Vom Lago di Ampola zum Val Camonica

Im Ledrotal zwischen der Auffahrt zum Passo Tremalzo (N45°51´59´´ E010°38´56´´) und dem Lago di Ledro selbst liegt der Lago di Ampola (N45°52´24´´ E010°39´15´´).

Ein sehr kleiner, jedoch für den Naturfreund hoch interessanter Bergsee: Kaum zu glauben, dass dieses geschützte, aber mit Stegen auf vorgeschriebenen Pfaden erschlossene Naturschutzgebiet vor wenigen Jahren noch schnöden Badefreuden diente. Es wurde 1986 als eines von insgesamt 67 Gebieten zum "Biotop von Landesinteresse" ernannt und erfolgreich renaturiert. 

Eine ehemalige Disco am Südufer des Sees dient nun als Dokumentationszentrum für das Areal und an allen interessanten Stellen erklären dreisprachige Texttafeln die jeweils ökologischen Funktionen. Im Frühjahr und Sommer ist dieser See ein Paradies für den Orchideenkenner ... 

Seerosenidylle am Ampola-See ...

Wege am Ampola-See ... ... und Erläuterungen des Biotops ...

Die Einstellung zur Umwelt scheint in weiten Kreisen der Bevölkerung des Trentino sehr positiv zu sein, denn die üblichen Müllspuren neben Straßen oder an Parkplätzen sind hier sehr gering.

Am westlichen Ende des Ledrotals führt die Straße in das Idrotal. Der Lago d´Idro, den wir schon bei der "3-Seen-Tour" Italien 2001 des Explorer Teams kennen gelernt haben, ist geprägt von Stille. 

Die Natur ist sorgsam wieder hergestellt und durch ein ausgebautes Wegenetz erschlossen. Der Kontakt zur Bevölkerung - geradezu relaxte und nicht dem Touristengeschäft verfallene Menschen - ist schnell hergestellt. Der Idrosee ist - vor allem in den Abendstunden - ein Fall für Romantiker. Das sanfte Licht, das jede Erhebung behutsam modelliert, ist traumhaft ...

Vom Idrosee führt eine kleine Bergstraße über Bagolino und den Passo Croce di Domini in das Val Camonica, ein Hochtal mit wenig bekannten, jedoch um so wichtigeren frühgeschichtlichen Zeugnissen. Es liegt ca. 80 km nördlich von Brescia und ist über die atemberaubend schöne Strecke des Passes vom Lago d´Idro aus in zwei Stunden Fahrt zu erreichen. 

Auch hier ist eine Pause an den Bächen oder in den Höhen die richtige Wahl. Als Ausgangspunkt für Wanderungen bietet sich der Pass ebenfalls an: Die Höhenlage und die klare Luft verleiten zu weiteren Ausflügen. Im Winter wandelt sich die gesamte Region zum Skigebiet - zu unserer herbstlichen Zeit bleiben wir von diesem Rummel glücklicherweise verschont.

An der östlichen Auffahrt zum Passo Croce die Domini ... Ausblick am Passo Croce ... Nicht NUR Natur am Passo ...

Die Passstrecke endet in der Ortschaft Breno. Im gesamten Val Camonica wurden bis heute über 350.000 Felszeichnungen entdeckt und wissenschaftlich dokumentiert. Dies ist die größte prähistorische Ansammlung an Felskunst im gesamten Europa. Seit 1979 gehört dieses Tal zum Weltkulturerbe der UNESCO. In Capo di Ponte, der größten Ortschaft im Val Camonica, gibt es ein Forschungszentrum zu den in der sogenannten Pick-Technik in die schieferartigen Felsen geschlagenen Darstellungen: Jagd- und Ritualszenen oder auch alltäglichen Verrichtungen, wie etwa die eines Schmiedes oder einer Person am Webstuhl. 

Etwas seltsam wirkt auf uns die Darstellung eines Elefanten: Die Mammuts waren zur Zeit der Entstehung der ersten Zeichnungen schon lange ausgestorben. Eine Möglichkeit könnte sein, was allerdings nur reine Spekulation ist, dass vielleicht einige Menschen des Tales den Tross von Hannibal sahen, wie er mit seinen Kriegselefanten in Richtung Italien zog. Dann müsste es sich bei der betreffenden Zeichnung um eine der jüngsten Darstellungen im Val Camonica handeln. Aber hierüber werden sich sicherlich schon einige Archäologen Gedanken gemacht haben ...

Die Zeichnungen sind weitgehend sehr abstrakt: Das "Zeichenblatt" stellten die vielen, durch Gletscherbewegungen in den Eiszeiten glatt geschliffenen Gesteinsblöcke dar. Die einzelnen Motive wurden mit Stein- oder Bronzehammer in die glatte Oberfläche einpunziert.

Vorgeschichtliche Pick-Zeichnung ... ... und Rekonstruktion in der Nähe ...

Zwar kann man viele der Einzeldarstellungen erkennen, jedoch liegen über deren Bedeutung in der Gesellschaft der damaligen Bevölkerung bis heute noch keine genauen Erkenntnisse vor. Es ist anzunehmen, dass sich der geistige Hintergrund für die Anfertigung der Ritzzeichnungen mehrfach geändert hat, denn eine Zeitspanne von ca. 8.000 v.Chr. bis ein paar Jahrhunderte n.Chr. ist zu groß, als dass sich ein Denkmodell unverändert hätte erhalten können. Die meisten Zeichnungen gehören in die Epochen der späten Bronze- und der Eisenzeit, also etwa in das erste Jahrtausend vor der Zeitenwende.

Vorgeschichtliche Rekonstruktion am Lago di Ledro ...Im oberen Bereich des historischen Areals sind auch Felszeichnungen zu sehen, wie man sie aus Südfrankreich oder Nordafrika kennt. Leider können wir uns nicht zu den Feldwänden mit diesen Zeichnungen vorkämpfen, da etwa ein bis zwei Monate vor unserem Besuch ein fürchterlicher Sturm den Wald mit seinen vielen Kastanien in ein fast undurchdringliches Wirrwarr von geborstenen Ästen und Stämmen verwandelt hatte. Verloren erscheinen da die zwei Waldarbeiter, die mit Äxten und Motorsägen Ordnung in das Desaster bringen sollen. Wir jedenfalls geben nach einer halben Stunde Kriech- und Kletterarbeit auf: Das Durchkommen zu den Felswänden wäre einer sportlichen Höchstleistung nahe gekommen.

Am Tag unserer Abfahrt erleben wir noch den Stromausfall, der in ganz Italien für Chaos sorgt: Glücklicherweise verfügt die Küche des Hotels Sport in Pieve di Ledro über einen Gasherd, so dass für warmen Kaffee gesorgt ist. Leider betrifft der Stromausfall nicht die Mautstellen und so müssen wir bei der Rückreise erneut unseren Obolus zum Straßenbau der Italiener erbringen ...

Für einen Kurzurlaub - wir waren lediglich fünf Tage dort - ist das Gebiet ideal: Selten lassen sich so viele  unterschiedliche Eindrücke auf engstem Raum gewinnen. Vor allem von denjenigen, die mit einem geländegängigen Fahrzeug unterwegs sind und sich für die Vorgeschichte der Region interessieren. Ach ja: Unser Jeep Wrangler erwies sich übrigens als ideales Erkundungsfahrzeug für dieses Gebiet!


© 2003 Text / Bilder Jens Plackner


Nachtrag, August ´05: Weitere Berichte von Jens Plackner führen uns auf die Kanarischen Inseln sowie nach Spanien, Frankreich und Ungarn: