Auftakt ...

Die Fahrt ins Nirgendwo

Im normalem Ablauf werden die Lehrer an der Deutschen Evangelischen Oberschule Kairo (DEO) im Frühjahr eingestellt und sie suchen sich in den Pfingstferien eine Wohnung in Kairo. Durch die speziellen Umstände haben wir erst nach Pfingsten erfahren, dass Petra den Job bekommt und hatten somit keine Chance mehr, eine Bleibe in Kairo zu suchen. Also fahren wir als "Heimatlose" Anfang August erst mal nach Ägypten.

Dass der "Unimi" mit nach Ägypten kommt, ist selbstverständlich. Als arbeitender Ausländer darf man in Ägypten ein Fahrzeug für die Dauer des Aufenthalts zollfrei einführen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses muss das Fahrzeug wieder ausgeführt werden.

Auf zu den Pyramiden ..!Das Reisen auf dem Landwege ist inzwischen ein teurer Spaß geworden: Die Kosten einer solchen Unternehmung sind exorbitant. Ich habe die beiden möglichen Routen über die Türkei, Syrien und Jordanien oder Tunesien, Libyen detailliert verglichen. Das Rechenexempel ging vor allem wegen der Dieselpreise zu Gunsten von Tunesien, Libyen aus. Alleine für den Transit durch Libyen muss mit Euro 1000,- gerechnet werden. Ein Trost sind da die Kosten für Diesel von 10 Euro-Cent.

Ich hätte gerne unseren einachsigen Anhänger (Brotkiste) mitgenommen. Der darf aber leider nicht zollfrei eingeführt werden. Also wird der Unimog bepackt wie ein arabischer Esel, um die nötigsten Habseligkeiten dabei zu haben.

Die Fahrt nach Kairo wird etwas stressig, da unsere Fähre am 12.08.2008 in Genua abgeht und wir bereits am 20.08.2008 an der ägyptischen Grenze stehen müssen. Dort wartet auf uns ein Gesandter der DEO (deutsche evangelische Oberschule), der für uns die Einreise-Formalitäten macht. Nach Einschätzung der DEO hätten wir als Landesfremde keine Chance, das Prozedere des Arbeitsvisums zum meistern. Ich glaube ihnen. Die ägyptische Bürokratie ist neben der indischen und pakistanischen weltweit gefürchtet.

Wir werden also am 6. August 2008 hier in München unserem bis dahin hoffentlich leeren Haus ein letztes Mal einen wehmütigen Blick zuwerfen und dann direkt zum Unimurr-Treffen nach Ferschweiler fahren. Nach der Verabschiedung unserer guten Freunde um das Unimurr-Forum und mit billig getanktem, luxemburgischen Diesel geht es direkt nach Genua zur Anlegestelle der Grandi Navi Veloci, unserer Fährgesellschaft, die uns sicher nach Tunesien schippern wird ...

Der Wahnsinn, ein Haus innerhalb von zwei Monaten zu räumen

Aufbruch im Münchner Häuschen ...Mit der Entscheidung, nach Kairo umzusiedeln, müssen wir unser gemietetes Haus in München bis zum 6. August räumen. Das bewohnen wir seit 1994 und es ist das Elternhaus unserer Kinder. So gehen wir einerseits mit Freude, da die Hütte einfach zu eng wird und andererseits mit nostalgischer Wehmut, da es doch über 14 Jahre unsere Heimat war.

Der Hausstand, der beträchtlich angewachsen ist, wird vorerst in meiner Werkstatt untergestellt. Nach den ersten dreißig gepackten Umzugskisten schaut es genauso aus wie vorher: Da wird einem himmelangst. Vom Sortieren und Ausmisten haben wir uns schnell verabschiedet, da uns die nötige Zeit dazu fehlt. Es wird jetzt nur noch eingepackt in Kisten für "Kairo" oder für "Zuhause". Sobald wir in Kairo eine Bleibe haben, werde ich nach Hause fliegen und einen 20 Fuß-Container packen mit den Sachen, die wir meinen, in Kairo zu brauchen. Die Kosten zur Verschiffung des Containers spendiert die DEO.

Sehr viel Zeit "frisst" der administrative Aufwand eines solchen Umzugs: Es müssen unglaublich viele Papiere, Amtsgänge, Bankverbindungen und Kleinkram gemanagt werden. Das Ganze natürlich in der zeitlich richtigen Reihenfolge. Diesen Stress weitgehend von den Kindern und der Familie fernzuhalten, ist eine eherne Aufgabe, die mir nur leidlich gelingt. Gottlob ist die Brut reiseerfahren und sieht das Ganze mit großer Gelassenheit. Deutlich lockerer als die Eltern ...

