Die Abfahrt ...

Wir schreiben den 24.05.2001, als es endlich losgeht: Vollgepackt wie eine Kamelkarawane stehen zwei Geländewagen früh um 7:00 Uhr auf dem Parkplatz vor unserem Haus in Ochsenfurt am Main - ein paar Fotos noch und endlich ist es soweit - wir fahren nach Marokko!

Wir, das sind Johanna - meine Lebensgefährtin - sowie ein befreundetes Ehepaar, Marianne und Dieter, sowie ich selbst, Walter

Vollgepackt: Aufbruch in Ochsenfurt ...Die bereits angesprochene Frage vom "einmal und immer!" oder "einmal und nimmer!" war für uns bereits entschieden: Für meinen Freund Dieter und für mich galt "einmal und immer", während es für unseren weiblichen Part jeweils das erste Mal war, eine solche Reise mit dem Auto zu machen.

Allerdings hatte Johanna bereits einige Zeit in Schwarzafrika gelebt und kannte deshalb das Leben der Afrikaner, und auch Marianne konnte bereits Reiseerfahrung mit dem Dachzelt in Spanien sammeln - ganz unbeleckt war also niemand. Ich selbst reiste schon seit 1978 mit dem Landrover nach Ägypten zum Tauchen und hatte mehrere Jahre in Saudi Arabien gelebt, fast alle arabischen Länder hatte ich - meist auch beruflich -  ebenfalls bereits aufgesucht, nur eines fehlte mir noch: Und das war Marokko ...

Zwar hatte ich es 1981 schon einmal versucht, wurde aber mit einem Motorschaden in Sete (Südfrankreich) jäh gestoppt. Meinen Landy und mich beförderte der ADAC dann wieder zurück ...

Mit Dieter war ich auch bereits schon in Tunesien unterwegs gewesen und er hatte außerdem mehrmals Algerien im alten Hanomag durchquert - somit alles gute Voraussetzungen für eine solche Tour!

Die ersten Autobahnkilometer haben wir nun bereits abgespult, es geht alles noch etwas gemächlich. Dieter ist vorn und bestimmt mit dem Landcruiser  das Anfangstempo, der alte Diesel will erst richtig warm sein, bevor er seinen Hintern etwas bewegt - wir wollen ihm die Zeit geben, denn normalerweise steht er sonst fast nur in einer Scheune herum. Mein Frontera Sport Typ A rollt brav hinterher und fühlt sich trotz hoher Zuladung und 31er Reifen noch leichtfüßig an.

Den Frontera habe ich noch nicht so lange und heute vor der Haustür standen genau 115.000 km auf dem Tacho - das ist wenigstens leicht zu merken ...

Vorbereitungen ...

Natürlich war vor der Abfahrt einiges um- und einzubauen, denn werkseitig fehlt doch immer einiges, was man für eine 3 1/2 wöchige Tour so braucht. Dieters Auto war fast komplett, aber trotzdem gibt´s immer etwas zu verbessern und so werkelten wir gemeinsam in der Garage. Damit auch alles rechtzeitig fertig werden konnte, hatten wir schon 6 Wochen vor der Abfahrt mit dem Ausbau begonnen.

Also bei mir standen ein Dachträger - massiv und aus Edelstahl fürs Dachzelt - und Staukisten ganz oben auf der Liste, denn mit den Original Opel-Zierleisten kann man vielleicht ein Fahrrad auf dem Dach transportieren, aber keine 250 kg. Dann wollte ich aufgrund früherer Tourenerfahrung auf keinen Fall mehr mit Stapelkisten fahren. Alukisten sind zwar leicht und "cool", aber eine Katastrophe wenn man Ordnung halten muss. Ich erinnere mich z.B. an gemütliche Abende, nach denen man noch aufräumen musste und niemand Lust hatte, alles in die richtige Kiste zu verpacken. "Bokra Insch Allah"! sagt der Araber: Morgen, wenn Gott will, wird es schon jemand richtig einräumen und alle schönen Alukisten mehrfach umstapeln. Bereits am zweiten Tag wäre sonst das Chaos bereits vorprogrammiert ... 

Es sollte also ein genau eingepasster Schrank sein mit acht Schubfächern, die man nach hinten herausziehen kann. Der Schrank musste bei demontierter Rückbank nahe an die Rückenlehne reichen, aber noch Stauraum für das Chemieklo (bisher nie gebraucht) und andere Utensilien hinter den Sitzen bieten. Campingtisch und Stühle sollte dann noch oben drauf liegen. Schreinermäßig wurde also in leichter Rahmenkonstruktion und Fichtenbrettern der Korpus verleimt, es sollten unten nebeneinander links und rechts jeweils 2 hohe und darüber dann 2 schmale Schubkästen eingebaut werden. Damit die Schübe nicht allein heraus gerüttelt werden konnten, wurde jedem Kasten ein Riegel vorgeschoben.

