Abfahrt: Di 20.07.99, 1. Tag: Mi 21.07.99

"Nun noch die Fresskiste!" Es ist 21:30 Uhr, der Explorer und das Cockpit des Redaktionsfahrzeugs sind randvoll beladen. Die Klappkiste mit den Lebensmitteln, die nicht in die Kompressor-Kühlbox müssen, wird hinter dem Fahrersitz eingezwängt. Viele, viele Bierdosen sind auch an Bord - in Anbetracht der guten Benzinversorgung in Skandinavien auf unserer Route werden sogar die neuen Kanisterkisten damit gefüllt: beruhigende Treibstoffversorgung erscheint also gesichert ...

Wurst, Butter, Käse usw. kommen in die Kühlbox, auch ein "Jausenpaket" mit Tee ist dabei. Los geht es auf die Autobahn Richtung Nürnberg bei noch abendlichem Restlicht, weitere Stationen der Fahrt sollen Berlin und letztlich Rostock sein - Lappland wir kommen!

Es wird Nacht auf der Autobahn Richtung Berlin. Quälend üble Baustellen mit z.T. 1,5 Fahrspuren erleichtern den verkehrstechnischen Abschied aus der Republik - möge man so lange wie möglich wegbleiben!

Als die Sonne wieder aufgeht über der Autobahn, ist der Norden der Republik bereits deutlich nähergerückt und das Explorer Team auch schon deutlich geschlaucht. Erinnerungen werden wach an unsere Telefonate mit der DB anlässlich Norwegen 96: die Erklärung von vor 3 Jahren, dass man wohl demnächst neue Waggons konzipieren will, die auch die Mitnahme von Fahrzeugen in Autoreisezügen ermöglichen sollen, die höher als 2m sind, erwies sich (selbstverständlich) als hohles Gerede einer nach wie vor verbeamteten Behörde - vergessen kann man den Verein also und muss sich weiter mit jedem Womo o.ä. auf der Strasse durch die Republik kämpfen - aber man kann ja auch nach Norden ziehen, wenn einem der Süden zu weit weg ist von der Fähre!

Die Pausen werden häufiger. Auch wenn sich der Fahrer am vergangenen Nachmittag hingelegt hat, für mehr als eine Stunde Schlaf hat es bei dem normalen Nachmittagslärmpegel nicht gereicht - nun schlaucht die Nachtfahrt doch gewaltig!

Zum Glück ist Rostock wirklich problemlos anfahrbar, einfach der Autobahn bis zum Ende folgen und man steht praktisch schon im Hafen. Auch die dann folgende Beschilderung zum Helsinki-Kai ist unproblematisch, ein Fährhafen, wie man sich ihn an diesem Morgen wünscht!

Kurz vor dem Kai der  und damit dem Abfahrtsort der "GTS Finnjet", unserem Dampfer nach Helsinki, kann man noch einmal an der Hafentankstelle den Tank zu deutschen Preisen füllen - unter 2,- DM pro Liter wird in den nächsten Tagen wirklich Normalbenzin sicherlich kaum mehr zu haben sein!

Rummel: Gedränge im Rostocker Hafen ... Vielbeachtet: der GTS Finnjet läuft ein ...

Bereits ab 8:00 Uhr kann man heute einchecken, echter Service für die bereits früh ankommenden Paxe wird also von der Silja Line geboten, bis 10:00 Uhr ist die Ankunft der Fährpassagiere schließlich erst gewünscht (= 2 Stunden vorher).

Es ist beruhigend, nach diesmal problemlos verlaufener Anfahrt endlich wieder mal in der Abfahrtschlange einer Fähre zu stehen, wie lange haben wir darauf schließlich gewartet! Das Redaktionsfahrzeug führt die Warteschlange an - von der Fußgängerbrücke am Kai wirkt der Explorer wie der Anführer eines Pkw-Heeres - nun geht es wirklich los!

Estland scheint billig zu sein, ein Touri aus der kurzen Warteschlange nach Tallinn neben der langen nach Helsinki erklärt, warum er bereits zum dritten Mal dorthin fährt: alles spottbillig und schöne Landschaft - nun ja, zumindest auf schöne Landschaft hoffen wir auch, aber spottbillig ...? Was soll´s, ist ja nur Geld!

Erwartungsfroh: das Helsinki-Schild hängt schon im Cockpit ... Eingeklemmt: das Redaktionsfahrzeug auf dem Autodeck ...

Beim Einfahren in die "GTS Finnjet" gibt´s nicht nur Bilder von allen Fahrzeugen beim Einrollen unter Deck, sondern auch noch von allen Fußgängern, die über den Passagiereingang kommen, wie man später im Aushang neben der Rezeption sehen und die man auch erwerben kann.

Es folgt ein engeres Rangieren als auf der "Prinsesse Ragnhild" bei Norwegen 96, fast schon Norröna-Zustände wie bei Island 97 sind zu vermerken - hoffentlich wird es auch danach so fantastisch wie damals! Unsere Seereise beginnt ...