Transit, oder: Ein Lehrstück, wie man fahrende Touristen ausnimmt

Dienstag, 5. August 2008: Däumlingstraße, München

Wir haben es geschafft: Abends haben wir die letzten Habseligkeiten unseres alten Hauses in der Däumlingstraße in den Berlingo gepackt und sind in die Unimurr-Werkstatt mit Unimog geflüchtet.

Wir haben es uns noch vorher beim Italiener gut munden lassen und uns für die Nacht vor der Werkstatt niedergelassen. Die Nacht war eher laut durch vorbeifahrende LKW. Ich glaube, dass wir aber eher des Stresses wegen schlecht geschlafen haben ...

Mittwoch, 6. August 2008: Immer noch Däumlingstraße, München ...

Nach dem letzten Cappuccino aus unserer Kaffeemaschine und nach dem alles verstaut war, der Berlingo in der Werkstatt stand und diese verschlossen war, brachen wir endgültig in Richtung Ferschweiler auf. In Ferschweiler findet das schon lange geplante Unimurr-Treffen statt.

Unterwegs zu neuen Zielen ...Wissentlich der Tatsache, dass wir unsere Heimatstadt München eine Weile nicht mehr sehen werden, kam bei mir keine rechte Wehmut auf. Ich war mehr froh, den Wahnsinn des Auszugs hinter mir zu haben. Seitens der Kinder gab es zu meinem Erstaunen wenig emotionale Regungen über unseren Weggang. Aber vielleicht kommt das erst später, wenn ihnen die Tragweite bewusst wird.

So bewegten wir uns mit relativ guter Stimmung in Richtung Autobahn und nach Ferschweiler ...

Donnerstag, 7. August 2008: Auf nach Ferschweiler

Ich konnte ungestört meine Kilometer bis Ferschweiler abspulen. Wegen zahlreicher Steigungen auf dieser Route ging es gelegentlich etwas zäh bergauf. Das Leistungsdefizit des Unimi´s nervt schon manchmal.

Wir waren etwa gegen 16:30 Uhr in der Nähe von Ferschweiler: Da es noch früh am Nachmittag war, erledigten wir noch die Fahrt nach Luxemburg zum Tanken und Kaffee kaufen. Euro 1,199 kostete der Liter Diesel. Gegenüber Euro 1,459 in München eine deutliche Ersparnis bei zweihundert getankten Litern.

Am Platz in Ferschweiler angekommen, trafen wir auf eine gewaltig große Gruppe Jugendlicher, die dort ihr Camp abhielten und auf einen gestressten Platzwart. Die Gruppe verschwindet bis morgen Mittag, hoffentlich. Wir haben auf dem Nachbarplatz bis morgen Asyl genommen und ich hoffe auf eine erträgliche Nacht in Sachen Lärm.

Dienstag, 12. August 2008: Auf der Grandi Navi Veloci "Splendid"

Es ist 14:56 Uhr und wir sitzen bereits in unserer Kabine auf der "Splendid", einem ziemlich großen Schiff der Grande Navi Veloci. Unser erster Eindruck ist gut: Es sieht alles sehr komfortabel aus. Das Schiff ist nach meiner Einschätzung größer, als die "Carthage" der tunesischen Gesellschaft.

Die "Splendid" wartet ...Wir werden noch auf Entdeckung gehen. Jetzt hängen alle erst mal durch, nach dem Stress der vergangenen Wochen. Ich bin noch zu aufgedreht von den tausend Kilometern von Ferschweiler bis Genua. Das Unimurr-Treffen war wie die vergangenen Treffen einfach schön. Durchwegs sympathische Leute und eine exzellente Atmosphäre. Die gemeinsame Tafel kam allerdings diesmal nicht zu Stande. Ich fühlte mich diesmal besonders im Gesprächsstress.

Sonntagmittag machten wir uns auf den Weg. Der Abschied gab mir schon das Gefühl, mich von Freunden zu verabschieden. Eine neue Erfahrung für mich. Petra ist es, angesichts ihrer Tränen, auch schwergefallen.

Die Fahrerei zog sich elend: Wir schafften es an diesem Tag bis zum Titisee im Hochschwarzwald. Wir nächtigten auf dem erst besten Campingplatz, der uns vor die Räder kam. Am nächsten Tag schafften wir es erst um 12:00 Uhr, los zu kommen. Angesichts der 650 km, die noch bis Genua zu fahren waren, zu spät. Durch die Schweiz ist es ein mühseliges Fahren. Das Autobahnnetz ist nicht durchgängig und die vielen Steigungen sind mit einem überladenen Unimog kein Vergnügen. Mein Navigator gab mir an diesem Tag noch den Rest. Ich liebe sie trotzdem ...

