Mi 10.09.03: Zurück ...

Die Straße 917 soll uns heute wie damals nach Egilsstaðir zurück bringen. Erneut also über Islands höchsten Pass - die damalige Fahrt ist noch in bester Erinnerung. Da allerdings das Wetter deutlich besser ist als vor 6 Jahren, bereitet die Passüberquerung heute ein erheblich größeres Vergnügen als damals und ein mulmiges Gefühl kommt diesmal gar nicht erst auf.

Wieder hält der Pass nach dem Abstieg eine Entlohnung bereit: Der Anblick der östlich der Jökulsá á Fjöllum verlaufenden Jökulsá á Dal, die sich hier in breiter Front malerisch ins Meer ergießt, beschert uns auch heute ein fantastisches Erlebnis ...

Fantastische An- und Ausblicke hinter Islands höchstem Pass ... Ein Verweilen lohnt hier allemal ...

In bester Erinnerung auch der weitere Streckenverlauf. Wir lesen erneut in unseren damaligen Aufzeichnungen: "Ohne Allradantrieb geht es weiter auf der Straße 917 nach Süden, leicht morastig, schmierig und glitschig ist sie hier, die Mainroad, und irgendwann passiert es dann: Der Pickup, wegen Schlaglöchern vom Fahrer am linken Fahrbahnrand gehalten, rutscht langsam aber sicher und unaufhaltsam von der Piste in erheblicher Schräglage links neben die Fahrbahn, Schreck pur, kippt er oder kippt er nicht?"

Island 2003 ...Der Punkt von damals wird wieder gefunden, die Straße sieht heute anders aus: Sehr viel höher als damals ist der Damm aufgeschüttet, die Qualität der Fahrbahn ist deutlich verbessert. Wer heute hier abrutschen würde, hätte keine Chance, den Überschlag zu verhindern - sicher ein Thema für unseren Schwerpunkt "Driving on Icelandic Roads" ...

Egilsstaðir ist nun nicht mehr weit (Karte/19), auch langsamste Fahrweise kann ein Eintreffen dort nicht verhindern. Auf dem Campingplatz des Ortes (N65.25937° W014.40982°) sammeln sich die Fährpassagiere, die den letzten Abend nicht in Seyðisfjörður verbringen wollen - nach den Erlebnissen dort vor sechs Jahren ein durchaus verständliches Anliegen!

Im Laufe des Nachmittags treffen auch unsere "Parallelreisenden" ein - die Gruppe von Rainer Seefried hat ein wahrhaft umfangreiches Programm hinter sich, von dem wir heute erste Eindrücke vermittelt bekommen. Günter schwärmt immer noch von der Zusammenarbeit mit dem isländischen Automechaniker, erzählt, wie jeder sein eigenes Werkzeug verwendet hat bei der gemeinsamen Nachtschicht zum Austausch seines Getriebes, von der perfekten Zusammenarbeit - wer wollte da nicht auch mal in Island sein Getriebe austauschen?

Angekommen: Auf dem Campingplatz von Egilstadir ... ... auch andere Heimkehrer sammeln sich hier ...

So erzählen alle auf dem Campingplatz den anderen von den Erlebnissen der letzten Wochen, manch einer freut sich vielleicht sogar, dass es nun wieder nach Hause geht ...

Mittlerweile ist es spät geworden: Neben uns sind 3 Männer mit einem Leih-Sprinter angekommen, in der Dunkelheit bauen sie völlig chaotisch hinter und neben uns ihre 3 Zelte auf. Man fragt sich, was diese drei wohl in ihrem Kastenwagen die ganze Zeit durch die Gegend gefahren haben, das Fahrzeug wurde in Deutschland vermietet und offenbar per Fähre bis hierhin transportiert.

Am nächsten Morgen wird einer von ihnen zu uns sagen, es wäre ja wohl eine "logistische Meisterleistung, in so einem kleinen Auto alles unter zu bringen" - er zeigt dabei auf unser Fahrzeug. Nun ja, einiges wird nun klar über die Maßstäbe, die hier wohl angelegt werden ...

Do, 11.09.03 - Sa 13.09.03

Der letzte Tag in Island bricht an: Früh fahren wir los in Richtung Seyðisfjörður (Karte/1), was sollen wir hier noch unnötig warten? Als der Abstieg zum Ort über die gewundene Passstraße vor uns liegt, sehen wir sie bereits - die Norröna liegt dicker und breiter als ihre Vorgängerin im kleinen Hafen des Ortes, sie wirkt mehr denn je als das wichtigste Gebäude von Seyðisfjörður.

Schon bald stehen wir in der Warteschlange: Der erste Leser kommt vorbei und outet sich als Kenner des Magazins - die Zeiten haben sich wirklich geändert im Vergleich zu vor 10 Jahren!

Schon bald sind wir wieder an Bord und beobachten der Tradition entsprechend vom Heck aus mit vielen anderen Passagieren die letzten Aktivitäten bei der Abfertigung der Fähre: Auffallend intensiv werden unten einige mit der letzten Fähre angekommene WoMos, Boote usw. mit Drogenhunden abgesucht - offenbar wirklich ein mittlerweile massives Thema hier in Island!

