Vorbemerkung der Redaktion: Aufgrund der Ereignisse Ende Dezember 2008 und der damit geänderten Rahmenbedingungen wich das Extrem Events Team bei der Fortsetzung der Tour Anfang 2009 von der ursprünglich geplanten Route ab. Anstelle der beiden Etappen Jakutsk - Magadan und Magadan - Uelen wurde die Strecke entsprechend unserer roten Markierung abgeändert. Wie sich bald erweisen sollte, begann damit eine mehr als harte Tour, die so holprig war wie der Start im neuen Jahr ...

23. - 25. Januar 2009: Back on track

Es war ein sehr holpriger Start. Hoffen wir, dass es dazu dient, alles Schlechte am Anfang abzufackeln ...

Erst mussten wir in Frankfurt am Main doch fast 1.500 EUR Übergepäck für unser Equipment zahlen, was eigentlich nicht der Fall sein sollte, dann bekam ich das erste Mal Probleme mit einer russischen Behörde, die unsere Expedition ansonsten absolut vorbildlich unterstützen, als mir auf dem Flughafen Domodedovo die Notsignalpistolen nebst Munition beschlagnahmt wurden, weil laut Behördenaussage ein Dokument nicht vorlag.

Kurz bevor unser Weiterflug weg gewesen wäre, ließ man mich - zwar ohne Notsignalequipment - aber wenigstens gehen. Zusammen mit Marco rannten wir dann mit 240 kg Gepäck, 2 Gepäckwagen, 3 Mitarbeitern einer der in meinen Augen unfreundlichsten Fluglinie weltweit - S7 - und 2 Polizisten durch Flure, Gänge, Sicherheitskontrollen und über einen speziellen Zugang bis an den Laderaum des Flugzeuges, wo vier weitere Helfer warteten, um unsere 17 schweren Gepäckstücke auf Geheiß der Polizei noch in letzter Sekunde einzuladen. Anschließend traten Marco und ich ins Flugzeug und sofort wurde die Tür geschlossen/abgehoben ...

Angekommen in Novosibirsk ging es nach 16 Stunden Warten auf dem Flughafen erstmal mit einem handfesten Streit mit den nächsten Mitarbeitern der S7 weiter, die uns nochmals um über 1.000 EUR erleichterten und sich aufführten wie beim Balzen. Wieder ging es knappst ins Flugzeug, diesmal sogar mit einem eigenen Bus für Marco und mich: Es war echt zum ko*** mit der S7.

Erst 42 Stunden nach unserem Abflug wurde es in Jakutsk wieder nett: Serafim hatte unsere Ankunft gut vorbereitet. Wir wurden abgeholt und schon um 6 Uhr wurde die Werkstatt für uns geöffnet, damit wir das ganze Equipment unterstellen konnten. Jetzt geht es schnell ins Hotel und dann legen wir mit dem Umbau/Vorbereitung der Fahrzeuge für die härteste Etappe los. Dafür habe ich 4-5 Tage geplant.

Ulrich, unser Fotograf, soll am 28.01., Konstantin aus Moskau am 29.01., Kaspar aus Zürich am 30.01. eintreffen. Evgeny wollen wir dann am 02.02. im tausend Kilometer entfernten Ustnera treffen, wo er aus Magadan direkt hinkommt ...

26. Januar 2009: Umbau/Vorbereitung der Fahrzeuge

Unsere Aufgabe nun ist die maximale Gewichtsreduzierung und die Vorbereitung bzw. der Umbau auf eine der sicherlich anspruchsvollsten Offroad-Strecken überhaupt mit noch nie bewältigten Abschnitten.

Alles, wirklich alles, prüfen wir auf echten Gebrauch oder nicht. Wenn nicht, wird es verkauft oder an Bedürftige verschenkt. Dazu gehören Kleidungsstücke genauso, wie überschüssiges Eqipment: Wir nehmen nur mit, was wir unbedingt brauchen.

Unsere Dachboxen haben wir - wie von Anfang an vorgesehen - jetzt demontiert. Sie werden nach Fairbanks geschickt, wo wir sie wieder montieren. Dies ist notwendig, da unser Notausstieg in der Beringsee bei den Fahrzeugen über die herausnehmbaren vorderen Dachhälften der Wrangler erfolgt. Den vorderen Tank werden wir in Uelen den Menschen, die dort leben, überlassen.

Außerdem haben wir heute einen von zwei Unterflurtanks ausgetauscht, die wir uns aufgerissen hatten, begonnen die Satellitenkommunikation und Navigationsmittel aufzustocken (Laptop, Fax, GPS, Kompass, Notsignal, Notfunk, etc.), die Uni Alaska auszurichten, unseren Tracker in Betrieb genommen, begonnen den ersten Anhänger aus der Froststarre zu befreien, Elektrik am F2 instand gesetzt und einen Simmering am F1 erneuert ...

