Deutschland   Spreewald 2022 (2): Im Reich der Gurken

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Der Spreewald ist ein ganz besonderes kleines Reich. Nach dem Wasserlabyrinth nun zu einem weiteren, das sich hier befindet: Dem Reich der Gurken, und zwar der Original Spreewälder Gurken. Um Missverständnissen vorzubeugen: Damit sind nicht die menschlichen Einwohner hier gemeint! Nein, diese sorgen vielmehr mit viel Fleiß und Arbeit dafür, dass das Reich der Gurken immer weiter fortbestehen kann. Die "Gurkenbewohner" dieses kleinen Reiches möchte ich nun auch einmal hier vorstellen. Was liegt also näher, als sich mit diesen zu treffen und "auszutauschen", um ihre Geschichte zu erfahren. Und das mit meinem Fahrrad auf dem Gurkenradweg!

Auf zum Gurkenradweg! Der LERRY ist ausgerüstet ...

Den LERRY habe ich auf einem richtigen Wohnmobilstellplatz in Lübbenau geparkt. Wie schon erwähnt können wir hier zwei Nächte bleiben, bevor der nächste Mieter des Platzes auftaucht. Ganz im Sinne der Gurke fahre ich am 31. Mai 2022 also mit dem Fahrrad los.

Den Gurkenradweg gibt es tatsächlich: Er hat eine Gesamtlänge von 250 bis 260 Kilometern. Die Meinungen gehen da wohl etwas auseinander. ich finde Hinweise sowohl auf 250 km als auch auf 260 km Länge für den Radweg. Es gibt 5 Etappen, aus denen man wählen kann. Ich will mich die meiste Zeit in etwa auf der dritten Etappe herumtreiben, die insgesamt 50 km lang ist. Der Weg beginnt und endet in Lübben, das sind etwa 13 km von meinem Standort in Lübbenau entfernt.

Ich starte natürlich wie gewohnt zunächst in Lübbenau, zuerst erwartet mich daher eine ganz gewöhnliche Landstraße ...

Es geht los auf gewöhnlicher Landstraße ... ... vorbei an Straßenkunst ... ... und endlich rein in die Natur!

Jedoch bald schon geht es rechts ab in die Landschaft, vorbei an weiten Feldern. Wer diesen Radweg in voller Länger erkundet, findet alle Antworten rund um die Spreewälder Gurken. Entlang der Strecke gibt es jede Menge Verarbeitungsbetriebe für die Gurke, selbst solche Betriebe, die nur mit dem Einlegen dieser Ware befasst sind, die "Gurkeneinlegereien".

Natürlich führt der Radweg auch an langen Kanälen entlang, den ebenfalls bereits erwähnten sogenannten Fließen. Die meisten der Wasserstraßen können mit einem privaten Boot befahren werden. So kommen mir immer mal wieder Bootsfahrer entgegen, die Enten machen ihnen bereitwillig Platz. Natürlich sind es nur solche Boote mit Muskelantrieb, wie ich sie bereits kennengelernt habe: So dominiert hier immer eine sehr ruhige Natur. Besonders die Vögel rundherum sind dadurch sehr aktiv. Ich brauche zur Unterhaltung deshalb keine Stöpsel im Ohr, wie das heutzutage "in" ist ...

Das Bild unten links zeigt ebenfalls einen Kanal: Dieser ist jedoch ganz offensichtlich vom Bootsverkehr ausgenommen, auf der Wasseroberfläche hat sich dadurch ein auffällig dichter Teppich aus Wasserpflanzen gebildet. Ganz plötzlich kommt mir der Gedanke, kurz ins Wasser zu gehen, um mich abzukühlen und dort ein kleines Durcheinander zu erzeugen. Danach hätte ich die kleinen Wasserpflanzen aber auch überall an mir und in mir! Also besser weiter schwitzen bei 26°C im Schatten ...  

Kanal mit dichtem Wasserpflanzen-Teppich ... Biber-Opfer ... Kanal-Idylle ... Normaler Kanal, ohne Wasserpflanzen-Teppich ...

Ich bin jetzt nicht mehr so weit vom Schloss Lübbenau entfernt: Der Kanal, an dem ich bisher entlang gefahren bin, endet nun. Hier gibt es auch einen kleinen Bootshafen und eine große Parkfläche für Besucher. Doch alles ist menschenleer! Selbst andere Radfahrer kommen nur vereinzelt vorbei. Kurz bevor ich den kleinen Hafen erreiche, treffe ich auf die Spur eines anderen Tiers, eines Bibers. Der hat den Baum auf dem zweiten Bild oben links bereits so sehr geschädigt, dass er abgesägt werden musste. Der Baumstumpf steht direkt neben meinem Fahrradweg, ab und zu sehe ich im Wasser auch einmal ein Nutria schwimmen. Von denen hatte ich bereits bei meiner Bootstour berichtet, die Tiere kommen hier sehr häufig vor, werden gefangen und in Restaurants als Mahlzeit angeboten. Die Tierart stammt wie erwähnt eigentlich aus dem subtropischen Südamerika und ist irgendwann unbemerkt eingereist. Das Klima hier, nicht zu heiß und nicht zu kalt, hat gut gepasst: Es gibt fast keine Fressfeinde und die Vermehrung klappt hervorragend ..!

