Vom Mazda und der uralten Tischer-Kabine ...
von Gerhard Muth
Vorbemerkung der Redaktion: Die nachfolgende Anzeige erhielten wir im September 2008 von Gerhard Muth. Erst später erfuhren wir, dass es zu dieser Kombination auch eine interessante Geschichte gibt. Und nachdem wir die gelesen hatten, wollten wir sie unseren Lesern auf keinen Fall mehr vorenthalten ...
(12/08) Verkaufe meine Absetzkabine TISCHER-Caddycamp Baujahr 1988. 2. Besitzer, Hubdach (Stehhöhe 190 cm). Durch stabilen Alu-Zwischenrahmen für Mazda B 2500 Doppelkabiner u.ä. geeignet. 1,74 m breit, 2,55 m hoch. In fahrbereitem Zustand, trocken. Ausziehbett auf Lattenrost, mit Haushaltsmatratzen 164 x 200 cm Längsschläfer. 2-Flamm-Kocher; Nirostaspüle (Tauchpumpe), Heizung, Truma 2000, Kühlschrank (230 V, 12V, Gas - Neu). Schwenktisch, 3 Sitzplätze (als Notbett ca. 90 x 164 cm), Porta Potti, Gasflaschenkasten für 2 x 5 Kg-Flaschen, 2 Ausstellfenster, Hecktüre geteilt, komfortable Einstiegstreppe. Fahrradträger, Sonnensegel. Nichtraucher, kein Haustier. Standort: Steiermark/Österreich. Abholpreis: EUR 2.990,-- VB. Mehr Infos ? Tel. oder Email ...
In der Nachkriegszeit waren die Beine das allgegenwärtige Fortbewegungsmittel und daher auch von mir genutzt. Später nutzte ich dagegen mehr Bus und Bahn und da meine Reisen immer hochinteressant waren, fanden sich auch stets ein oder zwei Begleiter.
Das erste eigene Fahrrad war daher schon etwas besonderes und so führte es mich als Kärntner schon bald nach Italien, Südtirol und über den Großglockner - ich besaß meinen ersten Reisepass! Selbst als Autostopper versuchten wir es zu zweit und kamen bis Hammerfest und auch nach Marokko. Später war ein Faltboot mein Untersatz. Reisen in das heutige Kroatien und eine Fahrt von Bregenz bis Rotterdam waren die Highlights. Ein Winter als Tellerwäscher in Schweden füllte die Kassen und nährte die Reiseträume ...
Diesmal sollte es etwas besonderes sein: Ein Motor. Ich hatte schon vorher einen Lohner Motorroller, später dann ein KTM Motorrad besessen und wunderschöne Touren in die Schweiz und nach Italien, Jugoslawien und Deutschland gemacht. Danach, mit damals 22 Jahren, hielt ich mich reif für eine große Tour. Es wurden 7 Monate, 32.000 Km und Erlebnisse zuhauf: Iran, Irak, Libanon, Syrien, Jordanien, Israel, Ägypten, Sudan, Äthiopien und Ostafrika waren die Ziele.
Die Motorräder, zwei KTM mit 150 ccm und 13 PS hielten prima durch. Im Dezember 1963 schließlich waren wir mit leerem Tank und leeren Taschen wieder zuhause ...
Kurzerhand machte ich mein Hobby - Reisen - zu meinem Beruf, welcher mich über Bulgarien, Italien und Österreich nach Kamerun führte. Barbara trat in mein Leben und wir komplettierten die Familie mit Markus. Ruhige Jahre, aber nie ohne Reisen, folgten ...
Eines Tages, es war im Jahr 1993, entdeckte ich in Berlin ein eigenartiges Gefährt, das auch noch zum Verkauf stand (zu dieser Zeit nannten wir bereits zwei Suzuki LJ 80 und auch einen Wohnwagen unsere Familienmitglieder). Aber dieses Fahrzeug sollte neue Möglichkeiten eröffnen: Es war ein VW Caddy mit einem Tischer Wohnaufbau - zugelassen für vier Personen, Hinterachse bereits aufgelastet (um 50 kg). Es war allerdings ein "oh-je" - Fahrzeug, dem in unserer Familie kein langes Leben beschieden war (Herr Piech und Team mögen mir verzeihen). Die Kabine verschwand in einer Scheune ...
Im Jahr 2000 erwarben wir schließlich einen Mazda B 2500 Doppelkabiner für die Firma. Naheliegend: die schlafende Caddy-Kabine aufzuwecken.
Leider passte sie nicht drauf: Es wurde ihr ein Zwischenrahmen aus Alu verpasst und schon klappte es. Na also, geht doch! Leider waren die Fahreigenschaften nicht zufriedenstellend und so wurde, immer schön deutschlandnah, Dänemark und Polen erkundet.
2001 wurden die Fahreigenschaften (vermeintlich) durch den Einbau einer zusätzlichen Feder verbessert: Ziel Nordkap und Baltikum ...
