Fliegen im Ausland: Von Marrakech nach Zagora

Über einen "Nicht-Flug" in Marokko ...


Nachdem ich eine Privatpilotenlizenz (PPL) besitze, wollte ich im Jahr 2000 auch einmal in meinem Lieblingsland Marokko fliegen: Allzu viele Möglichkeiten dazu gibt es allerdings nicht, fliegen wurde zu Zeiten König Hassans mit Misstrauen gesehen und auch heute noch hält man selbst einen im Land wohnenden deutschen UL-Piloten der Spionage für Algerien verdächtig ...

Die Lizenz zum "Nicht"-Fliegen ..?  ;-))Ich fand heraus, dass es sowohl in Casablanca als auch in Marrakech Fliegerclubs gibt, wo man Maschinen mieten kann. Mein Plan war, von Marrakech aus über den Hohen Atlas bis nach Zagora zu fliegen, dort zu übernachten und dann wieder zurückzukehren. Und natürlich wollte ich selbst und allein fliegen. 

Schon von zu Hause aus rief ich den Aéro Club Royale in Marrakech, Tel. 024 - 44 77 64, an und erkundigte mich nach den Bedingungen. Kein Problem, wie alles in Marokko, sagten mir die freundlichen Leute am Telefon. Ich sollte 4 Passfotos, eine bestätigte Kopie der letzten Logbookseite sowie eine Kopie der Passseite mit den persönlichen Angaben vorher einsenden, dann würden sie die Anerkennung meiner Lizenz vom Ministry of Transports in Rabat, Division de l'Aéronautique Civile, anfordern.

Ich kam also frohen Mutes in Marrakech an, im Gepäck ein Headset und meine uralten TPC-Karten, die ich immer für Pistenfahrten mit GPS benutzt hatte. Der Aéro Club Royale befindet sich in Marrakech direkt am Menara Airport, im hinteren, militärischen Teil, denn auch der Club gehört zum Militär. Der Eingang wird von einem Soldaten bewacht, ich musste meinen Pass bei ihm abgeben. Im Büro konnte sich zunächst niemand an mich und meine Papiere erinnern.

Erst nachdem ich auf meinem Anliegen bestand, fanden sich in einer Schublade meine verstaubten Kopien, von einem offiziellen Stempel allerdings keine Spur. Es hieß, man wolle warten, bis man genug Anträge zusammen hätte, dann würde man einen Mitarbeiter nach Rabat schicken. Nun, so lange wollte ich nicht warten. Ich schickte also einen Freund mit etwas Kleingeld nach Rabat, der sich besser als ich im Behördendschungel auskennt, und hatte doch tatsächlich nach zwei Tagen die ersehnte Anerkennung.

Die Wartezeit nutzte ich, gemeinsam mit meinem Instructor Mohamed Nfaoui die Maschine und das Umland kennen zu lernen. Als erstes fragte ich nach einer aktuellen Karte, aber Mohamed zeigte nur auf seinen Kopf: da sei alles drin. Im Büro fanden sich später die gleichen TPC-Karten, die ich hatte, nur noch ein wenig älter. Und Headsets, nein, die verwendeten sie nicht. 

Der Flug um Marrakech herum war atemberaubend: Ja, die Landschaft auch, aber mehr noch das abenteuerliche Fliegen. Der Internationale Flugplatz Marrakech besitzt kein Radar, deshalb muss man sich alle paar Minuten melden und den Standort durchgeben. Und das in einem kaum verständlichen Französisch, mit Englisch haben sie es hier nicht so ...

Über der Stadt ... ... Marrakech ...

Nun sollte meinem Flug über den Hohen Atlas eigentlich nichts mehr im Wege stehen. Doch der Instructor war nicht sehr glücklich, mich allein über die Berge fliegen zu lassen: Der Djebel Toubkal ist etwa 13.000 ft hoch, aber die Maschine mit nur 140 PS konnte lediglich bis zu einer Höhe 9.000 ft steigen, also musste man den Passstraßen und Tälern folgen. Und auch die Hitze im Juni war ein Faktor. 

Wir hatten eine ziemlich lange Diskussion, bei der ich ihn auch fragte, warum ich überhaupt erst die Anerkennung besorgt hatte, wenn er mich doch nicht allein fliegen lassen wollte. Mit ihm als Instructor neben mir hätte ich das nicht gebraucht. Schlussendlich, nach langem Hin und Her, willigte ich also ein, dass er mitkommt, würde so ja auch mal die Hände frei haben, um Fotos zu machen. Morgen um 7:30 Uhr sollte es losgehen nach Zagora, der Flugplan wurde eingereicht, die Vorfreude war groß. Genügend Geld zum Bezahlen wurde gewechselt, Hotel und Transport in Zagora organisiert und was sonst noch alles zu tun ist.

Vereinzeltes Grün und ... Zaouia Sidi-Abdallah-Ben-Sassi, 15 km vor Marrakech ...

Am nächsten Morgen am Tor sagte der Soldat zu mir, die Flugschule sei geschlossen. Ich schaute ihn an wie ein Auto und wollte es nicht glauben. Er ließ mich durch, damit ich mich selber überzeugen konnte. Und richtig: Alles war leer, verlassen und abgeschlossen. Ich löcherte den Soldaten, warum und wieso? Er meinte nur "bad weather". Sieben Sonnen lachten am Himmel. Nach einer Weile tiefschürfender Diskussion rückte der Soldat endlich mit der Wahrheit heraus: Der König war in der Stadt, und wenn der da ist, sind keine Privatflüge erlaubt!

Das also war dann mein Flug nach Zagora ... 

Epilog

Ein Jahr später wollte ich zumindest noch mal einen kurzen Flug über Marrakech machen und ging wieder zur gleichen Flugschule: Diesmal erinnerte man sich sehr genau an mich, auch dass ich seinerzeit nicht zu meinem Flug nach Zagora aufbrechen konnte. Der damalige Instructor war nicht mehr da, es hieß nur "er ist weg", mehr konnte ich nicht herausbekommen. Aber immerhin erzählten sie mir nun die ganze Story: Die Geschichte mit dem König stimmte, aber der Instructor war damals sehr wohl in der Flugschule gewesen. Er hatte sich allerdings verrammelt und verriegelt, weil er Angst hatte, mir mitteilen zu müssen, dass wir nicht fliegen konnten. So ein Feigling! Wäre er so mutig gewesen, sich zu zeigen, hätten wir doch einen anderen Termin machen können.

Ein Jahr später: Wieder vor Ort ... ... und der Instructor hat gewechselt ...

Und noch etwas fehlte: meine Maschine vom Jahr zuvor. Die war inzwischen abgestürzt, mit einem italienischen Piloten, den man allein fliegen ließ, der aber vergaß zu tanken ...

Meine Lust auf den großen Flug war mir vergangen, ich flog nur ein wenig in der Umgebung. Und in Zagora selbst landen? Na ja, vielleicht einmal in einem anderen Leben .


© 2007 Edith Kohlbach


Anm. der Red.: Mehr zu Edith Kohlbachs Reisen, allerdings mit dem Auto, in unserem Reisebericht