MV KALAKALA 

Ein Anfang als "verhextes" Schiff ...

Die MV KALAKALA begann ihr Dasein als traditionelle Doppelendfähre mit dem Namen PERALTA. Diese und ein identisches Schwesterschiff waren rund 85 Meter lang und konnten mehr als 4.000 Passagiere transportieren. Beide Schiffe hatten Stahlrümpfe, aber die Aufbauten bestanden zu großen Teilen aus Holz und anderen brennbaren Materialien.

Die PERALTA: Ein "verhextes" Schiff? Erbaut im Jahr 1926 in Oakland, Kalifornien, für den Passagierdienst zwischen San Francisco und Oakland, galt die PERALTA bei den meisten Seeleuten als verhextes Schiff, nachdem sie bereits bei ihrem Stapellauf auf Grund lief. Innerhalb eines Monats nach Inbetriebnahme im Jahr 1927 rammte sie die Docks in San Francisco und verursachte dabei erhebliche Schäden sowohl an den Piers als auch am Schiff selbst.

Ein Jahr später, als sich die PERALTA an einem kalten Februartag ihrem Liegeplatz in Oakland näherte, drängten sich die Passagiere bereits am Bug um von Bord zu gehen, wodurch die Fähre an der Vorderseite heruntergedrückt wurde. Anschließend schlug sie gegen das Hafenbecken, wodurch sich der Bug noch weiter senkte und dadurch eine gut eineinhalb Meter hohe Welle über das Hauptdeck gespült wurde. Dreißig Menschen gingen dabei über Bord  und fünf von ihnen ertranken im eisigen Wasser der San Francisco Bay.

Der letzte Schicksalsschlag ereignete sich in der Nacht vom 06. Mai 1933: Das Schiff war über Nacht am Pier festgemacht, als ein Brandstifter Feuer an den Aufbauten legte. Die anschließende Feuersbrunst erfasste die gesamte PERALTA und verwandelte sie bis zum nächste Morgen in ein schwelendes Wrack ... 

Die Versicherung schrieb sie als Totalverlust ab. Das Wrack wurde zum Verkauf angeboten mit der Maßgabe "wie sie ist - wo sie ist" ... Die meisten maritimen Beobachter gingen davon aus, dass sie zum Verschrotten verkauft werden würde.

Aber im Oktober 1933 kaufte der Kapitän Alexander Peabody von der Puget Sound Navigation Company den verwüsteten Schiffsrumpf für 6.500 US-Dollar und ließ ihn zu einer Werft in der Gegend von Seattle, Washington, schleppen. Ursprünglich beabsichtigte er, das Schiff wieder als normale "Doppelendfähre" wiederaufzubauen. Aber dann hatten Frau Peabody und ein Flugzeugentwickler der Firma Boeing andere Ideen ...

"Sie sollte runder sein!"

Mrs. Peabody fast am Ziel ...Eines Abends nach dem Abendessen präsentierte Captain Peabody seine vorläufigen Pläne für einen zwar moderner wirkenden, aber immer noch ziemlich traditionellen Entwurf einer Fähre auf dem Esstisch der Familie. Das war der Moment, als Mrs. Peabody etwas Besonderes und vor allem "modernistisches" vorschlug.

Daraufhin wurde der Boeing Ingenieur Louis Proctor beauftragt, etwas in dieser Richtung zu entwerfen. Im Ergebnis wurde Kapitän Peabodys ursprünglicher Ansatz vollkommen verändert, was zum weltweit ersten Entwurf eines stromlinienförmigen Schiffes führte. Seine Ideen flossen in ein 1,50 m großes Modell ein, das den Vorschlägen von Mrs. Peabody mehr als gerecht wurde. Das Bild rechts zeigt sie, wie sie in ihrem Haus dieses Modell voller Stolz bewundert.

Rettung und Namensgebung

Mit dem Wiederaufbau des Schiffes wurde im November 1934 begonnen. Das Bild unten links zeigt den Rumpf, nachdem der größte Teil des Brandschadens herausgeschnitten worden war. Die Beschichtung des Hauptdecks war intakt geblieben, obwohl sie an manchen Stellen wellig geworden war durch die enorme Hitze des Feuers, das den Einsatz als Fähre auf der San Francisco Bay beendet hatte.

