Nouakchott - Atar

Nun soll es aber endlich in die Wüste gehen: Von Nouakchott nach Atar sind es wieder 500 km gute Asphaltstraße, die man bequem in einem Tag fahren kann. In Atar beginnt die richtige große Wüste, dafür fahren die meisten Menschen nach Mauretanien. Tourismus gibt es hier fast nur im Winterhalbjahr, im Sommer sind viele Herbergen geschlossen. Von hier gehen Pisten in alle Richtungen, Pisten, die man nur mit einem geeigneten Fahrzeug und guter Wüstenausrüstung fahren kann. Kurz vor Atar ist dann noch ein Abstecher zur Oase Terjit möglich, die Piste ist für jedes Fahrzeug geeignet. Nicht nur die herrlich kühlen, unter Palmen verborgenen Quellen sind den Umweg wert, auch das Dorf mit seinen runden Strohhütten gibt einen ersten Einblick von der mauretanischen Lebensweise. In der heißen Mittagshitze sind außer einigen Ziegen hier keine Lebewesen zu sehen ...

In Atar quartiere ich mich auf dem Camping Bab Sahara ein, geführt von dem Holländer Justus Buma und seiner deutschen Frau Cora. Justus ist eine Institution in Atar: Er kennt jeden, hat überallhin gute Beziehungen, was immer man braucht, er kann es besorgen, selbst Visumsverlängerungen kosten ihn nicht mehr als einige Telefonate. Aber auch ohne Allradfahrzeug sind von Atar aus tolle Ausflüge möglich: Zunächst in die nur 8 km entfernte Oase Azoughui, die keine Häuser hat, sondern nur aus Strohhütten besteht. Justus hat auch dort ein Camp für die Saharafahrer, und gleich dahinter gibt es schöne Felsgravuren zu besichtigen.

Piste Atar - Chinguetti ...

Oase Azoughui ...

Geschenkeverteilung nach GPS-Fund ... Oasenleben ...

Das Highlight ist aber der Ausflug nach Chinguetti, die gute Piste bereitet dem Ford Ranger keine Probleme. Auf dem Weg dorthin kann man Felszeichnungen besichtigen, die aber schon recht verblasst sind. Schön ist, dass das Gelände durch einen Zaun geschützt ist, eine Nomadenfamilie hat die Schlüsselgewalt. In sandüberrollten Chinguetti mit seiner von Straußeneiern gekrönten Moschee parke ich mitten im Ort und wandere ein wenig herum, plötzlich sehe ich von weiten, dass an meinem Fahrzeug ein Junge steht und etwas in der Hand hält. Ich will ihn schon wegjagen, doch dann bemerke ich, dass er mein GPS-Gerät hochhält, das ich beim Aussteigen verloren habe. So eine Ehrlichkeit hat natürlich ein Geschenk verdient, ich öffne meine Tasche und habe natürlich sofort das ganze Dorf um mich. Aber die Leute sind freundlich.

Auch in Chinguetti gibt es angenehme Unterkunft, ein wahres Paradies ist die Auberge Eden von Mahmoud gleich am Ortseingang: Mahmoud lädt mich zu einem Ausflug in seinen Oasengarten ein. Schon die 4 km lange Fahrt dorthin ist wunderschön, es geht durch das sandige Oued, das von hohen Sanddünen eingerahmt ist. Auf der einen Seite liegen die Reste des alten, vom Sand verwehten Chinguetti. Der Garten ist ein richtiges kleines Paradies, in dem sich während eines heißen Tages wunderschön ruhen lässt, es wachsen alle möglichen Arten von Früchten, Mahmoud ist der einzige, der das Experiment wagt, neben Datteln noch Obst anzupflanzen und er hat großen Erfolg damit. Es gibt Weintrauben, Mangos, Granatäpfel und vieles mehr. Zur Abkühlung kann man in ein kleines Wasserbecken springen ...

