29. November - 01. Dezember 2008: Altay - mongolische Grenze - Olgy

Berge, Schnee und wieder einmal Grenze: Mit zwei neuen Expeditionsteilnehmern - in Novosibirsk sind TV-Journalist Hendrik Pfefferkorn und Kameramann Marco Schwarzer zu uns dazu gestoßen - und vollständig neu gepackten, kältefesten Fahrzeugen sind wir nachmittags von Novosibirsk in Richtung mongolischer Grenze gestartet. Vor uns lagen 900 Kilometer und die Durchfahrung der landschaftlich extrem reizvollen russischen Region Altay. Diese Bergetappe hatte drei Herausforderungen für uns parat: den ersten Schnee, heftige Steigungen und Gefälle und das alles als Nachtfahrt. Solange wir noch ausreichend Licht hatten, gab die Strecke reichlich Foto- und Filmmotive her: Schafherden, Wildpferde, frei herumlaufende Kühe, grüne Flüsse, verschneite Bergkuppen und malerische Holzbrücken ...

Etwa 50 Kilometer vor der russisch-mongolischen Grenze haben wir unser Übernachtungsquartier erreicht, das Hotel Transit in Kosh Agash. Die Überraschung: Dieses Hotel war das beste Haus am Platz - es ist das einzige Hotel mit Toiletten im Haus. Die zweite Etage war komplett für uns reserviert, dachten wir.

Noch abends sahen wir, dass ein Mongole eines der Zimmer auf dieser Etage bewohnte. Nachts bezogen vier mongolische Frauen ein weiteres Zimmer bei uns. Als wir uns morgens startklar machten, erkannten wir dann, wie effizient die Räumlichkeiten tatsächlich genutzt wurden: Außer uns übernachteten etwa zwölf bis 15 Mongolen in diesen beiden Zimmern, die wir nicht belegt hatten. Wie gut, dass wir uns abends noch unter uns wähnten! Weil das einzige Restaurant von Kosh Agash geschlossen hatte, haben wir kurzerhand den örtlichen Supermarkt gestürmt, reichlich eingekauft, improvisiert für uns gekocht und nicht so richtig lecker, dafür aber in fröhlicher Runde, zu Abend gegessen.

Bei strahlendem Sonnenschein sind wir am Montagmorgen in Richtung russisch-mongolischer Grenze weitergefahren. Direkt in Kosh Agash mussten wir wegen unserer Dolmetscherin, die uns bis zur Grenzabwicklung auf russischer Seite begleiten sollte, beim Grenzamt vorsprechen. Ein unerwarteter Zusatztermin, der direkt dafür gesorgt hat, dass Matthias kein gutes Gefühl mehr im Hinblick auf die bevorstehende Grenzdurchfahrt hatte. Von da ab ging es auf einer kilometerlangen schnurgeraden Straße durch eine verschneite Hochebene ständig bergauf. Im Blick hatten wir die beginnenden Berge und eine vage Idee einer Rechtskurve am Horizont. Hier gab es noch einmal einen Foto- und Filmstopp: Landschaft, Lands-end-Stimmung und das fantastische Licht mussten einfach festgehalten werden ...

Unmittelbar nachdem wir wieder angefahren und die Kurve hinter uns gelassen hatten, kamen wir in den Grenzort Tashanta. Vor uns die Grenzaufbauten der russischen Seite, auf der Straße zwei Kühe und vor allem überhaupt kein Verkehr. Die Abfertigung unmittelbar an der russischen Grenze ging überraschend zügig: Wir wurden tatsächlich erwartet und innerhalb von drei Stunden, also wirklich schnell, abgefertigt. Mit einer eindrucksvollen Demonstration seiner Größe hat Russland sich vorübergehend von uns verabschiedet: Das Niemandsland zwischen Russland und seinem Nachbarn Mongolei ist ein über 20 Kilometer breiter, mit Zäunen gut gesicherter Streifen Gebirge ...

Die Mongolei begrüßte uns dafür mit einer echten Sensation: Nicht nur, dass die gesamte Grenzstation extra für unsere Abfertigung über die normalen Dienstzeiten hinaus geöffnet war, haben die Grenzbeamten ihren Job auch noch in Rekordzeit erledigt. Innerhalb von unübertrefflichen 45 Minuten waren alle Carnets gestempelt, die Pässe kontrolliert, die Einreise genehmigt. Außerdem haben sich die freundlichen Beamten auch noch filmen und fotografieren lassen - an allen anderen Grenzen auf´s Schärfste verboten. Als i-Tüpfelchen auf dieser Einreise wartete wie abgesprochen unser Guide Nasa unmittelbar an der Grenze auf uns. Ein freudiges Wiedersehen mit Matthias machte diese unkomplizierte Einreise perfekt!

Nach einer kurzen Einkehr bei Tee und Nudeltaschen hatten wir das erste echte Stück Offroad-Strecke vor uns: Bei Schneetreiben und einer Sicht, die zum Teil nur zwei Meter betrug, sind wir unter Nasas Führung etwa 55 Kilometer verschneiter Bergpiste gefolgt. Wie gut, dass unser Guide an Bord war! Matthias hätten wir nie geglaubt, dass dieser Weg richtig ist. So sind wir zwar müde, aber einen ganzen Tag eher als geplant am Hotel in Olgy angekommen. Ein Vorsprung im Zeitplan, den wir vor allem der ausgesprochen erfolgreichen Kooperation an den Grenzübergängen zu verdanken haben. Dafür möchten wir vor allem den russischen, mongolischen und deutschen Ministerien und Behörden ganz besonders danken.