2002 ging es für 12 Wochen nach Island: Das Reserverad wurde mit einem ganz einfachen Träger am vorderen Rammschutz befestigt (leider ohne Segen des TÜV). Die Gewichtsverteilung hatte sich sehr verbessert: Alles verlief ohne Probleme, nur die Hochlandpiste Sprengisandur wurde nicht gefahren. Viele entlegenen Ecken boten Ersatz dafür ...
2003 brach auf den österreichisch-italienischen Alpenpässen und Wegen des 1. Weltkrieges eine Feder, was zur Folge hatte, das im Jahr 2004 dem "Steppenwolf" eine Goldschmidt Luftfederung verpasst wurde. Jetzt waren die Fahreigenschaft enorm verbessert, was sicher auch der Kabine mit Hubdach (Fahrzeughöhe 2,53 m) und geringer Breite von nur 1,74 m zuzuschreiben ist.
2005 im Frühling acht Wochen Marokko mit tollen Touren im Sahara-Randgebiet und Atlas-Gebirge waren eine Schau für sich. Leider hatte sich ein Federbalg durchgescheuert: Die Reparatur dauerte zwar einen ganzen Tag (inklusive Palaver, Besichtigungen und Tee), der Balg wurde dabei - wie landesüblich jeder Pneu - einfach vulkanisiert ...
2006 Griechenland - Peloponnes bis in die hintersten Ecken: Der Balg verliert etwas Luft und muss jeden zweiten Tag mit dem bordeigen Kompressor mit Manometer aufgepumpt werden (geht während der Fahrt). Der Kompressor besitzt einen zweiten Ausgang, der auch zum Aufpumpen der Reifen dient.
2007 Rumänien-Bulgarien: Dünnhäutige Zeitgenossen würden diese Tour einfach als Katastrophe bezeichnen. Bereits am Anfang, in den Karpaten, den Grenzbergen zur Ukraine, änderte sich die Fahrzeuglage merklich: Untersuchungen ergaben einen Riss im Leiterrahmen. In einer Werkstätte wurde er geschweißt und mit den besten Wünschen für die Weiterreise und der Versicherung "das hält ewig" (auf deutsch bittesehr) ging es weiter.
Ewig ist aber hierzulande offensichtlich nur 90 Km und so fuhren wir nach einer Notreparatur mit Bordmitteln wieder langsam zurück: Der Mechaniker hatte Tränen in den Augen ...
Kabine runter, Pritsche weg und siehe da, ein zweiter Riss hatte sich aufgetan. Beide Stellen wurden erneut geschweißt (das Schweißgerät musste aus der Frühzeit der Christenheit stammen), dem Rost wurde per Drahtbürste zu Leibe gerückt und die Reise ohne weitere Probleme fortgesetzt ...
2008 wurde die Haltbarkeit auf Irlands und Schottlands Straßen in gewohnter Streckenplanung überprüft: Die Schweißstellen hielten immer noch, aber eine Feder verabschiedete sich ...
Nun reichte es: Über 210.000 Km und 9 Jahre. In einer kleinen Feier verabschiedeten wir uns von unserem treuen Freund. Er wird weiterhin bei den Holzfällern treue Dienste leisten. Die Erinnerungen an eine wunderbare Zeit aber bleiben.
Die Kabine, durch den Zwischenrahmen unverwüstlich und immer noch dicht - da garagengepflegt - wird nach 20 Jahren sicher noch einen Abnehmer finden und ihm hoffentlich genauso schöne Reisen bescheren wie uns. Von wegen Reisen - manche Touren hatten sicher schon etwas von Expeditionen gehabt ...
Wir aber werden sicher wieder zu neuen Taten aufbrechen ..!
Nachtrag, im Oktober ´08: Vorbei ...
Wie üblich im Bazar dauerte es auch bei Barbaras und Gerhards Kabine nicht allzu lange, und dann war sie weg. Wir bedanken uns für Mail und Abschiedsbilder, die ein Gefühl für die "Gefühle" dabei vermitteln und freuen uns mit den beiden und natürlich auch mit Thomas, dem neuen Besitzer der Kabine - möge er eine ähnlich schöne Zeit mit ihr verbringen!
Hallo Jürgen,
mit etwas feuchten Augen teilen wir Dir vereinbarungsgemäß
mit, dass der Steppenwolf ein neues "Herrl" gefunden hat und
seit einer Stunde bereits Richtung Hamburg unterwegs ist. Ich bin sicher,
dass er bei Thomas in gute Hände gekommen ist. Da er (Anm. der Red.:
der Steppenwolf!
)
nicht lesen kann, wird er kaum merken, dass jetzt ein Ford Ranger unter
ihm arbeitet.
Für alle Deine Bemühungen nochmals recht herzlichen Dank
Barbara
und Gerhard