27. Januar 2009: Strip my trailer

"Ja muss ich mich denn nur ärgern?" dachte ich, als mir das einfache Hotel "Sesaria" (Name so ausgeschrieben, wie ich es hier in Russland ausspreche) plötzlich das Doppelte an Geld abnehmen wollte wie bisher. Ich hasse so etwas. Vor unserer Abreise waren wir im Polarstar Hotel sehr gut untergebracht. Alles war ok. Jetzt haben wir uns für eine einfache Unterkunft entschieden.

Wenn der Preis stimmt, kann man über dreckige Zimmer, Gestank im Bad, auf Putz verlegte Abwasserrohre, undichte Badewannen, lauwarmes Wasser, keine Zimmerreinigung, keine Handtücher, verschmierte Wände, kaputte Schränke, keine Bettdecken, freche Mitarbeiter, herunter fallende Verkleidungen, sich durch Leckagen selbst flutende Badezimmer etc. hinwegsehen. Aber wenn der Preis dann plötzlich um 100% steigt, bei gleichzeitiger Exklusion des Frühstücks, regt sich der Matze echt auf ..!

Ok, so weit ein bisschen Frust, weiter geht´s mit den Umbaumaßnahmen. Wir arbeiten mit vier Mechanikern plus Marco und mir parallel an beiden Wagen und den Trailern. Heute war z.B. mein Trailer dran: "Strip my Trailer" war das Schlagwort, nachdem die Spezialanhänger bis hierhin alle Härten vollständig klaglos hingenommen und einen super Job gemacht hatten.

Jetzt begannen wir, alles was nicht irgendwie unentbehrlich war, zu demontieren, abzuflexen, umzuschweißen etc. Die Auflösung der extra so konzipierten Anhänger hat begonnen. Eine schweinische Angelegenheit, wenn alles Eis aus den letzten Ritzen taut und dich, nachdem es flüssig über den ganzen dreckigen Anhänger gelaufen ist, von oben bis unten einnässt - weil, du musst ja darunter liegen, denn eine Bühne gibt es nicht. Nach und nach werden wir diese immer weiter zerlegen bis nichts mehr als der Rahmen da ist. Da sollten wir in Uelen angekommen sein.

Die Bilder vorher/nachher werdet ihr in ein, zwei Tagen sehen. Außerdem begannen wir mit dem Einbau der Webasto Standheizungen, tauschten den zweiten Tank, ersetzten die bisherigen LKW-Anhängerkupplungen gegen die neuen Spezial-"Nato"-Anhängerkupplungen von Rockinger für extremes Gelände und montierten die dritte Winde an den Fahrzeugen.

Ziemlich müde fielen wir um 24 Uhr in die Kojen: Um 5 Uhr müssen wir wieder raus, um Ulrich, unseren Fotografen, am Flughafen abzuholen ...

28. Januar - 01. Februar 2009: Das Team formiert sich

Es war einiges los an Arbeit, Organisation und Eintreffen/Wegbleiben von Teammitgliedern bei uns in den vergangenen drei Tagen.

Früh morgens am 28.01. holte ich Ulrich Kaifer, unseren Fotografen, der problemlos nach Jakutsk eingeflogen war, am Flughafen ab. Nun waren wir also zu dritt und haben uns voll dem erwähnten Umbau der Fahrzeuge gewidmet.

Super war, dass wir an diesem Tag auch alte Bekannte in Jakutsk wiedertreffen konnten: Thomas Beil und Uwe Lay. Thomas hatte bei mir vor einiger Zeit ein Motorrad gekauft und war mit seinem Freund auf dem Weg nach Oimijakon. Beide transportieren für uns Matarial nach Jakutsk und nach Hause und unterstützen uns organisatorisch. Wir danken beiden herzlich für ihre Hilfe.

Am 29.01. traf dann Konstantin Savva ein. Unser zweites russisches Teammitglied kam aus Moskau und kümmerte sich sofort um die Sondergenehmigungen: Wir waren zu viert.

Am 30.01. traf nach einigen Verspätungen und Flugumlegungen schließlich Kaspar Mettler bei uns ein. Kaspar wurde nach 48 Stunden Flug direkt noch für 12 Stunden in die Werkstattarbeiten eingebunden: Er machte seine Sache perfekt und hielt stark durch. Wir waren fünf.

Nun warteten wir nur noch auf die Meldung von Evgeny, der uns mitteilen sollte, wann er in dem von uns 1.000 km entfernten Ustnera eintrefen wird. Dort wollten wir auf ihn treffen und gemeinsam weiterfahren. Leider kam es anders: Evgenie teilte uns vor zwei Tagen mit, dass er noch für 10-14 Tage wegen geschäftlicher Notwendigkeit in Magadan bleiben müsse. Das war so natürlich nicht geplant. Nun fehlte uns ein Fahrer und wir mussten die eingeteilten Teams ändern. Jetzt fährt Kasper vollverantwortlich den F2 mit Marco an Bord, während ich im F1 mit Konstantin und Ulrich fahre.

