Do 13.08.98: Zurück bis Fort William

Auch der letzte Ruhetag geht vorbei. Nun gibt es nur noch einzelne Übernachtungen, sonst erreichen wir das geliebte Newcastle und seine Kreisel nicht mehr rechtzeitig. Wir verlassen jetzt die äußerst angenehme Nordwestküste Schottlands und müssen eine größere Strecke Richtung Süden zurücklegen.

Wir folgen der A832 und der A890 weiter spitzwinklig entlang der Westküste, kurz hinter der Ortschaft Dornie wartet ein Touristenziel auf uns, das wir ebenfalls unbedingt ansteuern müssen.

Welcher echte Schottland-Fan hat nicht den "Highlander" gesehen - wie da Christopher Lambert über diese eindrucksvolle Brücke vor einem Castle ritt, bevor er seine Laufbahn als Berufs-Unsterblicher antrat - ein echter Film für Kelten-Freaks!

Das Eilean Donan Castle (N57°16.36´ W005°30.76´) entpuppt sich schon bei der Anfahrt als Touri-Knüller: Der Parkplatz ist derart belegt, dass der Explorer mit Allrad-Unterstützung am schmierigen Platzrand geparkt werden muss - Hunderte laufen hier herum.

Direkt gegenüber vom Castle die Ortschaft - eine geschickte Kameraführung hat im "Highlander" diese ernüchternde Tatsache verschwiegen. Die Einsamkeit des Castles, das aufgrund seiner eindrucksvollen Lage an einer Meeresbucht immer wieder auf verschiedensten Werbefotos für alles mögliche herhalten muss (u.a. für Autos, die in Fotomontagen auf der Zufahrtsbrücke stehen), besteht wirklich nur in der Phantasie und in Abhängigkeit vom Fotografen - wie man auch bei uns sieht!

Highlanders Castle ... ... ist nur ein Phantasiegebilde ...

Das Castle erweist sich zu unserer Überraschung als echtes Phantasiegebilde, noch ohne genaue historische Kenntnisse wurde im angehenden 20.Jahrhundert an dieser Stelle etwas künstlich rekonstruiert, das so in der Vergangenheit hier nie existiert hat - wer hätte das gedacht beim Anblick der vielfältigen Bilder dieses Bauwerks! Das Fantasie-Castle bietet u.a. die Original-Kücheneinrichtung des beginnenden 20. Jahrhunderts, als es noch von seinen Erbauern, den MacRaes, bewohnt wurde.

Mit Allrad verlassen wir unseren "Parkplatz" dieses fast schon echten "Hollywood-Castles" und brettern "Highway" A87 und hinter Invergarry die A82 entlang nach Süden - schottische Einsamkeit ist nun nicht gerade mehr zu bemerken ...

Hinter dem Loch Lochy wollen wir eigentlich den Campingplatz von Gairlochy anfahren - das Ankündigungsschild sehen wir auch, fahren einige Runden hin und her, finden aber tatsächlich diesen Platz nicht! In der Tat militärisch gut getarnt scheint dieser Campground, touristische Überfüllung kann man auch so vermeiden. Also geht´s notgedrungen weiter an der landschaftlich sehr schönen Parallelstrecke zur A82, die Nebenstraße 8004 westlich vom Fluss bis Fort William kann man trotz ihrer Breite nur empfehlen.

Den "Lochy Caravan & Camping Park", Camaghael, Fort William, finden wir schließlich und beschließen, bei echtem Sauwetter hier zu bleiben (N56°50.47´ W005°04.41´). Fort William wird vom Dumont-Reiseführer als der touristische Ausgangspunkt für Exkursionen zum Monstersee Loch Ness und zu einer der schönsten Straßen des Landes bezeichnet, der "Road to the Isles". Für uns ist hier heute Nachmittag jedoch Feierabend, der Regen hat nahezu ganztags angehalten, vom nahegelegenen Ben Navis, Schottlands höchstem Berg, sehen wir weder heute noch am folgenden Tag auch nur ein Zipfelchen.

Österreichische Touristen jammern uns die Ohren voll: "So ein Sauwetter haben wir auch zu Hause, dafür braucht man nicht her zu kommen." Schnürlregen heißt das bei diesen Salzburgern, die haben halt weltweit Glück mit dem Wetter! Da wir das jetzt schon mehrfach gehört haben, müssen wir scheinbar während unserer Tour ausnehmend schönes Wetter gehabt haben - die Sonne ist während der letzten Tage offensichtlich nur in der Explorer-Umgebung gesichtet worden, wenn man dem allem Glauben schenken will.

Unsere Stellplatz-Nachbarn kommen heute Abend aus dem Sauerland. Ihre 5kg Gasflasche ist "überraschend" leer geworden, die gigantische "Lachsforelle", die sie schwarz gefangen haben, können sie nun nicht mehr zubereiten und wollen sie uns schenken - nette Menschen!

Die behauptete Lachsforelle entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ausgewachsener Lachs - unsere benachbarten Angel- und Gas-Experten bekommen zur Belohnung 4 Dosen Bier und eine gebratene Fischmahlzeit - frisch aus der Explorer-Küche! Glückliche Nachbarn und ein anhaltender Dauerregen gestalten auch diesen Abend äußerst gemütlich - zusätzlich kann man auch hier wieder mal mit Planen-Wasserspielen experimentieren - was will man mehr ..!    