Nouakchott - Kiffa

Leider gibt es noch keine asphaltierte Verbindung von Atar in den Süden des Landes, ich muss wieder zurück nach Nouakchott. Von dort geht es über die "Route de l'Espoir" nach Kiffa. Im Jahr 1985 wurde diese wichtige West-Ost-Verbindung - die Straße der Hoffnung - von der Hauptstadt Nouakchott über Aleg, Kiffa und Ayoun el Atrous nach Nema nahe der Grenze zu Mali eröffnet, die Länge beträgt 1.150 km. Die Straße wurde von brasilianischen Unternehmen gebaut, die bereits Erfahrung mit dem Straßenbau durch unwegsame Gebiete beim Bau der gigantischen Transamazonas-Autobahn gesammelt hatten. Nach der Verbindung Nouakchott - Rosso zum Senegal war dies erst die zweite Asphaltstraße des Landes.

Landschaftlich ist die Route de l'Espoir recht reizvoll mit ihren goldgelben Dünengebieten, sie fährt jede Bodenwelle aus. Vereinzelte Häuser und Zelte liegen immer wieder in den Dünen. Dörfer bestehen hier aus weit gestreuten Hütten oder Zelten, dazwischen immer wieder schattige Dächer, unter denen sich die Dorfbevölkerung zum Mittagsschläfchen oder Abendpalaver trifft.

Markt in Boutilimit ...

Einladung in Kiffa ...

Straße Nouakchott - Kiffa ... Kadaver am Straßenrand ...

In dieser Region wird sehr viel Vieh gezüchtet, zunächst hauptsächlich Kamele, später in der Savanne mehr Rinder; Ziegen und sehr schön gefärbte Esel gibt es immer zwischendurch. Diese Tiere spazieren völlig frei auf ihren Weiden umher und auch auf die Straße, eine große Gefahr für den Autoverkehr, wie man an den vielen Kadavern am Straßenrand sehen kann. Und auch an Autowracks ist kein Mangel, beides lässt man einfach vor sich hin rotten. Dann geht es durch Marktorte wie Bouilimit und Aleg, wo die Straße dicht gedrängt mit geschäftig hin und her laufenden Menschen sind.

In Kiffa möchte ich in der Auberge Phare du Desert absteigen, bekomme aber kein Zimmer mehr: Das ganze Haus ist fest in der Hand einer Gruppe von senegalesischen Mädchen, die mich sofort in ihren Kreis einbeziehen. Sie arbeiten für eine Zigarettenfirma und sind auf einer Promotiontour. Ich werde von ihnen nicht nur zum selbstgekochten Essen eingeladen, sondern abends noch mit zu einer Hip-Hop-Party genommen, auf der sie ihre Zigaretten anpreisen. Und zum Schlafen findet sich dann eine Matratze auf der Terrasse. Der Besitzer des Platzes heißt Idoumou und ist ein sehr gebildeter Mann, er hat seinen Doktortitel für Marketing in Brasilien erworben. Er bietet mir jegliche Hilfe an und wird auf meiner weiteren Fahrt jeden Abend anrufen, ob ich auch gut am Ziel angekommen bin ...

Zum Senegal-Fluss

Auf dem Rückweg nach Nouakchott verlasse ich die Hauptstraße für ein Weilchen und fahre über eine Piste ins Landesinnere: Man fühlt sich um Jahrhunderte zurückversetzt, wenn man die von Tieren umlagerten Brunnen sieht, von weit her kommen die Menschen, um Wasser zu schöpfen und Tier und Mensch mit dem kostbaren, raren Gut zu versorgen.

Ich will nun zu dem südlichsten Punkt meiner Reise gelangen, an den Fluss Senegal, der zugleich die Grenze zum Nachbarland Senegal bildet. Von Aleg aus geht eine neue Asphaltstraße bis nach Boghé am Flussufer. Ich bin ziemlich enttäuscht, denn ich wusste ja, dass die Region um den Senegal das einzige landwirtschaftliche Anbaugebiet des Landes ist und hatte es mir entsprechend grün vorgestellt. Stattdessen ist alles karg und staubig. Im Juli wird die Regenzeit erwartet, aber ob es sich dann so viel ändert? Die Anbaumethoden sind noch sehr rückständig und wenig ertragreich.

