Litauen, 31.08.04: Das Zentrum Europas ...

Am Morgen ist Jonas Zitikis schon eifrig bei der Arbeit: Er belädt seinen kleinen LKW - ein altes robustes osteuropäisches Modell - mit Erdaushub und will uns dessen Geländegängigkeit demonstrieren. Für seine Frau ist das zu viel. Sie kommt angelaufen und fragt offensichtlich, was Jonas umtreibt.

Aber er besteht auf der Demonstration und rangiert geschickt zwischen den Bäumen. Der Erdaushub stammt aus einem riesigen Loch, in dem ein Lager für Gemüse und Getränke angelegt werden soll. Im nächsten Jahr soll hier auch noch ein Hotel entstehen. Die Zitikis haben viel vor - ein Besuch bei ihnen ist empfehlenswert.

Kurz vor Vilnius und Trakei ...Vielleicht lässt sich ja dann in der Dämmerung auch mal der Biber sehen, der ganz Nahe beim Gasthof eine Burg gebaut hat. Jonas ist sichtlich stolz auf seinen Nachbarn. 

Zum Abschied bekommen wir ein großes Glas Preiselbeeren geschenkt, unsere Fahrt nach Süden geht weiter. 

Wir brechen auf zum Zentrum Europas: Überall sehen wir Campingplätze, sogar solche mit Internetanschluss. Irgendwie haben wir es am Vortag geschafft, all diesen Plätzen auszuweichen. Im Nachhinein sind wir froh darüber, hätten wir doch sonst "Ulycia" niemals entdeckt ...

In der Auffahrt zur A14 einer Autobahn ist eine riesige Schwelle und unsere Kabine wird so richtig durchgerüttelt. Wir folgen der Autobahn Richtung Vilnius. Die Landschaft hier ist nicht sehr reizvoll, wir sind verwöhnt. Kurz vor Vilnius liegt das "Geografische Zentrum Europas". Wir beschließen, hier unsere Euro-Extra-Tour zu machen.

Einsam und verlassen liegt es da, das Zentrum, fast unbeachtet. Wir machen einen kurzen Zwischenstopp für einen Bericht, den wir später als "Special Visit" beim DCP (Degree Confluence Project) einreichen.

Im Zentrum Europas ...

Wir verlassen die Autobahn und folgen einer Nebenstrecke. An einer Baustelle fällt ein Bauarbeiter fast vor unser Auto, nur knapp entgehen er und wir dem Unfall. 

Nur wenig später: In Maisiagala steht auf dem Bürgersteig ein kleiner Bub, er schaut in die Gegenrichtung und sieht uns nicht heran nahen. Da wir sehr langsam fahren, können wir ihm gerade noch ausweichen, als er völlig unerwartet auf die Fahrbahn und vor unser Auto läuft. Der Bub geht offenbar vollkommen ungerührt wieder zurück zum Bürgersteig, stellt sich erneut dort hin und schaut wieder in die falsche Richtung. Bei uns würde er so wohl keinen einzigen Tag überleben ...

Bei einem Zwischenstopp in Ducstos werden wir zum ersten und einzigen Mal angebettelt: Eine alte, sichtlich gebrechliche Zigeunerin kommt und bittet uns in jammerndem Ton um Geld. Wir geben ihr etwas, wir wollen das Glück teilen, dass wir nun bereits mehrfach nicht in einen drohenden Unfall verwickelt wurden. Wir bekommen von ihr zum Dank einen Segen: Möge uns das Glück weiter beschieden sein!

Nahe Trakai wird die Landschaft wieder bilderbuchmäßig. Wir fahren vorbei an Seen und Wäldern, Hügeln und Wiesen.

Unser Ziel ist der Campingplatz  Slenye bei Trakai, der auch vom ADAC empfohlen wird. Was mag uns dort erwarten? Trakai ist die alte Hauptstadt von Litauen und wird die "Stadt im See" genannt, da sie zwischen drei Seen errichtet wurde. Die weit sichtbare Burg wurde im 14. Jahrhundert gebaut. An einem dieser Seen liegt der Campingplatz.

Das Gelände ist eingezäunt mit einem weißen, bis zu fünf Meter hohen Zaun, den Stacheldraht krönt. Scheinwerfer und Überwachungskameras erwecken bei uns keineswegs ein besonderes Gefühl der Sicherheit. Schnell nennen wir den Platz den "Campinggulag". In einem der Häuser befindet sich die Anmeldung und da bekommen wir auch endlich eine litauische Straßenkarte. Der Übernachtungspreis ist für litauische Verhältnisse sehr hoch, aber es gibt hier ein Waschhaus mit einem Sanitärstandard, der auch bei uns üblich ist. Ein großes Restaurant gehört ebenfalls zum Platz. Wir werden gebeten, einen Stellplatz am Rand zu wählen, denn die Mitte des kesselartig angelegten Platzes ist für eine holländische Campingreisegruppe reserviert. Die Szenerie wirkt kurios: Unten im Kessel stehen lauter holländische Womos und Wohnwagen, auf den Terrassen ringsum lauter Campingbusse und PKWs mit Zelten aus Deutschland ...

Unwetter über den Seen ... Der holländische Kessel!

Deutsche Kanuten: Auf der Suche nach schönen Touren ...

Schräg gegenüber von uns campiert eine Gruppe deutscher Kanuten mit polnischem Reiseführer, die wir bereits am Vortag unterwegs getroffen hatten. Sie erkunden Litauen, da sie Kanu- und Wanderreisen hierher organisieren wollen. 

Über den Seen ballt sich ein gewaltiges Gewitter und das entlädt sich schon bald mit Blitz, Donner und Regen. Es macht Spaß, ein solches Unwetter bei einem gemütlichen Bier vom Restaurant aus zu verfolgen ...


© 2004-2005 Text/Bilder Sixta Zerlauth