Estland, 25.08.04: "Grenzzwischenfall" ...

Kivi Talu hat uns in seinen Bann genommen und der Abschied von Estland fällt schwer, aber es geht nun weiter Richtung Süden und damit nach Lettland: In Karksi-Nuia stoppen wir für unseren letzten Einkauf in Estland. Man merkt dem Ort deutlich an, dass wirtschaftliche Probleme bestehen. Aber es gibt eine Touristinformation mit 5 Internetzugängen, die alle besetzt sind. Immer wieder versuchen wir, einen Estlandaufkleber für unseren Explorer zu bekommen: Aber in dieser Touristinformation gibt es ebenfalls keinen, auch Englisch spricht man hier nicht. 

In direkter Nachbarschaft zur Touristinformation werden auf einem "Turg Markt" Schuhe, Kleidung und sonstiges angeboten: Viele der Marktstände sind leer und zeugen von Zeiten, in denen der Markt offensichtlich mehr Bedeutung und auch mehr Waren hatte ...

Typisch für Estland: Auch wenn die Region auch noch so arm ist, es gibt einen Internetzugang ...

Eingang zum Markt ... Buntes Angebot, aber viele leere Stände ...

Im Supermarkt sind wir die Einzigen, die einen Einkaufswagen füllen: Die meisten haben ein Körbchen mit nur zwei bis drei Grundnahrungsmitteln, was irgendwie die Armut der Region deutlich macht. Das Gemüseangebot beschränkt sich im Wesentlichen auf Produkte der Region (Kartoffeln, Kohl, Zwiebeln, Äpfel). Als Fisch gibt es Salzheringe und gelblich fetten Lachs, das Fleischangebot ist reduziert auf Hühnerteile. In der Tiefkühltruhe liegen verschiedenartigste Sorten Hackfleisch. Wir erinnern uns an Berichte über die baltische Weinkultur, als im Weinregal die Weiß- und Rotweine aus uns unbekannten Weinanbauregionen wie Moldawien oder Georgien zu sehen sind: Auf allen Etiketten ist entweder ein atemberaubender Restzuckergehalt vermerkt oder aber der Zusatz "Süßwein". Wir verzichten auf eine "Weinverkostung" ...

In der Bank neben dem Markt folgt der Versuch, estnische Kronen und Euros in lettische Lats zu tauschen. Die Bankangestellte gibt sich viel Mühe, mit dem Taschenrechner die optimale Stückelung zu errechnen: Denn 15 estnische Kronen sind 1 Euro wert, aber für 1 Lats muss man 1,50 Euro eintauschen. Nach heftigem Rechnen gelingt es und wir bekommen ein paar Lats heraus. Die Prüfung des Umtauschbelegs ergibt, hier wurde alles korrekt gerechnet. Es ist aber Zeit, sich umzugewöhnen: Statt dividieren durch 15 ist nun multiplizieren mit 1,5 angesagt ...

Wir beschließen, von Karksi-Nuia aus auf einer Nebenstrecke durch den Wald zum Grenzübergang Lilli zu fahren (N57,98043° E025,47854°).

Geschafft: In Lettland!Die Ausreise aus Estland wirkt auf den ersten Blick problemlos: Am estnischen Schlagbaum winkt uns der Zöllner durch, wir fahren langsam weiter, fotografieren den lettischen Grenzübergang und halten beim lettischen Zollbeamten an. Der grüßt zwar freundlich, meint aber dann in bestem Englisch: "You must go back to Estonia!" Etwas fassungslos der Blick zurück: Im Rückspiegel ist tatsächlich ein aufgeregter estnischer Zöllner zu sehen, der wohl ein ganzes Stück hinter uns her gelaufen ist ...

Der Rückwärtsgang wird eingelegt und im Schritttempo geht es zurück auf estnisches Territorium: Sowohl der Zöllner als auch sein wohl mittlerweile dazu gekommener Vorgesetzter blicken uns streng an: Wir erklären zerknirscht, dass es wohl ein "Misunderstanding" gegeben hätte. Wir haben das Winken wohl falsch interpretiert. 

Nochmals zeigt man auf das unübersehbare Stoppschild: Wir sollten wohl nur ein Stück weiter rollen und sicherlich nicht durchfahren. Personalausweise und Fahrzeugschein werden geprüft, der Zöllner lächelte auch schon wieder ein bisschen. Klar, dass er nun auch noch hinten in den Explorer blicken will - das ist er seiner Zöllnerwürde schuldig! Er fingert noch ein wenig an den Drachentaschen herum, während ihm Dank vielfacher Messeerfahrung perfekt erklärt wird, wie so ein Explorer funktioniert - im Gegensatz zu manchen Messebesuchern will er offenbar nicht mehr hören und lässt uns passieren ...

Wieder zurück beim lettischen Zöllner, begrüßen wir diesen mit einem freudigen "We are back again!". Er blickt nur noch kurz auf unsere Dokumente und kann ein gewisses Grinsen kaum unterdrücken ...

Immerhin, wir wurden an diesem Waldgrenzposten in bestem Englisch "bedient" - man ist offenbar bereit für Europa und wir sind nun auch bereit für Lettland ..!


© 2004-2005 Text/Bilder Sixta Zerlauth