Diese 8 Schubfächer beinhalteten jetzt fast alles, was wir so brauchten. Eine Palette Weizenbier, Wasser und Kühlbox fand noch hinter den Sitzen Platz. Als Küche hatte sich Dieters Idee schon früher als perfekt erwiesen: Eine Kiste aus leichtem Sperrholz mit den Abmessungen von ca. 30x 30x 50 cm, darin waren eine 5 kg Gasflasche und der Kocher untergebracht. Blieb man stehen und wollte kochen, wurde die Kiste herausgeholt: Deckel runter, Kocher raus, Deckel wieder drauf, Kocher drauf und fertig. Die Flasche blieb immer drinnen und der Schlauch wurde durch eine Aussparung im Deckel herausgeführt.

Inzwischen war auch mein Dachträger aus Edelstahl fertig verschweißt und das Riffelblech darauf geschraubt, jetzt konnte noch das Dachzelt montiert werden. Die Frauen perfektionierten es weiter, indem ein Vorzelt zum Umziehen und Waschen sowie eine seitliche Abspannbahn gegen starke Sonne genäht wurde.


Zwischenzeitlich haben wir die ehemalige französische Grenze erreicht und wir rollen weiter Richtung Besancon. Schwere Gewitter begleiten uns durch den Alsac, vorbei an Mühlhausen und Grand Ballon. Die Vorstellung, dass wir jetzt 3 ½ Wochen draußen leben ohne festes Dach, macht Johanna nach wie vor nachdenklich - aber sie vertraut mir, dass das alles kein Problem sein würde und wir perfekt ausgerüstet sind (Insch Allah! ). 

Die Autobahn ist frei und wir rollen bei klassischer Musik dahin. Zur Auffrischung meiner Arabischkenntnisse hatte ich noch ein Semester Arabisch an der VHS absolviert und nun übersetze ich schon mal alles Mögliche aus Spaß und zum Training, soweit mir die Vokabeln einfallen ...

Mein neuestes Spielzeug wird auch ständig beobachtet, es ist ein Garmin GPS 12 Gerät, das ich schon einige Zeit lang kaufen wollte. Nachdem mich meine letzten Urlaube aber nach Kanada und mehrfach nach Skandinavien bis zum Nordkap führten, brauchte ich es bisher nicht so dringend.

Im Internet hatte ich in der GPS-Rubrik vom Explorer Magazin nachgelesen, wie das so alles zusammenhängt mit Graden und Minuten, danach wurden - ebenfalls aus dem Internet - noch alle notwendigen Koordinaten geholt und als Route gespeichert, es funktionierte prima ...

Natürlich hatte ich im Net auch einige Berichte zu Marokko gelesen, und eines fiel mir dabei auf: Keiner der Reisenden verlor auch nur ein Wort über die Treibstoffversorgung im Lande. Zwei Kanister waren nun mal vorsorglich eingepackt und wir würden schon sehen ..!

Die erste Nacht im Dachzelt

Gegen 18:00 erreichen wir Lyon und steuern einen Campingplatz in der Nähe der Autobahn an, wo wir die erste Nacht verbringen wollen. Nach einem kleinen Abendessen und einer Flasche Rotwein fallen wir ins Dachzelt. "In dieser Nacht hat es ständig geregnet", sagt mir Johanna am nächsten Morgen. Im Zelt war es natürlich trocken und  warm und ihr ein großer Stein vom Herzen gefallen.

Am nächsten Morgen schon sieht alles besser aus: Sonne, kein Regen und mild bei 17°C. So geht es also nach dem Frühstück und Tanken wieder auf die Autobahn.

Wir rollen und rollen vorbei an meiner geliebten Costa Brava immer Richtung Süden. Der Toyo von Dieter ist inzwischen auch schon etwas schneller geworden und manchmal können wir sogar einen LKW überholen - sonst waren wir meist dazwischen eingeklemmt.

Spontan-Halt: Camp El Contader  ...Die zweite Übernachtung steht in Tarragona an. Früh geht es wieder weiter, wir hatten beschlossen, in Südspanien nicht am Meer entlang zu fahren, sondern von Alicante über Granada weiter nach Malaga, also durch eine Gegend, die allein bereits einen Urlaub wert ist ... 

Kurz vor Granada ein Stau auf der Straße: Als wir näher kommen, können wir es kaum glauben, da sind bestimmt 100 geschmückte Zigeunerwagen, zum Teil mit Menschen drauf, die singen und musizieren. Gezogen werden diese farbenprächtig geschmückten Wagen allerdings von Traktoren und nicht von Pferden, wahrscheinlich rollt die Kolonne zu einem andalusischen Musikfest. Ein tolles Bild!