Die offizielle Gurkenernte beginnt am 24. Juni, dafür bin ich leider viel zu früh dran. Zur Ernte kommen die sogenannten Gurkenflieger zum Einsatz, doch dazu später mehr. Ich habe sie leider verpasst ...

Mit dem Fahrrad über die Brücke ... Weiter Blick von dort aus ...
Noch eine Brücke ... Was geschieht hier bei Gegenverkehr? Schloss Lübbenau ...

Mit meinem Fahrrad muss ich über eine Brücke, um dem Gurkenweg weiter zu folgen. Die Brücke führt auch direkt zur Insel mit dem Schloss, jetzt ist aber erst einmal Schieben angesagt. Viele Familien sind bei diesen Temperaturen an einer Art Wasserspielplatz auf der Schlossinsel zu finden.

Noch eine weitere Brücke und ich verlasse wieder den Schlossbereich: Die Hälfte meines geplanten Weges für heute habe ich damit geschafft, 13 Kilometer. 

Der Verlauf des Gurkenradweges ist wirklich sehr abwechslungsreich. Jetzt erreiche ich erneut eine feste Straße: Die ist nicht viel breiter als ein Bus, denke ich gerade, als ich an einer Haltestelle vorbeikomme. Und da steht er auch schon vor mir: Schnell ganz an die Seite, der Klügere gibt nach! Wie das wohl bei Gegenverkehr läuft?

Inzwischen werden die Wasserstraßen größer. Ich entdecke auch einen von Bibern umgelegten Baum, diesmal wurde er nicht entfernt, da er innerhalb des Waldes liegt. Die Tiere wollen offensichtlich an die Rinde des Baumes kommen, ein Wasserlauf davor verhindert den Zutritt durch allzu neugierige Menschen. Früher hätte ich das mit meinen Zähnen sicher auch geschafft!?

Ich habe mich dazu entschlossen, auf meinem Rückweg den sogenannten Barzlin zu besuchen. Sein Ursprung liegt in der Eiszeit ...

Die Wasserstraßen werden größer ... Biber leisten ganze Arbeit ...
Blick vom Beobachtungsstand ... Holzstege zur Bodenschonung ... Treppe muss sein ... Weites Land ...

Bevor ich mein Ziel erreiche, treffe ich unerwartet auf einen Beobachtungsstand für Tiere (Bild oben links). Eine schöne Gelegenheit für eine Pause! Bei diesen Temperaturen besteht die allerdings hauptsächlich daraus, Mineralwasser zu trinken. Ich bleibe etwas länger und bekomme tatsächlich auch ein paar Tiere zu sehen ...

Etwas später erreiche ich das Gebiet des Barzlin: Jetzt kommen schmale Holzstege, um den Boden darunter zu schonen. Der ist bereits Teil des Barzlin und sehr empfindlich gegen Abnutzung. In dieser Spreeaue befindet sich eine etwa vier Hektar große Sanderhebung, die mit Ablauf der Eiszeit durch die Kräfte der Natur angehäuft wurde. Nur der grüne Bewuchs an dieser Stelle schützt die Sanderhebung vor der Erosion durch Wind, Wetter und Menschen.

Nun habe ich allerdings das Problem, dass plötzlich immer wieder Radfahrer von vorn kommen: Keine Fahrradwanderer wie ich, sondern solche mit hochgezüchteten E-Bikes. Und Fahrern darauf, die anscheinend alle unter Zeitdruck stehen. Der Steg ist nicht breit genug, um aneinander vorbeifahren zu können, weshalb man anhalten muss. Das allerdings ist den "Radfahrenden" offenbar gar nicht recht!

Durch diese Sanderhebung entstand in dem Feuchtgebiet der Spree eine sehr viel trockenere Fläche, ein sogenannter Trockenrasenstandort. Hier finden sich Tiere und Pflanzen, denen die Auen des Spreewaldes selbst zu feucht zum Überleben sind. Somit entstand an dieser Stelle eine zusätzliche Artenvielfalt in einem Feuchtgebiet. Bei Ausgrabungen hat man darüber hinaus auch die Spuren einer alten Siedlung gefunden, die sich hier vor etwa 3.000 Jahren befand. Außerdem stieß man auf Spuren von Landwirtschaft und auch Gartenland. Davon zeugt noch eine alte Streuobstwiese auf dem höchsten Punkt der Sanderhebung. Diese soll nun wohl wieder irgendwann zu neuem Leben erweckt werden ...

Im Gebiet des Barzlin ... Kuh-Vielfalt ... Trockenrasenstandort ...