Die Route der GTS-Fähre

Das Schiff wird sofort nach dem "Entern" erkundet: ein echter Jet unter den Fährschiffen, das mittlerweile auch schon im Modellkeller auf den Zusammenbau wartet: :

Noch ungebaut: Modell G.T.S. Finnjet ... Das Original ist imposant ... Gebaut:
Länge:
Breite:
Tonnage:
Passagiere:
Kabinen:
Betten:
Fahrzeuge:
1977
214,96 m
25,4 m
32940 grt
1686
556
1550
390 

Die "GTS Finnjet" startet gegen 12:00 Uhr Ortszeit = 13:00 Uhr Bordzeit = finnische Zeit, wieder mal ist Uhr-Umstellen angesagt. Die traditionelle Deck-Heck-Bar ist schnell gefunden und unsere letzten (?) 1 - 2 - 3 gezapften Biere (bis zum Abend!) werden geschlürft. 0,4 Liter gibt es für ca. 4,95 DM - echter Einstiegspreis! (später wird alles wie auch die Dose "Lapin Kulta" einschließlich Dosenzuschlag sicherlich teurer, von den Preisen in Norwegen wollen wir an dieser Stelle noch gar nicht reden!)

Die Finnjet-Info lässt viel erwarten: "Wir möchten, dass Ihre Reise auf der Finnjet zum Höhepunkt Ihrer Urlaubsreise wird! Schalten Sie ab, genießen Sie die Freuden einer Seereise, und wenn Sie etwas brauchen, sind wir jederzeit für Sie da. Bummeln Sie doch mal durch die Geschäfte auf dem hinteren Deck 5, oder entspannen Sie sich im Restaurant Paradise auf Deck 6 ..."

"Kann man noch Schaum haben?" "Nein, genug Bier!" Der Mann am Zapfhahn ist sich ziemlich sicher, dass es für einen so geringen Preis mit Sicherheit genug Bier im nicht ganz gefüllten Becher gibt - verständlich, wenn man die Rahmenbedingungen und den Ort der Handlung bedenkt!

Eine Flasche Digestiv für den Urlaub wird kurz danach besorgt. Duty Free funktioniert hier noch, Estland gehört ja schließlich nicht zur EU und klugerweise gibt es da einen Zwischenstop. Apropos EU: Skurrile Situation - Finnland sowohl Mitglied bei EU und EURO, das nächste Ziel Schweden nur noch in der EU ohne EURO und zuletzt Norwegen weder noch - Europa wie es leibt und lebt!

Als das Bordleben "richtig" beginnt, klinken wir uns kurz aus für einen "Kurzschlaf", schließlich sind wir hundemüde nach der "durchnächtigten" Anfahrt - da sollte man schon mal aussetzen zwischendurch!

Das Decks-Bier steht schon kalt ...
Bereit für die Sonne im Süden ... (von Finnland!)

Nach dem Kurzschlaf wieder einigermaßen frisch: Abendessen an Bord ist eine schöne Tradition, die man nicht missen mag, ebenso wie den anschließenden Barbesuch mit etlichen frisch gezapften "Lapin Kulta" - dass sie heute Abend deutlich mehr kosten als an Deck bei der Abfahrt, muss eigentlich nicht gesondert erwähnt werden!

Das Showprogramm an Bord im Verlauf des späteren Abends ist wahrhaft gigantisch: während der NDR eifrig filmt und Paxe interviewt, werden vor unseren Augen von eifrigen Bord-Gigolos echte Omas abgeschleppt - und die machen auch noch eifrig mit (zumindest eine deutlich erkennbar!)

Nach der Dauerfrage an der Bar nun dieselbe auch mitten im Showprogramm: wem gehört der holländische Jeep mit dem Kennzeichen ... - seine Alarmanlage tönt ohne Unterlass unter Deck und niemand ist in der Lage festzustellen, wem er gehört - obwohl Name, Kabine und Kennzeichen im System gespeichert sind ... "na ja, unser System kann das nicht", meint die Dame auf Nachfrage des Berichterstatters, der sich noch nicht ausreichend von seinem Alltagsjob gelöst hat - was soll´s!

Eine Bar zum Hinsetzen mit Tresen oder so gibt es nicht an Bord - der erneute Deckspaziergang ist somit vorprogrammiert! Das Schiff ist zu später Stunde nun bis zu 54 km/Std schnell, wie unser GPS zeigt - ein echter Finnjet??

Auch der Suunto-Vector gibt sich bei ersten Tests alle Mühe - von der Meereshöhe bis zum aktuellen Luftdruck und natürlich unserem Steuerkurs liefert er zuverlässig alle Werte. Trotzdem und nach wiederholter Decküberquerung geht es nun wieder Richtung Kabine - nach all den geliebten Kilometern wieder mal längs durch die Republik bleibt einem ja nur die Koje. Und morgen sind wir ja endlich in Finnland, und da wollen wir schließlich wieder fit sein, oder??


© 1999 J. de Haas (Route: Silja Line)