Part 7 - Into the Blue, up the Hill, crash some Hasch-Guys ...

Marrakech, die alte große Stadt: Orientalische Megacity, Mittelpunkt vieler Geschichten, Filme und Legenden. Die Lichter von Marrakech erhellen den nächtlichen Himmel schon in vielen Kilometern Entfernung. Wir schliefen hier eine Nacht. Unser Ibis Hotel lag im Norden der Metropole, direkt an einer Hauptstraße. Wir planten am nächsten Morgen eine kleine Stadtrundfahrt, mussten aber schnell feststellen, dass man hier mit riesigen Geländefahrzeugen eher der Verlierer ist. Marrakech und seine vielen kleinen Souks besucht man am besten per Pedes. Dies blieb uns leider verwehrt und wir sahen nur am Rande etwas von den Märkten und ihrer Kultur. Doch die Zeit ließ keinen längeren Aufenthalt zu, denn unser heutiger Tagesplan führte uns nach Fes mit Zwischenstopp am Atlantischen Ozean.

Marrakech ... Touri mit Geländewagen der Verlierer ..? Besser: Besuch per Pedes ... Nur am Rande etwas von den Märkten und ihrer Kultur ...

Ja, das ist ein sauberer Umweg, aber unser "All Inklusive Programm" beinhaltete Flashis (meinen) Wunsch nach einem Bad im Atlantischen Ozean und so gaben wir ein weiteres Mal unseren Rössern die Sporen und schossen über die Autobahn, die an dieser Stelle auch zum Transafrikanischen Highway gehört. In Höhe Menasteel ging es dann runter von der Schnellstraße und direkt gen Strand: Den zu finden, war erst im zweiten Anlauf erfolgreich. Beim ersten Versuch landeten wir in einer exklusiven Villenanlage, die jeglichen Wasserzugang versperrte. Aber einige Kilometer weiter, nach einem Abstecher über ein frisches Feld, waren wir endlich da - und dort andere Allradler zu sehen versicherte uns, dort wirklich auch fahren zu dürfen. Wir cruisten über den leeren Strand bis hinter eine kleine Bucht und ließen uns zur Mittagssonne nieder. Erste Wasserbesuchsversuche schlugen aufgrund des steinigen Untergrunds fehl. Hier gab es scheinbar so etwas wie ein Korallenriff oder eine andere Formation fester Gesteinszusammenhänge mit scharfen Kanten. Daher zogen wir uns sichere Schuhe an und versuchten es erneut. Nach ersten Wellen und Salzwasserkontakt widmete sich Patrick einem Apfel, während ich mit meiner wasserdichten Kamera ein Actionvideo für die Oma drehte ...

Ein wenig Baywatch ...Aber unsere Zeit war rationiert. Patrick plante nun noch ein paar Strandbuggy-Actionszenen, bei denen wir mit unseren Fahrzeugen schnell und wie bei Baywatch über den Strand pflügen würden. Nun, es wurde ein Desaster: Der Boden war weich, wir fuhren uns quasi sofort fest und brauchten eine Weile mit Rangieren, um wieder frei zu kommen. Die Einheimischen, die sich an einer steilen Felswand im Schatten eingefunden hatten, beobachteten unser Treiben mit Amüsement und winkten später noch belustigt ...

Wieder zurück auf der Autobahn ging es über Rabat nach Fes. In Höhe Meknes kreuzten wir damit unsere Anreiseroute. Wir machten auf der Autobahn in einem Autobahnrestaurant Zwischenstopp und aßen eine Kleinigkeit. Fes erreichten wir im Dunkeln:. Eine schöne Stadt mit viel Leben auf den Straßen. Einen aufdringlichen Fremdenführer konnten wir dank Grafe nur mit vehementem Hupen abschütteln. Selten so eine Penetranz erlebt ...

Das geplante Ibis Hotel gab es nicht. Es sollte da sein, war es aber nicht. Grafe übernahm die Führung und folgte einem Track von "Desertcruiser", welcher aber mitten ins spirituelle Zentrum führte und nicht zu einer Herberge. Das Problem: Dort war es eigentlich viel zu eng für Fahrzeuge und zum Wenden und Rausrangieren brauchte ich schon die Untersetzung. Tausende von Menschen, kein Platz und ne Steigung - was für ein herrlicher Abend!

Wir wollten nur noch ins Bett und folgten nunmehr der Ausschilderung "Hotel Les Merinides". Nun, das war dann das erste Haus am Platz. Echte 5 Sterne Kategorie, Zimmerpreis laut Aushang: 250 Euro in der Hauptsaison und 300 Euro in der Nebensaison ...

