitern fast die Unterlagen von den Schreibtischen geblasen.

Dennoch sind sie sehr freundlich und übergeben uns ein Heftchen, dem wir den Weg und dessen Nummer (4) zum Camping de Croas an Ter entnehmen können. Hier wollen wir eigentlich einen Ruhetag verbringen, auch wenn das Wetter miserabel zu bleiben scheint. Wir erreichen das noch geöffnete Camp, das allerdings etwas abgelegen vom Ort liegt. Die Rezeption ist zwar geöffnet, aber kein Mensch weit und breit: Ein Schild verweist auf ein Nebenhaus, wo wir jemanden finden können, der uns weiter hilft ...

Die äußerst freundliche Betreiberin des Campingplatzes empfängt uns im Morgenmantel und mit Lockenwicklern an der Tür: In wenigen Minuten würde sie auf dem Platz sein, wir sollen uns derweil schon einmal einen schönen Platz suchen. Das machen wir dann auch und in der Tat  ist das Camp voller schöner Plätze: Direkt neben einem gewaltigen Baum richten wir Explorer und natürlich auch wieder unser OZtent aus, das bei derartigem Wetter wirklich ein angenehmer Zufluchtsort ist.

Das Camp ist noch bis zum 15.09. geöffnet, aber man merkt schon, dass wir uns dicht am Ende der Saison befinden: Der Platz gehört nahezu uns und auch die Entfernung zum Ort wird bei dem herrschenden regnerisch-windigen Wetter mehr als bewusst - mit einem Restaurantbesuch wird es heute wohl wieder mal nichts. Das derzeitige Wetter macht sich um so mehr bemerkbar, als wir gegen Abend wieder einmal einen Blick auf den "Wetterfuzzi" werfen und erstarren: Auch für heute Abend zeigt er ganz plötzlich erneut 4 Balken und einen Windsack - na Mahlzeit, auch heute Nacht wieder Sturm, und das in unmittelbarer Küstennähe ...

Nur 70 km nach Finistère ... Le Pouldu: An der Mündung vom La Laita ...

Sonnenuntergang ist hier und heute im äußersten Westen erst gegen 20:45 Uhr - man gewinnt tatsächlich sehr viel im Vergleich zu heimischen Regionen. Die kommende Sturmnacht von La Pouldu wirft allerdings ihren Schatten voraus: Man erwartet auf See einen Orkan mit mindestens Windstärke 11, erzählt uns die freundliche Campbetreiberin, und sie tröstet uns auch: Es würde im Gefahrenfall eine Warnung von der Préfecture geben, und falls erforderlich Alarm ... Man kann allerdings nicht sagen, dass wir daraufhin dem Abend deutlich gelassener entgegen sehen.

Wir schließen erneut das Dach vom Explorer und beschließen, die Nacht einmal testweise im OZtent zu verbringen, selbst die Seitenteile lassen wir dran, da wir uns gut geschützt wähnen hinter den dichten Büschen, wo wir dicht geduckt im tieferen Bereich des Camps stehen.

Und die Nacht wird wieder mehr als unruhig: Unablässig treffen uns die Sturmböen im Camp und es ist fast schon unheimlich, dass man das gewaltige Rauschen wieder und wieder beinahe wellenartig durch die vielen Bäume hinter uns auf sich zurollen hört, bis es schließlich da ist und am Zelt hinter den Büschen zerrt - es wird eine Nacht insgesamt, wie man sie nicht unbedingt braucht auf Tour ...

Samstag, 06.09.08: Windige Zeiten ...

Am Morgen hat der Sturm zwar etwas nachgelassen, aber der "Wetterfuzzi" verheißt nach wie vor nicht Gutes für die Region Brest. Immerhin gibt es aber Wolkenlücken heute morgen und die bedeuten, dass das verbliebene A-Bike startbereit gemacht werden kann: Die paar Kilometer zur nächsten Bäckerei in Le Pouldu werden mit so einem Gerät doch heute morgen sicher kein Problem sein ..!

