Mit der Fähre durch die Schweiz?

Am Morgen geben wir Lisa den Auftrag, die optimale Route nach Fiesch im Wallis auszukundschaften. Sie fragt zurück: "Fähren vermeiden?" Hmm?? Fähren auf unserer Strecke? Wir werden zwar dem Rhein und insbesondere dem Vorderrhein fast bis zu seiner Quelle folgen, aber Fähren, hier? Nun gut, wir probieren beide Varianten aus. Mit Fähre ist die Strecke 70 km kürzer, das überzeugt, schließlich hat der Explorer genug Fährerfahrung, da wird er das in der Schweiz wohl auch noch hinkriegen ...

Es ist Sonntag in Liechtenstein und trotzdem haben auch Supermärkte geöffnet: Ein geschäftstüchtiges Ländle, es passt auch gut, denn es geht doch nichts über frisches Brot. 

Die Route führt weiter durch idyllische, etwas kurvige Landstraßen und malerische Örtchen. Den Grenzübergang in den Kanton Graubünden in der Schweiz merkt man höchstens daran, dass nun vermehrt Hinweisschilder in Räterromanisch am Straßenrand stehen.

In St. Luzisteig wird heute der erste (und nicht der letzte) Pass mit 713 m überquert. Man fährt man durch ein Fort, das einer historischen Filmkulisse würdig ist, aber immer noch  vom Schweizer Militär als Kaserne genutzt wird. Für Touristen haben die Militärs ein Militärmuseum im Angebot, das wohl überwiegend der Rolle des Pferds im Militär gewidmet ist. Wir belassen es bei diesem "Buchwissen" und halten hier nicht an ...

Durch die Weinberge bei Maienfeld und Chur führt der Weg weiter durch die Surselva entlang des Vorderrheins, immer etwas bergauf. Je höher wir steigen, um so rätselhafter erscheint uns Lisas Frage nach den Fähren. Hinter Sumvitg wird Pause gemacht - an der beeindruckende Punt Russein. Sowohl Stein- als auch Holzbrücke sind imposant, für Ingenieure ist aber wohl die Holzbrücke das interessantere Objekt, gefertigt im 19. Jahrhundert 800 Tannen ...

Maienfeld in Graubünden, wo schon die Berge grüßen ...
Punt Russein, die Steinige ... Punt Russein, die Hölzerne ...

Der Weg steigt weiter an nach Disentis/Muster, dessen  Ortsbild durch das riesige Benediktinerkloster aus dem 17. Jahrhundert beherrscht wird. Bei Disentis leitet uns Lisa zum Bahnhof von Sedrun und empfiehlt uns, nun die Fähre zu nehmen. Fähre - hier auf  1.440 m? Neben einer der Rheinquellen? Ist Lisa komplett verrückt?  Was sollen wir hier auf dem verschlafenen Bahnhof?

Nun dämmert es allmählich in den Köpfen: Mit Fähre bezeichnet Lisa offenbar einen Autoverladezug. Sie hat dabei allerdings übersehen, dass das Ganze nur ein Thema im Winter ist, wenn der Oberalppass gesperrt ist. Deshalb findet sich auch kein Hinweis auf den Fährplänen, ähh Fahrplänen. Lisa ist aber beharrlich (schon richtig rechthaberisch!): Als wir selbst losfahren wollen, meint sie: "Ihr Startpunkt liegt auf einer Fährverbindung" ...

Nahe Disentis/Muster, auf dem Weg zum Fährhafen ... am Schweizer 'Fährhafen' angelangt ...
Lisa, es hilft nichts, wir müssen rauf auf den Oberalppass ... Bergidylle pur für Zugpassagiere, Lebensgefahr für Wanderer ...

Es hilft nichts, aus eigener Kraft muss nun der Oberalppass mit 2.044 m Höhe erklommen werden: Der Weg wird - wie für Pässe üblich - immer kurviger und da es für Motorradfahrer nichts Schöneres zu geben scheint, als durch an- und absteigende Kurven zu rasen, nimmt ihre Anzahl rasant zu. Mittendrin quälen sich Womos und Busse durch die Serpentinen. Neidvoll schaut man auf den Zug, der unbehindert durch die Berge klettert. Wer glaubt, die Schweizer wären ein friedliches Völkchen, kann hier eine andere Seite von ihnen kennenlernen: Das Gelände ist fest in der Hand der Militärs, da muss man als Wanderer gut aufpassen und bekommt gleich die passenden Anleitungen auf entsprechenden Schildern dazu ...

Nun geht es hinab nach Andermatt, aber nur, damit man kurze Zeit später den Furkapass mit 2.431m hinaufkurven kann, gemeinsam mit noch mehr Motorradhasardeuren und noch mehr Womos und Reisebussen, die den Aufstieg kaum schaffen. Entspanntes Fahren sieht anders aus ...

Tja, wäre Autobahnen-Geradeaus-Fahren nicht doch eine prima Alternative gewesen ..?

Der Furkapass zieht nicht nur wegen seiner Höhe und seiner Kurven unzählige Touristen an, nein auch der Rhônegletscher ist ein Touristenmagnet: Es geht zu wie auf dem Rummel. Das muss man sich nicht antun. Aus sicherer Entfernung sieht man den Ursprung der Rhône, von dem Fluss, der uns den größten Teil der weiteren Tour begleiten wird.

In Gletsch hätte man noch die Wahl, auf den Grimselpass mit 2.165 m zu fahren. Der Explorer ist aber kein Motorrad und dem Fahrer reichen heute noch die Kurven hinab nach Fiesch auf 1.030 m, wo der ganzjährig geöffnete Campingplatz Eggishorn inmitten der 4.000er des Wallis auf die Reisenden wartet ...

Wo die Rhône entspringt ... Der Furkapass: Kurven satt ...
Endlich am Ziel, Camp Eggishorn ... Und die einen sind im Schatten, und die anderen sind im Licht ...

Es ist Ende September, deshalb wird es trotz des guten Wetters schon früh recht kalt (5° C), denn die Sonne verschwindet bereits lange vor dem offiziellen Sonnenuntergang um 19:30 Uhr hinter den Bergen. Der Campingplatz ist gut belegt, aber wer keinen Strom braucht, darf sich abseits auf die Wiese inmitten von schönen Bäumen stellen. Hier kann man das wohl verdiente "Ankommstbier" inmitten eines atemberaubenden Panoramas genießen ...


© 2011 Text/Bilder Sixta Zerlauth