Heute nun, am 01.02.2009, nach der tollen Hilfe von Serafim und seiner Mannschaft - Artyom, Valarie, Dima, Micha, Sonja und Dima starten wir Richtung Belibina ...

01. - 03. Februar 2009: Bekanntschaft mit "Nalid Ice"

Ich frage mich manchmal, ob man gewisse Vorgänge einfach als normal oder als gefügt bezeichnen kann. Z.B. Kaspar Mettler: Wenige Tage vor meiner Abreise meldet sich Kaspar und möchte die härtesten Etappen der Expedition noch mitmachen. Wir machten es möglich und nahmen ihn mit. Nur 2-3 Tage später erreicht mich die Nachricht, dass Evgeny nicht - oder erst viel später - zu uns kommen wird. Evtl. werden wir ihn in Pevek treffen. Mit Evgeny fiel ein erfahrener Offroad-Fahrer und vor allem der Fahrer des zweiten Expeditionsfahrzeuges aus.

Weder Marco noch Konstantin - eingeschränkt vielleicht Ulrich - können die Gespanne über tausende von Kilometern durch hartes Gelände fahren. Kaspar kann es. Schon nach wenigen Tagen ist klar: Wir haben mit Kaspar einen ideal passenden Kameraden für unser Team erhalten. Er ist ein versierter, umsichtiger und zuverlässiger Fahrer und Teamplayer mit viel Erfahrung. Es passt absolut perfekt. Wir sind dankbar dafür. Überhaupt haben wir aktuell wieder ein super Team. Uli, Marco, Konstantin - alles top Profis, was Zusammenarbeit, Fairness und Miteinander angeht. Uli immer mit Humor, Marco mit bayrischer Lockerheit und Konstantin mit russischer Gelassenheit ...

Seit gestern 16 Uhr sind wir wieder auf dem Weg und Jakutien will uns anscheinend vor die gleichen Herausforderungen stellen wie im Dezember bei der Ankunft: Die Region sorgt mit bis zu -52° C dafür, dass alles schwer fällt.

Zum ersten Mal trafen wir heute auf ein Phänomen, das jeder Fahrer hier fürchtet: "Nalid Ice". Was ist es; wie entsteht es; bzw. welche Gefahr birgt es?

In der Regel entsteht es, wenn ein Fluss aufgrund kältester Temperaturen vollständig bis auf den Grund zufriert. Dann kann das anströmende Wasser nicht mehr unter dem Eis fließen und sucht sich Wege dazwischen und darüber. Es entstehen zum Teil meterhohe Wasserblasen. Das überströmende Wasser gefriert nicht gleich und ist nicht tragfähig. Fahrzeuge die es befahren, brechen in das Eis ein und frieren - wenn sie nicht schnell genug geborgen werden können - gnadenlos fest. So mancher Wagen/LKW wartet Wochen und Monate auf die Bergung. Wir trafen am Fluss Setorym auf Nalid Ice, das jedoch nur 10/15 cm aufbrach. Wir konnten also passieren.

Mittlerweile sind wir in Ustnera eingetroffen. Nach fast genau 42 Stunden Non-Stopp-Fahrt. Wir sind nun alle seit rund 53 Stunden wach (sieht man mal von drei je rund einstündigen Schlafstopps in der Einsamkeit Jakutiens ab) und haben noch den heutigen Tag vor uns, um die Fahrzeuge für die nächste Etappe zu präparieren, die uns auf dem Fluss Kolyma nach Syrianka führen wird.

Die Menschen in Ustnera warnten uns schon vor, dass es durch die tiefen Temperaturen viel Nalid Ice geben würde. Zudem herrschte vor zwei Tagen ein Sturm, der alles mit Schnee zugeweht hat - Sche***

04. Februar 2009: Ein Fest zum Abschied ...

Wir mussten uns entscheiden, den heutigen Tag noch in Ustnera zu verbringen. Am Ende 60 Stunden wach ist dann doch ein wenig viel, um nach fünf Stunden Schlaf die gefährlichen 400 km nach Syrianka in Angriff zu nehmen. Alle warnen uns, vorsichtig zu sein, helfen aber auch noch, Tricks an den Autos umzusetzen, spezielle Eisbrechstangen zu besorgen etc. Wir brechen morgen früh auf.

Am Abend lud uns unser Freund Vitalie aus Ustnera noch ein. an einer Geburtstagsfeier seiner Mutter teilzunehmen: Bewirtet mit besten jakutischen Spezialitäten wie Därmen junger Pferde und anderer Leckereien, verbrachten wir vier Stunden im Kreise seiner Familie. Tanzen und singen gehören hier dazu und so brachten auch wir auf Deutsch ein Ständchen und tanzten nach einigen Wodka mit den Damen im Alter unserer Mütter. Es war ein herzliches Fest ...

Es war sozusagen eine wirklich schöne Verabschiedung aus der Zivilisation in die Härte des Kolymar Gebiets ...


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