Totentanz in Abádszalók ...

Nach dem beschaulichen Ruhetag in der Puszta ist wieder die Weiterfahrt angesagt: Es ist der 24.09.05, ein wieder mal sonniger Samstag - der wie üblich bei den Explorer Suntours zu Schweißausbrüchen im unklimatisierten Cockpit führt. Vor allem auch dann, als wir südlich vorbei an der Stadt Kecskemét fahren und das nächste Thermalcamping auf unserer Tour erreichen: Der Platz von Tiszakécske ist mit vielen Deutschen belegt und zunächst scheint es, als wären hier nur noch Stellplätze in der prallen Sonne frei - für uns ein absolutes K.O.-Kriterium nach einer solchen Fahrt ...

Schwimmbad mit Campingplatz ... ... ansonsten Campers Idylle ...

Doch wir haben Glück: Weiter hinten auf dem Platz finden sich noch abgelegene schattige Plätzchen, alle nach guter deutscher Campingart abgeteilt, zum Glück mit erträglichen Hecken. Im Thermalbad ist an diesem Tag die Hölle los, man hat insgesamt mehr den Eindruck in einem Freibad zu sein als auf einem Campingplatz.

Alles geregelt ...Es ist nun schon der zweite Platz, das Puszta-Camp mitgezählt, auf dem wir zu unserer großen Freude völlig auf Mücken verzichten können - was will man mehr?

Was stört es da, wenn im Platz- und Thermalbadrestaurant, in dem man gut draußen sitzen kann, sich nur einen Tisch weiter ein einheimischer Gast übergibt? Es ist eben ein schöner Tag zum Trinken und dass dies nichts besonderes zu sein scheint, zeigen die Reaktionen der anderen Einheimischen: Sie gucken kaum hin und wirken in keiner Weise sonderlich überrascht ...

Der Platzwart macht einen recht eigenen Eindruck: Im leichten Military-Dress gekleidet sorgt er dafür, dass hier alles seine Ordnung hat.

Davon zeugen auch die Hinweistafeln am Campingplatz: Preise für Kinder, Rentner, Hunde werden ausgewiesen, es gibt Mehrwochenrabatte, die nicht für Strom und Kurtaxe gelten und harte Strafen für Gäste werden angedroht, die sich nicht anmelden: Sie werden wohl nach Zahlung einer Strafgebühr für alle Zeiten aus dem Camperparadies verwiesen - oder sollten wir da was falsch verstanden haben ..?

Wir melden uns selbstverständlich wie immer an und vermeiden so festzustellen, wie eine derartige Strafe vollzogen wird. Schon am nächsten Tag verlassen wir die gastliche Badeanstalt mit Campingmöglichkeit wieder und machen uns erneut auf den Weg Richtung Nordosten: Immerhin wollen wir bereits heute schon auf der Breite von Budapest ankommen, womit der südliche Teil unserer Rundreise durch ganz Ungarn bereits abgeschlossen wäre.

Unser Roadbook sagt für heute voraus, dass erneut eine Flussüberquerung per Fähre angesagt ist und es macht sich ein mulmiges Gefühl breit: Sollte das Hochwasser etwa auch da ..?

Auch diese Fähre hat es erwischt ... Es gilt die Route umzuplanen ...

Wir wollen bei Vezseny über die Tisza und dann deutlich östlich vorbei an Szolnok weiter nach Nordosten und zum nächsten Camp in Abádszalók - und tatsächlich: Wieder einmal haben wir die Rechnung ohne den "Überschwemmungsschaden-Wirt" gemacht: Auch diese Fähre wurde weggeschwemmt, dicker Lehm und das Fährenwrack am Ufer lassen erahnen, wie es hier wohl noch vor nicht allzu langer Zeit ausgesehen haben mag. Und wie lange hierzulande solche Reparaturen dauern, würde natürlich niemand von uns vorauszusagen wagen ...

Pferdefuhrwerke überall im Straßenbild ...Es gilt die Route umzuplanen: Leider müssen wir nun doch direkt nach Szolnok und da eine Art Autobahn benutzen - was wir nun wirklich nicht vorgehabt hatten.

Eine Ampelanlage regelt die Einmündung der Zufahrtsstraße auf die Autobahn, die folgende Auffahrt erweist sich als typisch ungarische Schleifenauffahrt, für Pferdefuhrwerke und Traktoren gibt es wieder offizielle Verbotsschilder.

Allerdings fahren hier langsame Mopeds und nach tödlichen Unfällen wurden offenbar Kränze ausgerechnet an der Mittelleitplanke aufgehängt: Fußgänger können hier die Gefahr direkt hautnah nachempfinden, denn auch sie queren die Fahrbahn munter ...

Es geht weiter: Wieder sieht man Prostituierte, die an den Landstraßen auf Kunden warten, einzig allein eine Berufsgruppe haben wir insgesamt nur zweimal gesehen unterwegs: Die Polizei ...

Wir erreichen Abádszalók - auch hier soll sich ein riesiges Thermalbad befinden, das allerdings wohl schon geschlossen hat, denn wir sind zunächst wieder einmal die Einzigen auf dem gewaltigen Gelände des Campingplatzes. Auch der hat selbstverständlich schon weitgehend geschlossen, was man wie üblich sofort z.B. am Fehlen jeglichen Klopapiers erkennen kann - dafür gibt es aber endlich wieder die vertrauten Mücken ..!

Kemping noch geöffnet ... ... und so kann das Camperidyll kaum einer stören ...

Erstaunlicherweise hält noch jemand an der Rezeption die Stellung, die junge Dame kann allerdings weder Deutsch noch Englisch und es folgt ein abenteuerliches Einchecken über Telefon, wobei wir mit jemandem am Telefon reden, der es dann wiederum der Dame an der Rezeption neben uns ebenfalls telefonisch übersetzt - mal etwas anderes!

Der Ort erweist sich als Mischung zwischen Modellstädtchen und Geisterstadt: Deutlich zu bemerken ist, dass er scheinbar erst vor nicht allzu langer Zeit für westliche Touristen erschlossen wurde, ansonsten aber wohl schon länger ein zur Hauptsaison gut besuchter Ferienort ist. Am Strand gibt es eine Riesenrutsche ins Wasser und davor jede Menge Buden und Kioske, wo zur Ferienzeit sicherlich der "Bär" los ist, was aber heute bei unserem Spaziergang eher den Eindruck von "Tod in Venedig" vermittelt ...

Modellstädtchen ... ... oder Geisterstadt?
Herbststimmung ... Riesenrutsche unbenutzt ...

Nur ein Cowboy ist zum Showdown erschienen ...

Da wo man sich zur Hauptsaison in Schlangen einreihen muss, um Fladen und Palatschinken, Würstchen, Limonaden und Wassermelonen zu erstehen, ist nun kaum ein Mensch zu sehen - wir haben das Gefühl, dass die heutige Etappe den "Showdown in Abádszalók" bereits verpasst hat ...

Am Abend gehört ein Spaziergang durch den Ort zum Pflichtprogramm. Er zeigt, dass hier durchaus noch eine Steigerung von "leer" möglich ist: Kein einziger Mensch ist mehr auf der Straße, lediglich eine Kneipe hat geöffnet, in der man aber keine Gäste erkennen kann. Heute Abend ist wieder Explorer-Küche angesagt, hier in der Geisterstadt gibt es wohl kein gemütliches Plätzchen für Lebende ...


© 2007 Explorer Magazin