Brandschaden entfernt ..?Der Überhang des Decks wurde auf beiden Seiten entfernt, wodurch sich die Breite des Schiffs von gut 20 Metern auf knapp 17 Meter verringerte.

Noch im selben Monat schlug der Pressesprecher der Fährgesellschaft William Thorniley vor, dem Schiff den Namen KALAKALA zu geben.

Es wird vermutet, dass dies in Chinook, einer Sprache der amerikanischen Ureinwohner im pazifischen Nordwesten, "Flying Bird", also "Fliegender Vogel" bedeutet. Die Absicht war, mit diesem Spitznamen in der Werbung auf das mitreißende Design des wiederaufgebauten Schiffes anzuspielen.

Nachdem Captain Peabody diesem Vorschlag zugestimmt hatte, startete Thorniley eine groß angelegte Werbeaktion: Plakate nur mit dem Wort "KALAKALA!" erschienen bald überall in Seattle. Als die Neugier des Publikums erst einmal geweckt war, wurde nachträglich auch noch eine künstlerische Darstellung des neugestalteten Schiffes auf den Plakaten gezeigt.

Äußere Merkmale

KALAKALA: Etwas Neues entsteht ...Zusätzlich zum andersartigen Aufbau und der unkonventionellen Fenstergestaltung, die man auf dem Bild rechts vom Umbau Anfang 1935 erkennen kann, beinhaltete der Entwurf des Schiffes noch weitere ungewöhnliche Merkmale. Anstelle traditioneller Nieten wurde mit "Elektroschweißen" gearbeitet, ein in den 1930er Jahren noch ziemlich neues Verfahren zur Metallverbindung. Dies führte zu einem viel glatteren Aussehen der Fugen des Deckaufbaus.

Brücke und Ruderhaus der KALAKALA waren viel weiter vom Bug entfernt als normalerweise bei Fähren, was eher den Eindruck eines Flugzeug-Cockpits vermitteln sollte. Jedoch erwies sich diese Eigenschaft beim Betrieb des Schiffes als ungünstig, weil es unmöglich war, von der der Brücke aus den Bug des Schiffes zu überblicken, was es wiederum schwierig machte, sicher anzudocken.

Die stark stromlinienförmige Brücke samt Ruderhaus bestanden vollständig aus Kupfer. Dafür hatte man sich aufgrund der unzutreffenden Befürchtung entschieden, dass die Verwendung von Stahl den Kompass des Schiffes stören könnte.

Die Kapazität, bis zu 85 Fahrzeuge auf dem Hauptdeck transportieren zu können, war während des Umbaus festgelegt worden, was erheblich von dem ursprünglichen Entwurf einer ausschließlichen Personenfähre abwich. Das Hauptdeck des Schiffes wurde somit in "Autodeck" umbenannt. Der vollständig abgerundete Bug erhielt Klapptore (Bild unten links), um zu verhindern, dass die raue See ins Autodeck eindringen konnte.

Klapptore am Bug ... ... und Rettungsboote auf Höhe des Autodecks ...

Bei dem nicht mehr als "Doppelendfähre" konzipierten Schiff erfuhr auch das Heck eine Modernisierung mit großem Torbogen auf der Mittellinie für die Einfahrt der Fahrzeuge. Auf beiden Seiten des Hecks gab es Ausschnitte im Aufbau (Bild oben rechts) zur Unterbringung der Rettungsboote der KALAKALA, und zwar auf der Ebene des Autodecks anstatt oben auf Höhe der Aufbauten, wo sie bei den meisten Fähren zu finden sind.

Innendekor

Im Inneren wurde das Art Déco Thema in den öffentlich zugängigen Bereichen fortgesetzt. Es gab messingglänzende Formteile und Verkleidungen an den vielen breiten und abgerundeten Fenstern, den imitierten Bullaugen und den Geländern der gusseisernen Treppen. Eierschalenfarbige und verschiedene Brauntöne dominierten innen bei Farben und Polsterungen.

Die Buffet-Bar (unten links) befand sich im Deck über dem Hauptpassagierdeck (unten rechts). Dieses Schnellrestaurant war mit einer doppelten Theke in Hufeisenform ausgestattet. Dahinter lag der mit Korbsesseln ausgestattete "Palmenraum". Von diesem Raum aus hatte man Zugang zu den offenen Bereichen des Promenadendecks.