Wir fahren soweit wir kommen, ohne uns Gedanken darüber zu machen, wo wir heute schlafen werden. Gegen Abend sind wir in einer Gebirgsgegend und sehen ein Schild zur Tankstelle El Contader neben der autobahnähnlichen Straße A 92,  also heißt es, die Gelegenheit zum Tanken nutzen. Weil es hier aber derart schön ist, wird sofort beschlossen: An dieser Stelle übernachten wir! 

Etwa 1 km neben der Straße auf einer Wiese zwischen Äckern bauen wir unser Lager auf. Nach dem Abendessen hört man Hundegebell und einen Esel vom Dorf herüber, eine kleine Einstimmung auf Marokko, jedoch mit einem Unterschied: Wir sind auf 1.130 m und es wird frisch, so dass wir uns nicht lange aufhalten und im Dachzelt verschwinden ...

Bergauf und bergab ziehen wir nun am 4. Tag unserer Reise weiter, bis wir endlich gegen Nachmittag  in Algeciras an der Fähre stehen - kaum Leute hier, das bin ich gar nicht gewohnt. Die Preisfrage, ob mit Normal- oder der Schnellfähre, ist sofort geklärt: Es ist fast derselbe Preis und die Schnellfähre wird gleich ablegen - also rein und los!

Die Überfahrt

Mit einer sagenhaften Beschleunigung braust dieses Ding los und hat im Nu 60 km/h drauf. 

Durch die Straße von Gibraltar ...Wir halten Kurs 180° und können hinter uns noch den Felsen von Gibraltar sehen. Mein GPS habe ich mit hoch genommen und bin erstaunt: Es zeigt mir an, dass wir bereits in 28 Minuten in Ceuta ankommen würden!

Mit unserer Speed von ca. 60 bis 65 km/h durfte uns jetzt aber kein Segler oder ein anderes Boot in die Quere kommen! Was auch nicht geschieht, denn nach ca. 30 min sind wir angekommen auf dem anderen Kontinent: Wir sind in Afrika. 

Die Hafenstadt Ceuta, die uns nun erwartet, steht allerdings unter spanischem Protektorat und ist eine Enklave in Marokko. Dies hat für uns den Vorteil, dass der Liter Benzin nur ca. DM 1,10 kostet - das Mitnehmen der Kanister scheint sich schon gelohnt zu haben!

Dann kommt das, was kein Reisender gerne macht: Die leidlichen Zollformalitäten.

Bereits mehrere hundert Meter vor dem Zoll kommen sehr eifrige Helfer, die nur dein Bestes wollen (=DM ). Sie bieten dir an, einen gelben Zettel für den Zoll (Carte D´Embaquement) auszufüllen und gegen ein Schmiergeld von ca. DM 20 für den Zöllner und DM 10 für sich selbst einen schnellen Durchlass (beim spanischen Zoll) zu bewirken. Das ist natürlich reine Gaunerei, denn die erste Grenze ist die spanische, also eine EU-Grenze, und für die sind wir uninteressant. 

Dann kommt der marokkanische Zoll mit einem "offiziellen Zollbeamten", er hat jedenfalls ein Dienstmärkchen an seiner Djelabah, er hat das gleiche Kärtchen in der Hand wie der inoffizielle Helfer, das er uns zum Kauf anpreist. Als wir ihm unser Kärtchen zeigen, fragt er, warum wir das gekauft hätten? Es sei nichts wert! Dabei steckt er seine Kärtchen, die er uns jetzt nicht andrehen kann, wieder ein und zerreißt unseres demonstrativ - da ist ihm schon ein anderer "Helfer" zuvor gekommen. 

Also Warnung an alle Selbstfahrer - nichts bezahlen!! Die Durchfahrt ist (außer einer Versicherung, die man freiwillig für das Fahrzeug bezahlen kann) kostenlos, hinterher wird man sowieso wegen Bakschisch bedrängt. Diese Versicherung kann man sich sparen, wenn die eigene Versicherung zuhause die grüne Karte für Marokko gültig schreibt (sollte man kontrollieren, meine war trotz Antrag nicht für Marokko gültig).

Der Rest geht dann doch sehr schnell, trotz mehrerer Schalter, an denen man sich anstellen muss ...

Kulturschock und Ankunft in Tanger ...

Es geht heraus aus dem Zoll und du stehst mitten im Chaos - die Armut schreit uns förmlich überall an. Wir fahren in den ersten Ort namens Tetouan und müssen mitten durch die Medina, hindurch zwischen all den Menschen, Tieren, Autos und was sich noch bewegt. Johanna wird ganz still und muss die Flut der Eindrücke aus Schmutz, Betriebsamkeit und Durcheinander einschließlich der fremden Gerüche und des Lärms sozusagen dreidimensional aufnehmen. 