Boghé ist für mich ein Schock: Diese Stadt ist dermaßen schmutzig und die Häuser sind in einem üblen Zustand, es ist der schlimmste Ort, den ich je in Mauretanien gesehen hatte. Vor allem der Markt! In Reiseführern wird immer von den schönen, farbenfrohen Märkten berichtet, aber leider nicht von dem Abfall. Alle Reste werden einfach liegengelassen, der Ort ist eine einzige Müllhalde. Wie schön wäre es, am Ufer des Senegal ein Restaurant vorzufinden, in dem man sitzen und über den Fluss schauen kann. Aber so etwas gibt es in diesem Land überhaupt nicht. Und dann plötzlich herrschaftlich wirkende Wohnsitze inmitten hoher Zäune. Einige Leute sollen hier ihren Reichtum mit Hilfe von weiter verkauften Nahrungsmittelspenden erworben haben. Große Schilder im Ort weisen auf ausländische Projekte hin, um die Bevölkerung zu unterstützen. Aber die Hilfe, die ankommt, geht nur zu geringem Maße an die Bevölkerung, sie verschwindet in den Taschen der Stadtoberen ...

Am Senegal ...

Nester von Webervögeln ...

Straße in Boghe ... Markt in Kaedi ...

Aber ich fahre hinauf auf den Senegaldamm, Frauen waschen die Wäsche, Männer die Autos. Die Kinder hier unten sind überraschend zurückhaltend. Es wird nicht, wie in Marokko oft geschehen, das fremde Fahrzeug gestürmt und nach Geschenken gefragt. Es wird nur neugierig geschaut und freundlich Bonjour gesagt.

Vor Boghé ist eine große, neu erbaute Kreuzung mit einem Wegweiser nach Rosso, 194 km. Wie schön, Rosso ist mein Ziel. Diese Straße ist in den Karten als Piste eingezeichnet. Ich fahre also beschwingt los auf der brandneuen Straße: Außer tausenden von Kühen, die die Straße immer wieder überqueren, gibt es absolut keinen Verkehr, kein Lastwagen, kein Buschtaxi, nichts. Nach 90 km ist mir klar, warum: Die schöne Straße endet abrupt in einer üblen Sandpiste direkt am Senegal. Affenherden rennen über die Straße, im Baum eine Kolonie von Webervögeln, und auf einem anderen Baum sitzt ein Falke. Nun bin ich also mitten in der Wildnis angelangt und der Reifendruck des Rangers ist absolut nicht auf Sand ausgelegt. Aber der brave Ford schafft es. Die restlichen 100 km bis Rosso ziehen sich noch ganz schön hin. Von Rosso geht eine kleine Fähre über den Fluss ins Nachbarland Senegal ...

Auf der Ebbstrandpiste

Über Rosso gibt es nichts Aufregendes zu berichten und auch nicht über die Rückfahrt nach Nouakchott. Aber dort treffe ich Idoumou wieder und er bietet mir an, gemeinsam einen Ausflug zur sogenannten "Ebbstrandpiste" zu machen. Das Angebot nehme ich gerne an. Wir fahren mit seinem Wagen, einem etwas zerbeulten Pickup. Ich hatte schon viel von dieser Piste gehört, konnte mir aber dennoch nicht so richtig etwas darunter vorstellen. Bis zur Fertigstellung der Asphaltstraße lief hier eine der Hauptverbindungen zur Hauptstadt.

Wir brechen am Nachmittag auf: Die Piste ist nur zur Ebbe befahrbar, man muss sich also vorher genau über die Gezeiten erkundigen. Vor allem ist die ganze Strecke am Strand immerhin 160 km lang. Wir fahren also an den Strand von Nouakchott bis hinunter zum Wasser. Es ist immer noch Flut, also halten wir erstmal ein Picknick ab. Sobald etwas von dem nassen Sand trocken wird, fahren wir vorsichtig darüber, zwei Räder immer im Wasser, um den harten Teil des Sandes zu erwischen. Zunächst ist es noch ein wenig abenteuerlich, denn die Ebbe ist noch nicht ganz da. Nur darf man halt auch nicht allzu lange warten, denn für die 160 km braucht man schon etwas Zeit. Und mehr Treibstoff!

