Auftakt im Burgund

Am nächsten Morgen wird die Reise fortgesetzt - nun geht es endlich ins Burgund nach Puligny-Montrachet. Dort erwartet uns das kleine wunderhübsche Hotel La Chouette (die Eule), das nur für unsere kleine Weinreisegruppe reserviert ist. Chefin Suzanne, die übrigens Deutsch spricht, ist die Gattin des Betreibers des großen Hotels Le Montrachet im Ort. Sie betreibt dieses kleine Hotel offensichtlich als Liebhaberei, was man ihr durchaus anmerkt an der Tatsache, mit wie viel Liebe sie hier bei der Sache ist ...

Das Zimmer ist groß mit einem riesigen Badesaal, einer kleinen Terrasse und sehr hübsch im französischen Stil eingerichtet. Das Programm für die nächsten Tage liegt bereit.

Der erste Abend findet hier im Hotel statt. Es werden Leckereien der Region kredenzt: Pasteten, Foie Gras, gefüllte Blätterteigköstlichkeiten und vieles mehr. Zum Abschluss gibt es noch eine große Käseplatte mit Spezialitäten für jeden Geschmack und jede Nase ...

All dies ist der Rahmen für die Hauptdarsteller: Burgunder aus den Jahren 1964 - 2008 im Wert von mehr als 1.000,- EUR. Präsentiert wird das Ganze vom ortsansässigen Winzer François Carillon, unterstützt von der Sommelière Frau Gerhild Burkard von Weinreisen Rettich, die einst im Burgund auch ein Praktikum absolviert hat.

La Chouette lädt ein: sensationelles Frühstück Puligny-Montrachet: Ein idyllisches Winzerdorf
Burgunderkunde mit Fr. Burkard, Hr. Carillon und Hr. Rettich ... Alles bis zum Depot trinken?

Während des Abends werden anhand von Karten an der Wand die Regionen des Burgunds erläutert. Wir werden weiter in die Klassifizierungen Villages, Premier Cru und Grand Cru eingewiesen, sowie in die Eigenarten der französischen Fässer, die ein Fassungsvermögen von 228 l haben und aus französischer Allier-Eiche gefertigt werden.

Begonnen wird mit einem jungen Wein F. Carillon - Bourgogne 2008. Als Einstieg sehr angenehm, aber nichts, was einen umhaut - der Wein ist noch jung. Es folgen weitere Burgunder in weiß und rot. Ein Großteil bereits ausverkauft, was hier ein zentrales Problem ist, mit dem man aber wohl gut leben kann ...

Stolz präsentieren die Winzer ihre "Hochgewächse", man ist beeindruckt und erfährt dann, dass der Wein ausverkauft ist. Frau Burkard versichert uns jedoch, dass sie die Winzer gebeten hat, uns auch kaufbaren Wein zur Verkostung anzubieten.

Der fünfte Wein ist dann die erste "Besonderheit": Ein 1964er Clos de la Roche Grand Cru. Wann hat man schon die Gelegenheit, so etwas zu probieren? Die Farbe ist etwas bräunlich. Er bildet die erwartungsgemäßen Schlieren im Glas. Das Bouquet ist recht schwach. Der Wein schmeckt, keine Frage, und es ist erstaunlich, dass er nach 45 Jahren immer noch die Charakteristika eines Burgunders aufweist und nicht zu Essig mutiert ist. Unserer Meinung nach fehlt die Fülle, aber man merkt die Weiterentwicklung der Aromen. Äußerst interessant.

Es folgen noch Grand Crus aus 1996 und 1976 sowie Premier Crus von 1985 und 1991. Wir schmecken Pfeffernoten und Lederaromen. Insgesamt 12 Sorten Wein werden verkostet. Gewissenhaft filtert Frau Burkard das Depot aus den edlen Tropfen. Der Winzer fordert uns jedoch auf, die Weine "auf Depot" zu trinken, was in Deutschland unüblich ist. Für ihn aber gehört das Depot zum alten Wein ...

Zum Schluss wird uns noch einmal der erste junge Burgunder kredenzt. Und aufgrund der vielen Aromen der Weine und Speisen hat sich in der Zwischenzeit unsere Wahrnehmung verändert: Der Wein erscheint nun sehr viel voller als zu Beginn. Wer hätte das erwartet?

Zum Glück ist der Weg ins Bett nicht weit. Und auch die Nacht ist lang genug, denn das Frühstück wird erst um 09:00 Uhr serviert ...

Und was für ein Frühstück! Wer bei Frühstück in Frankreich nur an Baguette, Cigarette und Cafe au Lait denkt, wird hier heute Morgen eines Besseren belehrt: Ein kulinarisches Büffet erwartet uns! Soufflés, frische und noch warme Obsttarte, Schinken, Käse, hausgemachte Marmeladen, Obst wie Melonen und Feigen sowie zig Sorten Brot erfreuen uns. An der Safttheke erwarten uns neben Orangensaft auch Traubensäfte aus Grand Cru und Premier Cru Lagen. So kann man in den Tag starten, der mit einem Rundgang durch die Weingärten von Puligny-Montrachet beginnt.

Lehrstunde beim Winzer Guillaume ... Kapital und Stolz der Winzer ...
Die mobile Destille im Einsatz ... Alles im Zeichen des Weins ...

Winzer Guillaume von Olivier Leflaive macht eine Führung durch den Ort und die Weinberge. Anhand einer Karte erkennt man schnell, wie dicht aneinander sehr hohe Qualitäten und mittlere Qualitäten gedeihen. Es ist fast unglaublich, wie auf kleinstem Raum die Beschaffenheit der Böden abweicht, die so genannten Terroir und Microclimats. Dies macht dann den Unterschied aus zwischen einem Premier Cru und einem Grand Cru. Auch die Reben müssen ein Mindestalter haben. Wird eine der Edellagen neu bepflanzt, ist der Winzer für einige Jahre aus dem Rennen ...