Nach einer Viertelstunde sind wir durch und fahren erst mal die Strecke über die Berge zum Mittelmeer Richtung Tanger. Nach unserer Information soll es hier einige Campingplätze geben, eine genaue Beschreibung haben wir nicht, wir wissen lediglich, dass sich einer bei den Herkulesgrotten befinden soll. Das ist der Moment, als ich meinen ersten Arabischeinsatz habe - aber die Leute schauen mich verdutzt an und antworten auf französisch. Was mich wiederum stutzig macht, da es die Sprache ist, von der ich am wenigsten beherrsche. Mit "Herkulesgrotten" können sie in keiner Sprache, die ich kenne, etwas anfangen - mit Campingplatz scheinbar schon eher und so bekommen wir den Weg gewiesen. Wir merken jedoch schnell, dass wir im Kreis herum geschickt werden. Dazu muss man wissen, dass ein Araber einen Fremden niemals ohne Auskunft stehen lässt, also bekommt man eine Richtung gezeigt und der Weg wird schon stimmen - Insch Allah!

Im Camp in Tanger ...Hierüber vergeht die Zeit und es wird schnell dunkel, was uns etwas verwirrt in all diesem Trubel, es ist Freitagabend - Familienausgehtag. Auf einer der Hauptstraßen mitten im Menschengewimmel sehen wir plötzlich ein Schild "Camping" - dem folgen wir, hinein in ein Altstadtviertel im Westen der Stadt, es wird immer enger und irgend wann kann man nicht einmal mehr wenden, bis wir schließlich vor einem eisernen Tor stehen. Kurz einmal gehupt und "Sesam öffne dich": Das Tor geht auf und wir glauben, wir fahren hinein ins Paradies! 

Sofort die Türe wieder zu und ein freundlicher junger Araber in einer Livree ruft uns zu "Merhaba" (Willkommen). Er zeigt uns, dass wir ihm folgen sollen. Über mehrere Serpentinen führt uns der Weg hinunter  zu einem Hotel mit wunderbaren, in Terrassenform angelegten Stellplätzen. Es duftet nach allerlei, das wir nicht auseinander halten können - trotz der Dunkelheit, die sich mittlerweile ausgebreitet hat, sieht man natürlich deutlich den starken Baumbewuchs, unter dem wir stehen - es sind hauptsächlich Palmen und Eukalyptusbäume.

Der Kellner vom Hotel, ein junger Mann, erschlägt uns fast mit seiner Höflichkeit und weist uns in alles wichtige ein: Er erklärt uns WC, Dusche, Licht und was wir sonst noch wissen sollten, bevor er sich schließlich in den Garten auf eine Hollywoodschaukel legt, wo er die Nacht zubringt.

Inzwischen, nachdem es jetzt ruhig geworden ist, fällt uns auch das wieder ein: Wir müssen die Uhren um zwei Stunden vorstellen. Wir bemerken, dass hier alles sehr dunkel und ruhig ist in diesem Hotel,  nur draußen hinter einer sehr hohen Mauer, über die wir von oben schauen können, ist lautes Leben; da feiern Leute eine arabische Hochzeit mit Trommeln und Geigen und die Frauen schrillen mit ihrem Zungenschlag dazu ...

Frühstück in Tanger-Camp ...Über uns in den Eukalyptusbäumen sind komische Geräusche zu hören, die ich nicht kenne, und immer huscht etwas über unsere Köpfe hinweg. Das einzige, was ich erkennen kann, ist, dass es sind mindestens zwei sind, aber was? Mit einer starken Taschenlampe wird es aber schnell klar: Es sind zwei sehr schöne und große, weiße Eulen, die hier umherfliegen. Jetzt ist alles klar und schnell fallen wir in einen seligen Schlaf.

Am nächsten Morgen ist es bereits warm, so ca. 20°C, wir frühstücken in aller Ruhe, bevor wir uns noch etwas umschauen und bezahlen. Wir waren wirklich die einzigen Gäste hier, die Anlage Miramonte steht angeblich unter deutscher Leitung. Dann sind wir wieder draußen im Getümmel und finden den Weg nach Rabat an der Atlantikküste sehr schnell.

Hier draußen, ca. 15 km außerhalb der Stadt, nahe beim Airport, liegen auch die gesuchten Campingplätze, selbst die Herkulesgrotten sind ausgeschildert, beim nächsten Mal weiß man es ...

Übrigens: Tanger hat natürlich noch immer das Flair vergangener Zeiten. Hier trafen, wie man weiß, einst die Geheimagenten aller Nationen aufeinander, Schmugglerbanden und sonstige zwielichtigen Gestalten tummeln sich an der Straße von Gibraltar.

Europa ist in Sichtweite und krumme Geschäfte wie Menschenschmuggel sind noch immer an der Tagesordnung (Schlauchboote nach Spanien usw.) ...


© 2002 Walter Troll