Die Strecke zieht sich allerdings, es geht bergauf und bergab, doch schließlich ist der stolze Baguetteholer wieder zurück: Selbst für den Croissantfan an Bord konnte gesorgt werden. Die Campbesitzerin macht ihren täglichen Rundgang, begrüßt uns wieder freundlich und lässt sich staunend das A-Bike erklären. Wir verzichten auf den Hinweis, dass man derartiges einfach braucht in einem Land und zu einer Zeit, wo man morgens an einem Campingplatz nichts mehr bekommt, was etwas Essbarem ähnlich sieht ... 

Selbst bei Sturm ein heimeliger Stellplatz ... Kräuter-Selbstbedienungstheke am Platz ...

Dennoch aber beeindruckt auch heute wieder der Platz: Ein wirklich empfehlenswertes Camp mit wunderschönen Stellplätzen und sogar einem Holzkasten am Eingang, wo sich der Camper mit dort wachsenden Gewürzen bedienen kann - ein Angebot, von dem wir heute allerdings keinen Gebrauch mehr machen.

Nachdem wir wieder mal herunter prasselnde Regengüsse abgewartet haben, beschließen wir, einen ausführlichen Rundgang bis zur Atlantikküste und nach Le Pouldu zu machen - schließlich geht das auch im Regenumhang, wenn man nur will. Und dann wollen wir heute Abend schließlich auch noch im Hotel du Pouldu fürstlich speisen, immerhin empfohlen als bestes Haus am Platz von unserer freundlichen Gastgeberin.

Wir machen unsere Wanderung: Hin zur ausladenden Flussmündung des La Laita, der sich bei Le Pouldu in den Atlantik ergießt, über einen Malerweg, der kleine Beschreibungen und Gaugan Bilder am Wegesrand präsentiert. Mit dem Fluss haben wir gestern zugleich die Grenze zum westlichsten Departements Frankreichs überquert: Ab sofort befinden wir uns in Finistère, ganz im Westen der Bretagne, das einst die Römer als Finis terrae, das Ende der Welt bezeichneten, an dem sie sich wähnten - eine Region Europas, die für ihre Wildheit und die Schönheit der Landschaft berühmt ist ... 

Impressionen: Rundgang in und um Le Pouldu ...

Wild ist es in der Tat: Wir kämpfen uns am Strand voran gegen heftige Windböen und durch immer wieder prasselnde Schauern und beobachten dabei Kitesurfer, die draußen an der stürmischen Atlantikeinmündung beeindruckende Manöver vorführen. Wir beschließen schließlich Schutz zu suchen in Le Pouldu, erreichen eine Pizzeria und genehmigen uns einige große Biere zur Belohnung - natürlich draußen. Erstaunen ist beim Kellner angesagt: Ein Blick auf die spätere Rechnung zeigt warum, 5,- EUR kostet das Bier hier draußen und ist damit auf der überdachten Terrasse auch noch 30 Cent teurer als drinnen an der Bar im Lokal - nur die Harten kommen in den Garten!

Le Pouldu erweist sich als freundlicher Ort: Nicht nur, dass ein vorbei gehendes Mädel den alten biertrinkenden Zausel auf der Terrasse auffallend freundlich mit Bonjour begrüßt, nein, selbst ein Hund auf einem nahen Balkon am Straßenrand gibt unaufgefordert zweimal die Pfote zur Begrüßung, als man vor seinem Balkon stehen bleibt ..!

Nur das Restaurantproblem bleibt auch heute letztlich unser übliches. Natürlich ist Restaurantvorbestellung wie überall angesagt, aber im Hotel du Pouldu kommt heute noch eines hinzu: An diesem Samstag ist nichts mehr zu reservieren, weil eine Hochzeitsgesellschaft hier speisen wird - und da ist eben kein Platz mehr für uns frei. Und so werden wir auch heute wohl wieder im OZtent tafeln - wie Gott in Frankreich ..?


© 2009 J. de Haas, Umgebungskarte Le Pouldu: Clohars-Carnoet guide pratique 2008