Die Rezeptionistin kam uns aber direkt mit einem ungefragten Sonderangebot entgegen: Einzelzimmer mit Frühstück 120 Euro. Das erschien uns mehr als prächtig und wir checkten zufrieden ein. Die Zimmer waren Oberklasse und beide mit einer kleinen Tür verbunden. Im Fernsehen lief RTL und wir nutzten den angebrochenen Abend für die Planung des nächsten Tages.

Der geneigte Leser wird sich sicher fragen: Was sind denn das für zwei Spaßvögel? Erst suchen sie im Zelt die Einsamkeit der Wüste, leben aus der Kühlbox und beglotzen den Sternenhimmel. Dann logieren sie mit einem Mal in Luxushotels mit Frühstück, wo persönliche Köche frische Omelettes zubereiten? Ja, korrekt. Das stimmt so. Und wie sagt schon eine von Flashis Weißheiten? "Wer das Abenteuer sucht, darf den Luxus nicht fürchten!" (Anm. der Red.: Ganz unser Wahlspruch! )

Viehtransport in Fes ... Wer das Abenteuer sucht, darf den Luxus nicht fürchten ...

Das Frühstück war es wert, Frühstück genannt zu werden: Alle Säfte frisch gepresst und ungestreckt. Eine reiche Auswahl an Belägen, Kaffee und Kakao. Dazu natürlich die obligatorische Busladung Japaner.

Patrick und ich hatten am gestrigen Abend relativ heftig die Tour für heute geplant: Patrick stellte dabei Straßen zusammen, die der Michelin Reiseführer entweder als gefährlich oder sehr hoch, sehenswert und gefährlich einstufte. Ich fand das gut, äußerte aber zeitliche Bedanken, da wir ja bis Tetouan kommen wollten, was über Nebenstraßen ein verdammt weites Stück entfernt war. Dazwischen lagen die Ausläufer des Atlas Gebirges, nämlich das Rif Gebirge - die weltweit größte Haschischplantage. Ein Gebiet, vor dem man uns eigentlich gewarnt hatte. Aber wir waren nicht Hinz und Kunz, wir waren F&G - uns würde nichts und niemand stoppen - naja, außer vielleicht ein technischer Defekt, die Zeit, ein Fahrfehler oder eine Naturkatastrophe ...

Unser Weg führte uns die N8 nordwärts bis Taounate, eine Stadt, die auf einem Berg liegt und deren Anfahrt wirklich eine herausfordernde Bergaufquälerei ist ... also zumindest mit untermotorisierten überladenen PKWs. Hinter Taounate ging dann die Straße nach Tahar Souk ab. Aber bevor wir Taounate erreichten, war erstmal eine kleine Flussquerung an der Reihe, mit der ich Patrick überraschen wollte ...

Die Strecke gen Tahar Souk verlief in Wirklichkeit anders als bei Google eingezeichnet: Es ging immer weiter bergauf, wir fuhren an einem riesigen Bergstausee vorbei und kurz hinter Maret kam dann die Abzweigung zur Passstraße über Dalia.

Strecke anders als bei Google eingezeichnet  ... Vorbei an einem riesigen Bergstausee ...

Ich hatte ja eigentlich prophezeit, dass wir Dalia erst gegen Mitternacht erreichen und dann dort wimmernd festhängen würden. Aber nein. Es war kurz nach Mittag, in Dalia stürmte es bei einer Saukälte und wir aßen erneut einige Leckereien aus unserem Brotkorb. Entgegen Grafes Schätzung verlief die Straße aber nicht auf 1.000 m - nein, wir kamen immer höher und waren irgendwann in den Wolken. Der Nebel verringerte die Sicht streckenweise enorm, der Wind peitschte unbarmherzig von der Seite ans Fahrzeug und der Regen reinigte uns vom Wüstensand. Die Aussicht entschädigte für vieles. Irgendwann kam über Funk die Bitte nach einer Kaffeepause und so verließ ich auf einem Forstweg die Straße und führte uns offroad in höher gelegenes Gelände auf genau 1.950 m. Dort war es so kalt und windig, dass mich eine Böe erfasste und niederwarf: Prellung am Knie und Handgelenk. Wir verwarfen die Idee des Kaffees und fuhren zurück auf die Straße ...

In Targuist kamen wir zurück auf die Haupstraße N2: Es ging direkt westlich weiter, bis wir zum Abzweig nach El Jabha kamen, einer Hafenstadt am Mittelmeer. Diese Route war wiederum grün und gefährlich. Sie führte durch das Herz des Rif-Gebirges: Eine enge Straße am Hang mit nur wenig Überholmöglichkeiten. Die Aussicht wie üblich atemberaubend.