In Anbetracht des Brandes von 1933, der das Schiff weitgehend zerstört hatte, wurden durchgängig feuerfeste Materialeien verwendet. Es gab ein Sprinklersystem und "Feuerwehrbereiche", wo Messingrohre mit Spritzdüsen installiert waren, die zur Brandbekämpfung in beliebige Richtungen gedreht werden konnten.   

Weitläufige Treppen ...

Buffet-Bar Hauptpassagierdeck

Aussichtslounge vorn

Etwas abweichend zur im Übrigen vollständigen Art Déco Atmosphäre war die Aussichtslounge vorn (Bild oben) mit Polsterstühlen aus rotem Samt ausgestattet. Der Kontrast zu den modernistischen Treppengeländern war etwas verblüffend.

Bei den zahlreichen luxuriösen Annehmlichkeiten - ungewöhnlich für eine Fähre - bestand Mrs. Peabody auch darauf, dass eine gut ausgestattete Damenlounge eingerichtet wurde. Achtern von der Hauptpassagierkabine gelegen, war die Lounge mit Ganzkörperspiegeln und Plüschsitzen ausgestattet. Es ist nicht überliefert, ob nicht auch die Toilettensitze mit Plüsch bezogen waren ...

Um nicht hinter seiner Frau zurückzustehen, hatte Captain Peabody auch eine Herrenlounge vorgesehen, "Schankraum" genannt und unter dem Autodeck nahe beim Heck gelegen. Eine schmale Treppe führte hinunter zu diesem männlichen Heiligtum. Zu diesem Raum sind keine Bilder zu finden, aber er enthielt anscheinend eine Bar entlang einer Seite des Raumes und eine kreisförmige Art Déco-Sitzbank in der Mitte. Achtern des Schankraums, ganz im Heck des Schiffes unter dem Autodeck, befanden sich noch eine Umkleidekabine und Duschen.

Dieser Bereich war für Werftarbeiter vorgesehen, die in Seattle lebten und täglich mit der Fähre durch den Puget Sound zu ihren Arbeitsplätzen in der Navy Werft von Bremerton pendelten. Bei ihrer Rückfahrt nach Hause konnten sich die müden und verschmutzten Schiffbauer frisch machen und außerdem noch ein oder zwei Biere kippen ...

Antriebsdetails

Die Maschine: 10-Zylinder-Busch-Sulzer DieselDas Feuer von 1933 zerstörte die ursprünglichen Dampfmaschinen und Kessel des Schiffes. Die radikale Neugestaltung beinhaltete die Ausstattung der KALAKALA mit einem großen Dieselmotor mit Direktantrieb und einer einzelnen Schraube. Dementsprechend konnte man sie nun als Motorschiff (MV) einstufen.

Das Schiff wurde mit einem 10-Zylinder-Busch-Sulzer Diesel nachgerüstet, der auf der Schraubenwelle 3.000 PS brachte und eine Höchstgeschwindigkeit von 17,5 Knoten (ca. 32 km/h) ermöglichte. Es handelte sich um einen von dreizehn identischen Motoren, die alle zur selben Zeit gebaut wurden. Die auf der KALAKALA unter dem Autodeck montierte Maschine (rechts)  wurde die einzige Schiffsinstallation dieser Produktionsserie.

Adolphus Busch hatte Baurechte für Dieselmotoren der Sulzer Brüder aus der Schweiz zu Beginn des 20. Jahrhunderts erworben. Dieser spezielle Motor entstand in einer Anheuser-Busch Fabrik in St. Louis, Missouri. Busch-Sulzer baute Dieselmotoren dort zwischen 1911 und 1946, bevor sie diesen Geschäftsbereich verkauften und sich auf das Bierbrauereigeschäft konzentrierten.

Die riesige Maschine der MV KALAKALA, die größte, die man bis dahin jemals in eine Fähre eingebaut hatte, war über eine extrem lange Welle mit ihrer Schraube verbunden. Offenbar waren aber Maschine und Schraubenwelle schlecht ausgerichtet, denn während ihres anfänglichen Betriebs mit Höchstgeschwindigkeit vibrierte das Schiff extrem. Dieses Verhalten wurde zum Teil verbessert, nachdem man die ursprünglich vierblättrige Schraube durch eine mit fünf Blättern ersetzt hatte ...


© 2017-2021 Bill Lee, Deutsche Übersetzung: Explorer Magazin