Stolz haben Winzer Auszeichnungen in die Mauern des Weinbergs gemeißelt, damit niemandem entgeht, vor welchen Weinstöcken er steht.

Wer Eigentümer eines kleinen Grand Cru Weinbergs werden will, muss schon im siebenstelligen Euro-Bereich investieren, sollte er überhaupt die Chance bekommen, hier einzusteigen. Werden edle Weinberge "frei", so sind sofort die ortsansässigen Winzer zur Stelle und lassen in der Regel einem "Zugereisten" keine Chance.

Am Ortsende steht eine mobile Destillieranlage, die aus den gepressten Trauben, die die Winzer hier abgeben müssen, Alkohol destillieren. Dies dient unter anderem auch dazu, die Erntemengen zu kontrollieren, denn vereinzelt gibt es dann doch mal ein schwarzes Schaf, das seine Produktion in unzulässiger Weise mit was auch immer aufstockt ...

Da schon am Vorabend Wein-Fachbegriffe wie Grand Cru, Premier Cru und Villages heftigst durch den Raum schwirrten, hier noch einmal die Zusammenfassung der Klassifizierungen aufsteigend nach Qualität und damit auch nach Preisklassen gestaffelt:

1. Bourgogne mit irgendwelchen Namens-Zusätzen
2. Bourgogne mit einem Ort wie z.B. Bourgogne Puligny, das sind "Villages" Qualitäten.
3. 1er Cru (Premier Cru)
4. Grand Cru

Die Klassifizierung ist ein guter Anhaltspunkt, ob es sich um Qualitätswein handelt. Aber probieren geht natürlich vor studieren: Wir haben Grand Crus probiert, die enttäuschend waren und ebenso Villages, die nach "ich will mehr davon" schreien.

Anschließend fahren wir nach Alox-Corton zur Domaine Comte Senard, wo es eine geführte Weinprobe mit mehrgängigem Menü gibt. Hauptgericht ist das in rotem Burgunder geschmorte Coq au Vin. Auch hier werden Grand Cru und 1er Cru verkostet, wobei man beim Einschenken durchaus nicht kleinlich ist ...

Weinverkostung in der Domaine Comte Senard ...
Im Imaginarium bei Bouillot  ... Stylischer Verkostungssaal mit Spuckkomfort ...

Wenn wundert es da, dass man in bester Stimmung in den Bus steigt, um weiter nach Nuits St. Georges zu fahren. Die Besichtigung des Imaginariums der Sektkellerei Louis Bouillot steht nun auf dem Programm. In einem futuristisch beleuchteten Ausstellungsraum mit Animationen, Filmen und Modellen von Maschinen erfährt man dort alles über die Herstellung des Cremant und über die Magie prickelnder Bläschen. Es wäre keine Weinreise, gäbe es nicht zum Abschluss noch eine ausgiebige Schaumweinprobe in einem stylischen Verkostungsraum, bei dem jeder hinter sich ein eigenes Becken hat zum Ausspucken der Proben ...

Das Beste kommt aber wie so oft zum Schluss: Der Besuch der Kellerei Domaine de la Vougeraie. Dort werden nach biodynamischen Verfahren Burgunderweine gekeltert. So werden dabei die Mondphasen berücksichtigt, in einem eigenen Garten allerlei Kräuter zur Pflege und Düngung der Weinstöcke angebaut, Hornspäne ausgestreut und vieles mehr wird getan, was den Reben gut tut. Der Geschmack gibt ihnen bei aller Skepsis Recht: Die Weinprobe ist beeindruckend und man möchte für den Abgang der Weine einen doppelt so langen Hals haben ... (Nachtrag, Nov. ´11: Der Chef-Önologe und Kellermeister Pierre Vincent von Vougeraie wurde im Oktober 2010 bei der International Wine Challenge IWC in London zum besten Rotweinmacher des Jahres (Winemaker of the year) gekürt, erhielt somit den "Oskar der Weinmacher" - schön, dass wir ihn kennen lernen durften! )

Ein Rätsel geben uns jedoch die biodynamischen Winzer auf: Immer wieder erzählt man uns, dass roter Burgunder aus der Traubensorte Pinot Noir und nur daraus gekeltert wird. Doch da steht im Keller ein Fässchen mit der Aufschrift Gamay, eine Traubensorte, die zum Beispiel überwiegend im Beaujolais angebaut wird. Warum steht das Fass hier? Wird hier neben den reinsortigen Spezialitäten auch Bourgogne Passetoutgrain hergestellt, der aus Gamay und mindestens 33% Pinot Noir besteht? Ist das für den Eigenbedarf? Grundlage für Experimente neuer Weinprodukte? Die Fragen bleiben unbeantwortet ...

Nach allem nur gut, dass der Bus einen ordentlichen Laderaum hat, denn hier geht so gut wie niemand ohne Einkauf raus.

Bei der Domaine de la Vougeraie ... Das Gamay-Rätsel im Keller ...

Und was macht man nun nach so einem weinseligen Tag? Wieder zurück in Puligny-Montrachet gehen wir alle schließlich ins Bistro Leflaive, um bei französischen Tapas, leckeren Burgundern und viel Diskussion über das heute Erschmeckte den Abend ausklingen zu lassen ...



© 2010 Text/Bilder Sixta Zerlauth, Großbild Frühstück: Dr. Lothar Schmidt