Fr 14.08.98: Letztes Camping in Schottland - Am Loch Tay

In der Tat hat heute morgen das Wetter kaum gewechselt, langsam kommt das Wasser aus der durchsumpften Wiese durch die angeschlagenen Sohlen der Springerstiefel - sie werden bis zu unserer Abfahrt nicht mehr richtig trocknen. Der Blick auf den Ben Navis bleibt somit auch verwehrt, muss man sich halt Schottlands höchsten Berg auf Bildern anschauen!

Letzte schottische Idylle am Loch Tay ...

Deutlich dichterer Verkehr hat uns nun wieder, als wir der A82 nach Süden folgen. Da teilweise wildsaumäßig gefahren wird auf diesen Strecken, kommt nur begrenzte Freude auf, obwohl wir uns durch eine herrliche Landschaft bewegen. Bei zeitweiligen Aufhellungen bieten sich grandiose An- und Ausblicke, die mit den besten bisher mithalten können. Was meint der Dumont-Reiseführer zu dieser Gegend: "Noch näher, noch bedrohlicher treten die grünen Hänge und Gipfel von Schottland berühmtesten Tal, dem Glencoe, an die Straße, so die Bergschwestern Three Sisters zur Linken."

Durch diese Gegend, die auch wegen historischer Clan-Schlächtereien bekannt ist, fahren wir kilometerweit hinter einem rasenden Lkw her, dem man, wie schon so oft vorher bei anderen Lkws, mit normaler Geschwindigkeit kaum folgen kann. Bremswege scheint man hier nicht zu kennen, wahrscheinlich nutzt sowas bei der kurvenreichen Strecke sowieso nichts ...

Wir fahren weiter in Richtung unseres nächsten Ziels, dem Loch Tay, wo unsere letzte Übernachtung in Schottland folgen soll. Außer für schöne Landschaft ist die Gegend berühmt für die große Zahl der sogenannten "Munros".

Für dieses eigenartige Berg-Phänomen, das wirklich etwas besonderes für Kletterer ist, wollen wir an dieser Stelle die Definition aus dem Viva Guide Schottland liefern: "Ein Munro ist ein schottischer Berg von über 3.000 Fuß (914 m) Höhe, und das "Sammeln" von Munros gilt als beliebte Freizeitbeschäftigung der Schotten. Der Name erinnert an Sir Hugh Munro, der 1891 eine Liste mit 277 Gipfeln veröffentlichte, die die oben genannte Bedingung erfüllen." Und weiter der Dumont: (Ein Munro) "muss sich vermehrt besteigen und von sammelwütigen Gipfelstürmern "einsacken" lassen. Munro-bagging heißt der Sport und er treibt seltsame Rekordblüten". In der Tat bemerkenswert, gibt es doch ausgesuchte Rekordhalter dort: Derjenige, der als erster alle 277 Munros bestiegen hat, der erste zehn- und der erste siebzigjährige Besteiger, der erste Hund auf allen Munros, der schnellste Besteiger, der alle Gipfel in 66 Tagen schaffte usw. usw.

Schon recht früh am Nachmittag treffen wir auf dem Campground vom Loch Tay ein - ein sehr naturbelassenes Gelände erwartet uns (N56°29.68´ W004°15.27´). Schon bald, wie auch auf anderen Plätzen vorher, fahren sich einige Fahrzeuge fest und müssen angeschoben werden - aber nicht von uns! Fluchtartig verschwinden daraufhin einige Camper, die eigentlich gerade aufbauen wollten, und so können wir mit Allrad bald völlig ungestört und allein auf einer abgelegenen und leicht erhöhten Stelle des Platzes unser Lager aufschlagen ...

... viel Platz zum Austoben ... ... allein auf weiter Flur ...

Das Wetter ist wechselhaft mit vielen sonnigen Abschnitten. Bei 14-15° C genießen wir die Abgeschiedenheit, dicht neben dem Campground kann man aufgrund der Feuchtigkeit ausreichend Pfifferlinge finden, die später zu einer schmackhaften Mahlzeit verarbeitet werden. Ein Camper bringt einen Wohnwagen zurück: er setzt ihn neben dem geplanten Stellplatz auf Grund, da er auch nach seinem Trip offensichtlich das Rückwärtsfahren mit Hänger kein bisschen beherrscht. Nachdem auch er fluchtartig das Areal verlassen hat, zieht der Bauer, der den Campground bewirtschaftet, den Wohnwagen mit seinem Hilux-Pickup raus: "Everyone should have one!" strahlt er uns an, als wir uns gegenseitig bestätigen, wie toll doch so ein Pickup ist.

Bald hat sich´s ausgepackt ... Der Bauer fährt jeden Meter auf seinem Platz mit dem Pickup - als wir bei stärkerem Wind die 30m-Schlange starten, kommt er ebenfalls begeistert angefahren, um sich alles aus der Nähe anzuschauen.

Laut Karte soll auch dieser Campingplatz wieder am See liegen, allerdings ist ein 15minütiger Fußweg durch den Wald nötig, um bis zu seinem Ufer vorzudringen - zu weit für eine letzte Fahrt mit dem Schlauchboot! In der schottischen Realität haben wir (im Gegensatz zu Norwegen 96 z.B.) insgesamt eigentlich keinen einzigen Platz direkt am See vorgefunden - das Mitnehmen von Schlauchbooten sollte man sich hier ernsthaft überlegen!

Außer uns campen nur noch einige Kids hier zum Weekend, wie Isländer laufen sie bei den abendlichen Temperaturen ungerührt im T-Shirt rum - gesunde Härte bekommt man eben auch hierzulande offenbar in die Wiege gelegt!


© Text/Bilder 1998-2002 J. de Haas