Von Milano kommend, muss man die Autobahn bei Pavia verlassen, um zu unserem traditionellen Übernachtungsplatz bei Casteggio zu kommen. Eine böse Überraschung gab es dort: Er war gesperrt wegen Umbau oder sonst was. So fuhren wir weiter und klapperten jeden Parkplatz auf Übernachtungstauglichkeit ab. Am zweiten Parkplatz entschieden wir uns, zu bleiben. Am Abend war der Lärm erträglich und wir schliefen auch alle schnell ein. Während der Nacht und am frühen Morgen wurde der Lärmpegel durch ankommende und abfahrende LKW so hoch, dass an erholsamen Schlaf nicht mehr zu denken war ...

Freitag, 15. August 2008: Strand Zoura, Libyen

Stimmung gut: Einschiffen war problemlos ...Wir sind inzwischen in Libyen angekommen, aber das ist eine eigene Geschichte. Zurück nach Italien: Für Murr´sche Verhältnisse mitten in der Nacht, 10:00 Uhr morgens brachen wir von unserer Raststätte auf in Richtung Genua. Trotz der unruhigen Nacht machte die Fahrt durch die Genueser Berge richtig Spaß. Ich heizte also am Rande das Vertretbaren durch die kurvenreiche Autobahn. Die Anlegestelle von Grande Navi Veloci fanden wir auf Anhieb.

Der Autoparkplatz zum Einschiffen war fest in tunesischer Hand und wir die einzigen europäischen Touristen. Die Ausreiseformalitäten liefen mit normaler Wartezeit und das Einschiffen war ebenfalls eher problemlos. Unser Schiff machte einen sehr edlen Eindruck: Die Kabinen waren sauber, nur die Betten waren etwas schmal. Bemerkenswert leise fuhr das Schiff. Keine Vibrationen oder Geräusche vom Antrieb waren zu hören. Dafür unsere Kabinen-Nachbarn um so besser ...

Das Essen war mittelmäßig, aber dafür teuer. In Anbetracht des günstigen Preises für die ganze Überfahrt war die Gegenleistung aber alles in allem in Ordnung. In Tunis angekommen, zeigte sich die große Schwäche des Schiffes: Es gab nur einen Abgang zu dem Autodeck. Entsprechend chaotisch war das Gedränge. Irgendwann kamen auch wir zu unserem Unimog und aus dem Schiffsbauch heraus. Polizei und Zollkontrolle waren wieder mal anders als noch im Winter. Weil drei Schiffe gleichzeitig ausgeladen wurden, ging es dann aber doch zügig.

Es folgte die obligatorische Fahrt nach Nabeul zum Camping Jasmin. Die Pizzeria am Eck, die schon im Winter im Bau war, hatte inzwischen eröffnet und wir probierten selbige an diesem Abend aus. Das Beste in Tunesien war, wie immer, das Celtic-Bier ...

Am Camping Jasmin ...Am Donnerstag machten wir uns zeitig auf den Weg. Das hieß 10:00 Uhr Abfahrt. Wir tankten noch 200 Liter Diesel für 0,95 Dinar den Liter. Darauf folgte der Marathon zur libyschen Grenze. Das hieß 500 km tunesische Landstraße in 8 Stunden mit wenig Pause. Kurz vor der libyschen Grenze nächtigten wir in einer Jugendherberge am Strand von El Marsa.

Wiederum in aller Frühe war Aufbruch zur tunesisch-libyschen Grenze. Der näherte ich mich mit etwas Bauchweh, ohne es begründen zu können. Grenzen sind ohnehin für mich immer Stress und Albtraum. Die tunesische Seite bereitete keine Probleme. Auf der libyschen Seite ging erst mal nichts mehr. Die Polizei bemängelte das fehlende Visum. Von Medusa keine Spur und unsere Handys funktionierten nicht in den libyschen Netzen.

Da wir eine halbe Stunde zu früh da waren, warteten wir erstmal. Die auf unsere Bitten getätigten Anrufe der Polizisten bei Medusa überzeugten mich nicht wirklich. Erst als ein Polizist mit viel Lametta aufkreuzte, kam Bewegung in die Sache. Er war offensichtlich der Chef und er lud uns erstmal in ein Cafe ein. Nach einer weiteren Stunde tauchte dann endlich ein Mann von Medusa auf.

Darauf ging alles sehr schnell: Ruckzuck waren die Stempel in den Pässen und wir hatten unsere libyschen Nummernschilder. Beim Zoll gab´s dann etwas Irritation, da alle davon ausgingen, dass wir ein Carnet de Passage haben. Das hatten wir natürlich nicht. Eine weitere Wartezeit von einer halben Stunde ging ins Land und wir waren in Besitz eines libyschen Carnet gegen Euro 50,-. Nun konnten wir endlich losfahren nach Zuara zu Medusa ...


© 2008-2009 Franz Murr