Die Rührung überkommt uns schließlich ebenfalls der Tradition entsprechend, als sich nach vielen Anläufen unten endlich die beiden Polizeifahrzeuge formieren, diesmal sogar vor einer zusätzlichen Reihe isländischer Privatfahrzeuge im Hintergrund: Mit Sirenen und Blaulicht wird die letzte Fähre der Saison verabschiedet - ist da etwa wieder ein hoffnungslos Sentimentaler an Bord, der sich bei dieser Zeremonie heimlich eine Träne abwischt ..?  

Die Norröna: Wichtigstes Gebäude im Ort ... Trubel an Bord: Die Rückreise beginnt ...
Drogenhund im vollem Einsatz ... ... und der schon gewohnte Abschied der letzten Fähre ...

Dabei ist es diesmal eigentlich gar nichts - wie wir erfahren haben, wurde die alte Norröna bei ihrer letzten Fahrt in ihrer letzten Saison im Vorjahr sogar mit einem Feuerwerk und der Verabschiedung durch den Bürgermeister geehrt: Offenbar sind die hoffnungslos Sentimentalen auch unter Isländern zu finden ...

Hinter uns wird Seyðisfjörður kleiner: Wohl Zeit, ein erstes Resumee zu ziehen. Wie vor 10 Jahren ist die Insel im Nordatlantik auch heute unverändert noch ein Ziel, wo es sich hinzureisen lohnt - heute wie damals hat uns Island voll in seinen Bann geschlagen. Auch wenn sich vieles in der Zwischenzeit verändert hat, so ist doch vieles davon auch von Vorteil. Anderes wird die Umwelt hier wohl dulden müssen, auch was an Zerstörung auf sie zukommt, und derartige Tendenzen werden sich wohl kaum noch stoppen lassen. Aber wir wollen heute noch nicht daran denken, und auch wir werden wohl einige Zeit nun nicht mehr auf die Insel reisen - aber wir werden aus der Ferne sicherlich verfolgen, wie es hier weiter geht. 

Für heute haben wir noch Pläne, schließlich wartet der zweite Teil unserer isländischen DCP-Exkursion - wir wollen sehen, wie weit wir uns an den "Confluence" N65° W013° vor der Küste annähern können - müssen wir die Norröna dafür etwa entführen ..?  

Wir passieren den "Confluence" und nehmen Kurs nach Süden: In der Nacht von Donnerstag auf Freitag kommen wir bei N63° W008° hinter einem Seegebiet, das sich "Rosengarten" nennt, ebenfalls schon traditionsgemäß in einen heftigen Sturm. Der erzielt allerdings mit der neuen Norröna nicht ganz die Wirkung wie noch 1997 mit dem alten Schiff - obwohl es manchen Passagieren wohl so vorkam, als führen sie einst im November 1939 auf der "Scharnhorst" ...

Wieder einmal gibt es dabei aufregende meteorologische Phänomene zu beobachten: Vom 11.09. auf den 12.09. können wir einen Luftdruckanstieg von sage und schreibe 33 mbar messen, aus den isländischen Tiefen von 990 mbar steigen wir empor auf 1023 mbar in Höhe der Shetland-Inseln ...

Wir genießen unsere letzte Fahrt auf dem Schiff dennoch: Die grottenschlechte Band, die unbequemen Hocker in der "Viking"-Bar, auf denen der Seegang immer noch spürbar ist, all das stört uns nicht mehr im geringsten. Auch dass man auf dem Schiff zwar Euroscheine los werden kann, aber nur Dänenkronen zurück erhält, kann uns nicht ärgern: Wir sind schließlich auf einem faringischen Schiff.

Nur noch rund 300 Passagiere sollen bei dieser letzten Rückfahrt an Bord sein, unsere österreichische Bar-Bekannte hat in 6 Stunden nur 180 Kronen Umsatz gemacht, wie sie berichtet. In einer Woche wird sie abheuern - auch ihr Norröna-Abenteuer ist damit zu Ende ...

Zum Eingewöhnen sehr geeignet: Zwischenstop in Løgstør ...Sa 13.09.03 - Mo, 15.09.03: Wie erträgt man nur die Rückreise?

Indem man sich vornimmt, erst einmal in Dänemark zu bleiben: In Løgstør, nicht weit entfernt von Hanstholm, erwartet uns ein angenehmer Campingplatz (N56.96282° E009.24792°), auf dem man sich erst einmal gaaaanz langsam umstellen kann - und hilfreich dabei am Hafen: Die vorzügliche Küche des Hotel du Nord mit seinem Restaurant Frederik VII an der Havnevej 38 hilft uns hinweg über den ersten Abend. 

Und morgen dann immer noch gaaanz langsam wieder weiter zurück: Schließlich gibt es da noch Zella, und auch da wollen wir uns noch eine Nacht lang trösten. Denn die letzte Strecke wird schon schrecklich werden ...


© 2004 Text/Bilder J. de Haas