Die Reise nach Süden

11. Tag: Sa 31.07.99 22:43 03:35

Zwei Camper am Platz neben uns: es sind "Einjahres-Urlauber" aus der Schweiz - sie kommen aus Richtung Schweden, wollen zum Nordkap, dann nach Helsinki wegen eines Visums. Mit ihrem Motorrad wollen sie schließlich weiter nach Russland und sogar Japan ... Wir schenken ihnen eine übrig gebliebene Explorer CD, nichts braucht man unterwegs mehr bei einer solchen Tour! Wo mögen sie heute sein? Wir grüßen sie jedenfalls recht herzlich von dieser Stelle aus und wünschen ihnen bei dem Vorhaben viel Erfolg ...

Unsere Camp-Nachbarn auf dem Weg nach Russland und Japan ...

Im Zollgrenzbezirk kurz nach Verlassen des Platzes filzen norwegische Zöllner einen Schweden - täuscht sich der Berichterstatter, oder schaut eine der beteiligten Zöllnerinnen geradezu gierig hinter dem Explorer her? Wie bisher immer jedoch fährt unser Bier ungeschoren vorbei ...

Keinen Bomweg wie noch bei unserer Tour Norwegen 96 müssen wir diesmal in diesem Land benutzen, sind sie alle verschwunden?! Schon bald treffen wir auf die berühmte E6, die Hauptverbindungsstraße in Nord-Süd-Richtung durch Norwegen. Auf ihr bewegen wir uns südlich, bis wir zum vierten und letzten Mal auf dieser Tour den Polarkreis erreichen - 66° 33´ Nord - die magische Zahl!

Wir halten am Polarsirkelen Center, einem Zentrum im dortigen Nationalpark. Auf dem großen Parkplatz ist die Hölle los! Mit einer Vielzahl von anderen Touris schlendern wir durch das Center, wo man die üblichen Aufkleber, Sticker, T-Shirts und anderes kaufen kann - immerhin brauchen auch wir einen Polarkreis-Aufkleber! (Anm. der Redaktion: Nachdem der Polarsirkelen-Pin bei Slowenien 99 verloren ging, erhielten wir vom Manager Bjørnar Brændmo kostenlos etliche Pins als Ersatz - als Geschenk aus der Arktis! Danke nochmals auf diesem Weg, Mr. Brændmo!)

Am Polarsirkelen Center ... ... mit großartigem Ausblick im Nationalpark ...

Auf dem Weg entlang der E6, die wir nun wieder fahren, sehen wir eine Vielzahl hässlicher Großparkplätze zu beiden Seiten der Fahrbahn - offensichtlich ideal für die naturliebenden E6-Nordkap-Rallyefahrer!

Dem Fluss Rana folgend führt die E6 bis zum Ort Moi i Rana, den wir wegen unserer nötigen Einkäufe anfahren müssen, ob wir wollen oder nicht. Allerdings erweist sich die E6 nicht so schlimm wie befürchtet - der Verkehr könnte weitaus unangenehmer sein!

Nach Großeinkauf und Auftanken an nervenden Kartentankstellen (natürlich nimmt keine dieser überwiegenden "Karten-Säulen" auch nur eine unserer Karten!) fahren wir wieder einige Kilometer zurück nach Norden - schließlich haben wir einen Abstecher zum Svartisen Gletscher geplant, können aber dort nicht einkaufen.

Das zweitgrößte Gletschergebiet von Norwegen erreicht man, wenn man nördlich von Moi I Rana an einem Campingplatz (beschilderte Abfahrt) bei Rossvoll die E6 in norwestlicher Richtung verlässt. Eine schmale, malerische Strecke führt direkt bis an den Svartisen-Gletschersee. Auf einem Infoschild erfährt man mehr über die Gegend: "Während der Sommersaison besteht die Möglichkeit, mit einem Schiff über den See zu fahren. Die Überfahrt dauert 20 Minuten. Dann kann man auf einem gut gekennzeichneten Wanderweg, der 3 km lang ist, zum Ostertal-Gletschersee und dem Eis hinaufgehen. ... Das Ostertaleis teilte sich vor 100 Jahren in 2 Gletscherarme, im Laufe der folgenden 50 Jahre bildete sich der Gletscher erheblich zurück und reichte nicht mehr bis zum See..."

Als sich der Gletscher mehr und mehr zurückzog und erhebliche Überschwemmungen die Folge waren, wurde 1959 ein Tunnel fertiggestellt, durch den das Schmelzwasser abfließen und den man unterwegs besichtigen kann. "Im Juli 1982 brach der untere Teil des Gletscherarms auf. Im Laufe von nur einer Woche zog sich die Gletscherkante um über 100 Meter über das Wasser zurück. Im Juni 1987 kalbte ein Großteil des Gletscherarms ... Wenn sich Eisblöcke lösen, .. gibt es riesige Flutwellen im Wasser, die über 5 Meter hoch werden können und für jeden, der sich zu nah am Ufer befindet, eine große Gefahr darstellen."

Wir stellen den Explorer auf dem verlassenen Campingplatz (Camp 8 N66°29.47352´ E014°11.80414´) am Rande des Svartisen-Gletschersees (Svartisvatnet) ab, auf dem wegen der obigen Gründe das Fahren mit eigenen Booten streng verboten ist - wir werden den Teufel tun und hier unser Schlauchboot zu Wasser lassen!!

Das Schiff legt nur mit dem Explorer Team an Bord in Richtung auf den Gletscher ab, aber der "Käptn" versichert uns, dass noch eine Rückfahrt in 2 Stunden folgen wird. Die Anfahrt auf den Gletscherabfluss vom Ostertalsee zum Svartisvatnet und der anschließende Fußweg zum Gletscher gestalten sich spannend ...

... Annäherung an den Gletscherabfluss ... ... in einem Boot nur fürs Explorer Team ...
... gefährliche Gegend ... ... genügend Abstand zum Gletscher muss sein ...

Unser nur zweistündiger Aufenthalt bis zur Rückfahrt erzwingt einen Eilmarsch zum Gletscher und zurück, aber der Besuch der Gletscherzunge Austerdalsisen am Austerdalsvaten hat sich auf jeden Fall gelohnt, wie wir schweißgebadet nach Rückkehr auf das Schiff feststellen ...

Heute abend campen wir am Svartisvatnet wieder allein, die letzten Besucher sind längs abgefahren. Nur ein paar Kilometer nördlich von uns ist erneut der Polarkreis - an dieser Stelle führt er allerdings über den Gletscherrand und gibt sich dort sicherlich unwirscher als an unseren anderen Kreuzungspunkten ...

... allein am Svartisvatnet ...
... wann kommt von hinten die Fünfmeterwelle?

Von unserem Lagerplatz aus haben wir den Gletscherabfluss am anderen Seeufer deutlich im Blick - dicht am Ufer stehend wirft man trotz spiegelglatter Seeoberfläche unwillkürlich häufiger einen Blick dorthin  - wie war das noch mit der überraschenden Fünfmeterwelle??


© 1999 J. de Haas