Teil 2: Aleppo und der Norden Syriens (26.04. - 27.04.2010)

Nach unserer Nacht im Schatten der dicken Mauern des Simeonsklosters starten wir mit unserer ersten Besichtigungstour. Dieses Kloster verdankt seinen Namen dem Heiligen Simeon, der der Legende nach an dieser Stelle auf einer 19 m hohen Säule mit 4 qm Fläche die letzten 30 Jahre seines Lebens verbracht haben soll. Aufgrund seiner Wundertaten kamen Heerscharen von Pilgern, die seinen Segen haben wollten. Nach seinem Tod wurde im 4. Jahrhundert n. Chr. ein gewaltiger Kirchenbau errichtet, in dessen Zentrum unter einer Kuppel die Säule stand.

Das Kloster steht auf einem Hügel mit einem weiten Blick in das Land, einige Bilder zeugen noch heute von der einstigen Mächtigkeit und Schönheit dieser Anlage ...

Am Simeonskloster ...

Die kommenden beiden Nächte verbringen wir in einem kleinen Hotel, direkt im Suq von Aleppo gelegen. Die Suq´s (übersetzt bedeutet dies "gewinnen") sollen 12 km lang sein und zu den schönsten im Orient gehören. Viele dieser Gassen sind eng, verwinkelt, meist überdacht und ein Geschäft reiht sich an das nächste. Jeder Laden ist nur wenige Quadratmeter groß, die Waren stapeln sich hoch hinauf. Gewürze, Nüsse, Kleider, Stoffe, Süßigkeiten, Imbissstände und noch viel mehr erwartet uns.

Unsere Sorge um einen bewachten Stellplatz für unser Auto löste sich auf, nachdem wir gegen eine tägliche Aufwandsentschädigung von 1 EUR (Bakschisch) in dem umzäunten Gelände des Busbahnhofs einen sicheren Platz ergattert hatten.

Stundenlang lassen wir uns treiben, handeln um Silberschmuck, essen viele unbekannte Köstlichkeiten und kaufen Gewürze wie Safran zu Spottpreisen ein. In einer alten Seifenfabrik erwerben wir 2 kg hochwertige Olivenseife.

Einfahrt zum bewachten Stellplatz ... Gewürzhändler im Suq
Im Suq ... ... kann man sich treiben lassen ...

Direkt an den Suq angrenzend befindet sich die Umayyaden Moschee aus dem 12. Jahrhundert. Sie besitzt einen großen Innenhof sowie umlaufende Arkadengänge. Die mit Teppichen ausgelegten Gebetsräume betreten die Gläubigen vom Innenhof aus. Zum Besuch sind zwei Regeln zu beachten: Frauen müssen einen langen Kittel sowie ein Kopftuch tragen; die Moschee wird grundsätzlich ohne Schuhe betreten. Mehrfach besuchen wir die Moschee und genießen nach dem Trubel hier die Ruhe und können den Gläubigen und Besuchern in Ruhe zuschauen.

Das Gebäude strahlt Erhabenheit und Gelassenheit aus, viele Menschen kommen zum Beten oder zur Meditation hierher. Auch wir lassen uns davon inspirieren und so vergeht hier die Zeit im Fluge. Fünfmal am Tag ruft der Muezzin zum Gebet und viele Gläubige folgen seinem Aufruf. Per Zufall kommen wir in Kontakt mit einer jungen syrischen Familie und unterhalten uns ein wenig in gebrochenem Englisch. Yahya Azrak lädt uns ein, am kommenden Abend die Altstadt von Aleppo zu zeigen und anschließend bei ihm zu Hause Abend zu essen ...

Innenhof Umayyaden Moschee ... Besucherinnen ...
Meditationen ... Einladung: junge syrische Familie mit Mutter ...

Wir tauschen unsere Mobilnummern aus und per SMS verabreden wir uns am kommenden Abend um 18:00 Uhr in der Moschee. Zwei Stunden lang führt er uns kreuz und quer durch Aleppo, wir sehen so manche Gassen, die in keinem Reiseführer eine Erwähnung wert sind. Per Taxi fahren wir anschließend zum Abendbrot zu ihm nach Hause. Gegessen wird ohne Besteck, nur mit der rechten Hand. Es erfordert schon etwas Konzentration, Linkshänder dürften so ihre Not haben.

Als wir satt sind und dies auch kund tun, hört unser Gastgeber sofort mit dem Essen auf. Die Höflichkeit gebietet es den Arabern, dann auch satt zu sein. Seine Frau ist mit dem Kind bei Freunden, erzählt uns Yahya. Wir vermuten später, dass ich seine Frau nicht unverschleiert zu Hause sehen durfte. Gerne hätten wir sie in unsere Gespräche mit eingebunden. Wir unterhalten uns prächtig, wenn auch etwas schwerfällig wegen der Sprachprobleme und die Zeit vergeht dabei wie im Fluge. Wir erfahren ein wenig über die Lebensweisen in diesem Land, die Bedeutung der Religion im Alltag und hören von ihm, dass der Islam nach seinem Verständnis eine friedliche Religion darstellt. Beschämend fällt uns auf, in welchem Kontext bei uns in Deutschland das Wort Islamisten gebraucht wird und damit schnell eine ganze Religion in Misskredit gebracht werden kann ...


© 2010 Hans-Jörg Wiebe