02. Dezember 2008: Olgy - Hovd

Pisten-Etappe mit Bergeaktion: Andere Länder, andere Sitten! Mit Frühstück einmal anders sind wir in unseren Tag gestartet. Im türkischen Restaurant gab es Sis Kebab und Suppe - wer weiß, wann es das nächste Mal etwas Richtiges zu Essen gibt. Während wir uns beim Türken gestärkt haben, hat sich offensichtlich ein Mensch mit ziemlich anderen Frühstücksgewohnheiten am Kühlschrank in unserem Hotelzimmer bedient: Dort hatten wir am Abend zuvor im Gefrierfach rohes Fleisch am Knochen gefunden - diese nicht gerade appetitliche Mahlzeit war verschwunden, als wir mit den Autos zurückkamen, um unser Gepäck einzuladen. Wie gut, dass wir auf dieses besondere Frühstücksangebot des Hotels nur zu gut verzichten konnten ..!

Nicht nur in punkto Frühstück, sondern auch in Sachen Telekommunikation haben wir gestern eine Grenze überfahren: Der Handyempfang hörte kurz hinter Novosibirsk auf, um dann noch einmal für das kurze Stück Grenzübergang von Russland zur Mongolei zurückzukommen. Danach ging an moderner, terrestrischer Telekommunikation nichts mehr. Wie gut, dass Matthias unser On-Board-Satellitentelefon, -fax, und -email problemlos in Betrieb nehmen konnte!

Nichtsdestotrotz sind wir an unseren Etappenzielen immer auf der Suche nach einem verlässlichen Internet-Zugang, um Bilder und Texte in größeren Mengen zu verschicken. Der Ullmann-Verlag und verschiedene Redaktionen sowie die Webseite warten ja ständig auf neuen Input. Hendrik und Astrid ist es an diesem Morgen in Olgy in einem öffentlichen Internet-Büro immerhin gelungen, in mehr als einer einstündigen Aktion den Tagesbericht von der Grenzüberfahrung zur Mongolei und drei dazugehörige Bilder zu verschicken. Auch hier müssen wir für die Mongolei wohl neue Maßstäbe ansetzen ...

Unter dem Gesichtspunkt der zu fahrenden Kilometer stand eine eher kurze Etappe für heute auf dem Expeditionsplan: Die beiden Etappenziele Olgy und Hovd liegen nur 200 Kilometer voneinander entfernt. Entsprechend haben Fotograf und Filmteam heute wieder reichlich Zeit auf der Straße zugebracht - wir hatten es ja nicht weit. Allerdings war diese Etappe die erste vollständige Strecke ganz ohne Straße. Auf Pisten aus Sand und Stein kamen wir nur langsam voran. Noch dazu hatten wir auf diesem Weg zwei Pässe mit über 2.600 Metern zu überqueren. Mit den schweren Gespannen hieß das Fahren in niedrigen Gängen über viele Kilometer.

Die Landschaft war atemberaubend: Seen, ein 4000er-Gipfel, schneebedeckte Berge und kahle Hügelketten aus Sand und Stein lagen auf unserem schwierigen Weg. Über weite Strecken hatten wir schon das Gefühl, in der Wüste unterwegs zu sein. So weit die Blicke schweifen konnten - und das war ganz schön weit - war kein Baum und kein Strauch zu sehen. Und auch kein anderes Auto. Auf den gesamten 200 Kilometern stand nur ein einziger Wegweiser am Straßenrand. Oft genug gelang es nur mit Hilfe unseres mongolischen Guides, den richtigen Weg zu finden ...

Als die Landschaft gerade so richtig überwältigend war - ein weites, von Bergen umringtes Hochplateau-Tal, Seen links und rechts und ein Sonnenuntergang, wie er kitschiger nicht hätte sein können - wartete noch ein echter Offroad-Einsatz auf uns. Vor uns war ein Laster bei der Durchfahrung eines Flussbetts ins Eis eingebrochen. Die beiden Fahrer hatten bereits die gesamte Ladung neben dem Fahrzeug gestapelt und sich ein provisorisches Zelt aus einem abgespannten Tuch gebaut. Nicht viel angesichts von inzwischen minus 24 Grad Kälte und scharfem Wind. Sie warteten bereits seit zwei Tagen auf Hilfe. Kurz entschlossen hat Matthias die Winde am F1 aktiviert.

Bei voll gezogener Bremse hat die Winde Jeep und Trailer mit acht blockierten Rädern Stück für Stück auf den Laster zugezogen. Selbst zusammen mit dem zweiten Fahrzeug konnten wir unsere 8,5 Tonnen schweren Fahrzeuge nicht stark genug ankern, um den 12 Tonner, der bereits im Eis eingefroren war, aus seiner Lage zu befreien. Etwa anderthalb Stunden haben wir uns mit beiden Fahrzeugen und allen zur Verfügung stehenden Kräften darum bemüht, den Lasterfahrern zu helfen. Leider vergebens. Wir hoffen, dass der Bulldozer, der zur Bergung des Lkws unterwegs ist, möglichst schnell bei den beiden Lasterfahrern eintrifft und sie aus ihrer lebensbedrohlichen Lage befreit ...

In Hovd angekommen fanden wir freundliche Aufnahme bei Nasas Familie. Dort wurden wir köstlich bewirtet und rollten zu einer ruhigen Nacht unsere Schlafsäcke in der Wohnung aus ...


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