Jetzt aber zügig zurück nach Lübbenau: Es ist bereits Nachmittag und ich bin nun in der größten Tageshitze unterwegs. Doch als ich mich umblicke, muss ich trotzdem einfach nochmal anhalten: Kühe aller Arten stehen hier brav beieinander auf einer Weide. So viele Arten waren mir bisher noch gar nicht bekannt! Nach einer Weile überlege ich, ob man damit nicht einem heimlich über Nacht auf die Weide gebrachten Bullen, vielleicht auch zweien, einen schönen Gefallen tun könnte ... Der Gedanke gefällt mir!

Als ich schließlich wieder in Lübbenau ankomme, treffe ich auf die beiden Kunstwerke unten: Hier wurden zwei ausgediente Boote der Spree zu Indianerkanus umgestaltet. Selbst ein paar Pfeile stecken vom letzten "Kampf" noch in einer Figur an Bord des Bootes. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich habe nirgendwo hier etwas gefunden, gelesen oder gehört, das auf "Spreewaldindianer" hinweist. Selbst aus der Geschichte des Waldes hier ist mir nichts bekannt ...

Sehr lange halte ich mich allerdings an dieser Stelle nicht mehr auf: Ich will jetzt nur noch raus aus der Hitze und eine weitere Flasche Mineralwasser leeren ...

Lübbenau-Impressionen (1) ... Gab es hier einst "Spreewaldindianer"? ;-))

Zum Abschluss meiner Tour möchte ich aber noch berichten, was ich von den Bewohnern des Gurkenreiches erfahren habe. Zuerst muss man wissen, dass Lübbenau derjenige Ort ist, von dem aus die Reisen der Gurken in die ganze Welt starten: Sehr interessante Reisen offenbar: Bisher ist wohl noch keine von ihnen zurückgekommen. und das will schon etwas bedeuten ..!

Die Gurke ist eine Pflanze, die naturbedingt Feuchtigkeit und Wasser benötigt. Der Geschichte nach soll der Gurkensamen durch flämische (belgische) Händler in den Bereich der Spree gekommen sein. Der humusreiche Boden und die Feuchtigkeitsverhältnisse hier sind beste Voraussetzungen für die kleinen begehrten Gewächse.

Die Gurke selbst kommt ganz ursprünglich aus Indien. Es ist aber nicht bekannt, seit wann genau sie auch in Europa heimisch wurde. Ich hatte bereits erwähnt, dass der offizielle Erntebeginn am 24. Juni ist. Dabei werden dann die sogenannten Gurkenflieger eingesetzt. Dabei handelt es sich um besondere Erntemaschinen, auf denen bis zu 38 Erntehelfer bäuchlings liegen und die Gurken ernten. Dafür wird der "Flieger" entsprechend langsam mit den Helfern an Bord über das Feld bewegt. Dabei kann so ein Ausleger der Maschine bis zu 15 Meter lang sein. Auf insgesamt 30 Metern Breite können damit die Erntehelfer über das Gurkenfeld gefahren werden - unterwegs naschen gibt es nicht!

Ich habe mir einmal von jeder Sorte ein Glas zum Probieren beschafft: Es gibt die Gurke klassisch, als Gewürzgurke, mit Pfeffer und mit Knoblauch. Die waren allesamt ganz lecker, aber ich denke, dass die Variante mit dem Knoblauch etwas mehr davon vertragen könnte. Der Geschmack des Knoblauchs wird nämlich nach meinem Eindruck noch zu sehr vom originalen Geschmack der eingelegten Gurke überdeckt ...

Gurkenvielfalt ... Glücklicher Gurkentester ... Pfeffergurken vom Feinsten ...

Damit aber nicht genug: Die Brennerei in Sellendorf hat die "Gurke im Kornbett" erfunden. Dabei wird eine Gurke in edlem Korn eingelegt. Außerdem findet man hier auch den "Ersten Spreewälder Gurken-Geist". Der wird aus der Flüssigkeit zubereiteter Salz-Dill-Gurken destilliert. Ich habe den hier allerdings nicht getestet. Das ist vielleicht etwas für die Leser!

Und da ich gerade bei den angenehmen Eigenschaften der Gurke bin, möchte ich daran erinnern, wozu Gurken und auch ihr Wasser hervorragend geeignet sind: Besonders seien hier die Gewürzgurken genannt. Deren Gurkenwasser hat viele Elektrolyte und auch Vitamin C. Bei regelmäßigem Genuss von Gurken wurde eine vorbeugende Wirkung gegen einen zu hohen Cholesterinspiegel erkannt. Als kleine Zwischenmahlzeit haben 100 g Gurke nur 12 Kalorien und die Verdauung wird durch ihre Inhaltsstoffe angeregt. Vielleicht auch mit einem zusätzlichen Gurkengeist ..!?  


© 2022 Jürgen Sattler


Anm. der Red.: Weitere Beiträge von Jürgen Sattler finden sich in unserer Autorenübersicht!