Wir kommen an Fischerdörfern vorbei, die Fischer sind gerade damit beschäftigt, ihre wunderschön bunt bemalten Pirogen auf das Land zu ziehen und die Netze einzuholen. Das ist eine sehr schwere Arbeit, mit der etwa ein Dutzend junge Männer beschäftigt sind. An anderen Stellen sitzen Fischer und bereiten Gefäße für den Tintenfischfang vor. Dann kommt eine felsige Stelle, die bis ins Wasser reicht, wir müssen auf den weichen Sand ausweichen. An einer Stelle schauen die Reste eines deutschen Busses aus dem nassen Sand, Idoumou erklärt, dass sich hier eine Gruppe im Sand festgefahren hatte und das Fahrzeug nicht mehr rechtzeitig vor der Flut herausbekam. Und dann reichen die hohen Sanddünen der Sahara so nah an das Meer heran, dass wir gerade so eben noch daran vorbei fahren konnten. Das Wasser spritzt hoch, die Möwen fliegen erschreckt davon. Diese Strandpiste ist der Höhepunkt meiner Mauretanienreise ...

Einholen der Netze ...

Vorbereitung zum Tintenfischfang ...

Die Dünen der Sahara reichen bis ans Meer ... Begegnungen ...

Wir erreichen Nouamghar, den Endpunkt der Strandpiste und gleichzeitig den Beginn des Nationalparks Banc D'Arguin. Ab hier geht es auf Pisten durch den Park, der eine wichtige Überwinterungsstätte für Zugvögel ist. Jetzt im Sommer sind nur wenige zu sehen. Inzwischen ist es dunkel geworden, also wollen wir in einem Camp im Park schlafen. Noch eine Stunde geht es durch völlige Dunkelheit, bis wir das Camp in Teychot erreicht haben. Dort können wir auf ganz einfache Art übernachten und am Morgen den Fischern zusehen, wie sie zu ihrem täglichen Beutezug aufbrechen. Bevor wir wieder die Hauptstraße erreichen, halten wir noch bei einem Nomadenzelt und probieren die frische Kamelstutenmilch.

In Nouakchott steige ich wieder auf meinen Ranger um und fahre zurück nach Marokko. Der Wagen hatte brav durchgehalten, nicht jedoch die Ladeflächenabdeckung: Das Gestänge war bereits nach den ersten 1.000 km zusammengefallen, die Druckknöpfe in der Hitze ausgebrochen und das festgeklebte Klettband hatte sich schnell gelöst.

Und nun warte ich aufs nächste Jahr, die nächste Reise ...


© 2007 Edith Kohlbach


Und hier findet man den Reiseführer von Edith Kohlbach:

Mauretanien
Ein Reiseführer rund um die Asphaltstraßen des Landes
Mit GPS-Daten

ISBN 978-3-9810868-8-1
Preis 13,90 EUR

Bestellen bei: 

Edith-Kohlbach-Reisebücher
www.edith-kohlbach.de


Nachtrag, Oktober ´07: Lob vom Honorarkonsul ...

Nicht nur uns hat das Buch gefallen, sondern auch der Honorarkonsul von Mauretanien hat Edith Kohlbach folgendes zum Buch geschrieben, worüber sie nach eigenem Bekunden glücklich ist. Wir schließen uns der Meinung von Hubertus Spieker an! 

Hallo Frau Kohlbach,

am Wochenende habe ich Ihren Reiseführer gelesen, den Sie mir freundlicherweise zugesandt haben. 

Mein grosses Kompliment. Das ist ein Reiseführer, mit dem man etwas anfangen kann. Jeder Mauretanien Reisende sollte den besitzen. Sie haben sich auf das Wesentliche konzentriert und das Buch absolut praxisorientiert verfaßt.

Man kann schnell erkennen, daß Sie selbst vor Ort waren und die Informationen selbst erstellt haben. Ich werde mir erlauben, auf meiner Web-Site den Reiseführer vorzustellen und jedem diese Lektüre empfehlen. Man spart viel Zeit, Geld und Ärger, wenn man sich schon vor Reisebeginn mit Ihrer Lektüre befaßt.

Bei jedem Visaantrag sollte ein Hinweis auf Ihren Reiseführer gegeben werden. Ich meinerseits werde das veranlassen. 

freundliche Grüße

Hubertus Spieker
Honorarkonsul i.r.