Und irgendwo dort geschah es - ich kam von oben, er kam von unten, wir trafen uns in der Mitte unter meiner Stoßstange. Ja, ich hatte einem Einheimischen das Auto im wahrsten Sinne des Wortes aufgeraucht. Totalschaden. Der Mann war am Boden zerstört, hatte aber Angst vor der Polizei (warum nur ... vielleicht wegen dem Zeug hinter seinen Sitzen ..? ). Schnell kamen weitere Anwesende dazu, die ebenfalls in Transportern auf der Straße unterwegs waren. Alle waren sehr hilfsbereit und mit Hilfe von 500 frischen Euroscheinen konnten wir die Situation kippen (Anm. der Red.: Hoffentlich selbstgedruckte Ein-Euro Scheine! ). Mit einem Mal war Volksfeststimmung (kein Scherz): Man wünschte uns gute Reise und wir konnten weiter fahren. Nur gehörte meine Seele jetzt Grafe, der mich quasi freigekauft hatte ...

Obwohl es ein Unfall war, fanden wir das ganze so skurril, dass wir uns darüber noch Stunden köstlich amüsierten: Flashi hatte einen Larry platt gemacht ... naja, zumindest sein Auto. Somit hatten wir nun auch das im Urlaub erlebt!

Am Ende der Gebirgsstraße trafen wir auf einen Einheimischen, der uns neugierig ansprach und überraschend gut Deutsch und Englisch sprach. Er erzählte uns von seinen Aufenthalten in Amsterdam, erzählte über die hiesigen Anbaumethoden und in welchen Größenordnungen er sein Agrarerzeugnis exportieren würde. Ich konnte mir den Gag nicht verkneifen ihm mitzuteilen, dass Europäer diese Gegend "Cocaine Country" nennen. Und er konterte korrekt, dass das aber eher Kolumbien sei und hier mehr "Hasch Country" wäre. Wir hatten ein nettes Gespräch und er wollte uns nichts geben oder verkaufen. Er fand es genauso wie wir interessant, einfach mal drüber zu sprechen und stolz sein Business zu zeigen ...

Mann und Auto am Boden zerstört ... 500 frische Scheine helfen hier schnell ...

Im gleichen Moment kamen zwei Unfallhelfer von vorhin die Straße entlang und winkten uns noch immer gut gelaunt mit Daumen nach oben zu. Interessante Erfahrung, wir hatten hier jetzt ganz schnell neue Freunde gefunden. Doch der Weg heute war noch weit, vor uns lag eine 135 km lange Küstenstraße direkt am Mittelmeer.

Nun, hier endete unser Glück: Die Straße wurde auf der kompletten Länge gerade neu gebaut. Es gab keinen Asphalt mehr, es war eine 135 km lange Baustelle.

Die Strecke wäre ein Traum für jeden Rallyefahrer, keine Frage. Aber wir waren im Urlaub und wollten nicht todesmutig rasen. Es wurde dunkler und dunkler und wir kamen nur langsam voran. Irgendwann gegen vielleicht 20 Uhr rief mich Patrick über Funk: Stopp, bei mir überbremst hinten was. Wir stoppten direkt neben einer LKW Verladestation im weichen Bauschlamm. Ich stieg aus und bemerkte bei mir einen Platten hinten links. Der Untergrund war zu weich für einen direkten Hilift, so dass ich erst umparken musste und das Auto mit Steinen fixieren. Nach dem Wechsel meines Rades kamen wir dann endlich zu Patrick und dem war - ja, ich kann es gar nicht schonend genug sagen - ein Längslenker hinten abgerissen. Besser gesagt war ein Auge um eine Buchse aufgerissen und die Achse hing nun schräg unterm Fahrzeug: Wiederum Desaster ...

Zwei Bauarbeiter, ein Einweiser und sein älterer Chef, waren sofort zur Stelle, um uns zu helfen. Sie kamen zum gleichen Ergebnis: Spanngurte sollten die Achse fixieren können. Gesagt, getan. Wir bedankten uns mit Dirhams und fuhren nun mit 15 km/h langsam weiter gen Tétouan. 35 km lagen vor uns. Parallel bat ich Forenmitglied "Henning", uns ein Ibis Hotel rauszusuchen. Henning fand es, das lag aber weitere 35 km hinter Tétouan. Ich musste also Patrick irgendwie verkaufen, dass es nochmal ein ganzes Stück weiter gehen würde. Zum Glück allerdings auf direktem Wege per Autobahn ...

In Tétouan angekommen, sahen wir einen McDonalds und kehrten geschafft und dreckig wie Sau ein: Zwei Maxi Menüs mit Eis und Cola, genau das Richtige. Danach schnell noch Autobahn, auf der wir ganz alleine waren und endlich erreichten wir spät in der Nacht das Ibis Hotel und konnten nun ins Bett. Der Hafen lag keine 15 km entfernt, wir waren morgen also auf der sicheren Seite ...


© 2011 Andreas Pflug