Glück im Unglück: Die Canon Legria FS-406


Klein, aber oho!Das Wetter auf Fuerteventura ist bescheiden, Sturm und 12° C, da kann man nur  zur jährlichen Sichtung der Überreste der American Star fahren, trotz Flut. Ein weiterer Termin bei Ebbe ist ja bereits einige Tage später eingeplant.

Die Playa de Garcey ist leer, der Rest des Bugs der American Star schaut noch aus den Wellen der Flut heraus. Schnell wird die bewährte Videokamera JVC GR-D360E herausgeholt und eingeschaltet, alles ist vorbereitet: Die Akkus sind frisch gefüllt, Polfilter und Puschel für das Mikrofon sind montiert, Bandkassetten liegen bereit.

Doch dann, eine merkwürdige Meldung im Display: Einheit im Sicherungsmodus 06. Batterie bzw. Strom neu anschließen. Es folgt das übliche Programm: Akku raus, Akku rein, anderen Akku rein, Band raus - oh - die Kassette hat Bandsalat. Ist das die Ursache? Also, nächste Kassette rein und alles wiederholt sich: sowohl die Meldung als auch der Bandsalat. Das Ganze nun mit der Reinigungskassette, auch sie wird zu Salat verarbeitet ...

Sollte nun erstmalig seit dem Helikopterflug über das Wrack im Februar 2007 keine Videodokumentation zum Verfall des Wracks mehr erstellt werden können? Warum muss die Kamera gerade jetzt ausfallen? Eine Reparatur hier vor Ort ist unmöglich. Verzweifelt wird die Lumix DMC-FS3 im Videomodus auf das Meer gerichtet. Doch das ist keine Lösung und damit wollen wir uns nicht zufriedengeben.

Eine neue Kamera muss ganz schnell her für den Besuch bei Ebbe - doch woher? Puerto del Rosario hat sich im Laufe der Jahre zu einer "echten" Stadt entwickelt, da müsste es doch so etwas wie einen Mediamarkt geben. Das Industriegebiet am Rande der Stadt ist schnell gefunden und dort ist tatsächlich zwischen jeder Menge Bau- und Möbelmärkten auch ein großer Elektronikmarkt: Die erste Stufe des Glücks ist erreicht.

In der Fotoabteilung stehen auch eine Reihe von Videokameras verschiedenster Hersteller wie Sony, Samsung, Panasonic, Canon, NoName usw.

Da es zwingend eine der hier angebotenen Kameras werden muss, hilft bei der Auswahl nur ein halbwegs systematisches Vorgehen. Beratung entfällt, denn das freundliche Verkaufspersonal kann kein Englisch oder sonst irgend eine Fremdsprache.

Da Mitbringsel von den Kanarischen Inseln nach Deutschland nicht den Zoll-Regelungen für die EU unterliegen, darf unsere Kamera den Betrag von 430,- EUR nicht überschreiten, denn wir haben keine Lust auf den ganzen bürokratischen Akt inkl. Steuern und Gebühren. Zum Glück gibt es nur eine sehr unhandliche Kamera über diesem Limit ...

Erste "echte" Anforderung: Ein Sucher muss vorhanden sein und schon folgt der erste Rückschlag, keine einzige Kamera hat einen Sucher. Das ist für den Einsatz hier draußen wirklich von Nachteil, denn auf keinem Display kann man bei Sonne am Strand wirklich sehen, was man filmt. Hilft nichts, wir müssen die Kröte schlucken. Als nächstes scheiden alle Kameras aus, die über keinen Wechseldatenträger à la SD-Karte verfügen. Die Auswahl wird schon überschaubar.

Einfache BedienungNun wird das Vorhandensein eines Bildstabilisators zum Kriterium und schon engt sich die Produktpalette weiter ein. Die Akkulaufzeit ist leider nicht bei allen Modellen feststellbar und deshalb kein Kriterium. Überall, wo etwas angegeben wurde, lag die Laufzeit im Aufzeichnungsmodus bei über 90 Minuten, das muss reichen.

Als nächstes scheiden Kameras aus mit optischem Zoom kleiner 30-fach (das digitale Zoom kann man vernachlässigen, denn es ist nicht wirklich brauchbar). Es bleiben nur noch ein paar Leichtgewichter in der engeren Wahl. Dann wird getestet, wie die Kamera in der Hand liegt und ob man Aufzeichnungsknopf und Zoomregler leicht bedienen kann.

Das Problem bei diesen kleinen Kameras ist tatsächlich das geringe Gewicht: Hält man sie in der Hand, neigt man eher zum Wackeln und bei Wind  hilft auch kein Stativ, um die Kamera ruhig auf das Motiv zu halten, denn jede kleine Böe haut Stativ mit Kamera einfach um. Bei diesem Test zeigt sich auch, wie entscheidend die Position des Akkus ist, damit die Kamera ausgewogen in der Hand liegt ...

Ein Stativ kann man zum Glück an alle übrig gebliebenen Kameras schrauben, aber keine hat ein Filtergewinde, also Pol-Filter Ade!

Dann werden alle aussortiert, deren Mikrofon nicht "bepuschelt" werden kann, da Hersteller wie z.B. Sony zwischen den winzigen Mikros noch eine LED für Beleuchtung eingebaut haben. Die Auswahl wird jetzt sehr klein, nun ist entscheidend, wie einfach sich Akku und SD-Karte wechseln lassen.

Übrig bleibt die Canon Legria FS406 in silber oder in rot inklusive Tasche und 4GB SD-Karte zu ca. 200 EUR (Stand Puerto del Rosario, 02/2012). Noch ein paar schnelle SD-Karten in den Warenkorb und ab zur Kasse: Die zweite Stufe des Glücks ist erreicht.

Auf Papier gibt es ein Kurzhandbuch, denn das richtige Handbuch liegt nur auf CD vor, und wir haben keinen PC dabei. Aber die Kurzanleitung reicht.

In gut zwei Stunden ist der Akku voll, das geht auch ohne den Generator in unserem El Cotillo Apartamentos ...

220 Minuten Laufzeit im Aufzeichnungsmodus werden angezeigt, das gefällt. Die ersten kurzen Filmversuche machen Mut, die dritte Stufe des Glücks ist erreicht - American Star, wir kommen!

Nun zu den Hardfacts:

  • 280 g inkl. Akku und SD-Karte.
  • Unterstützung der Speicherung auf SD-, SDHC- und SDXC-Karten, wir empfehlen, mindestens Class 4 Karten zu verwenden. Die Class ist auf den Speicherkarten aufgedruckt.
  • 37 x optischer Zoom.
  • 41 x Advanced Zoom (hierbei wird ein kleinerer Bildausschnitt auf dem Sensor aufgezeichnet, dadurch entsteht der Eindruck der Vergrößerung, die Bildqualität bleibt unverändert gut).
  • 2000 x digitaler Zoom (hierbei wird ein Bildausschnitt auf dem Sensor softwaremäßig vergrößert, es werden weniger Pixel für die Auflösung verwendet, deshalb leidet die Bildqualität).
  • Objektiv umgerechnet auf Kleinbildformat 4:3 ca. 50 mm - 1800 mm.
  • Integrierte Objektivabdeckung - beim Einschalten klappt die Abdeckung weg, man hat keinen extra Deckel, den man abnehmen und irgendwie verwalten muss.
  • Automatik und manuelle Betriebsmodi. Die Automatik hat bis jetzt gereicht, aber es ist sinnvoll, dass man auch Blenden, Belichtung usw. manuell einstellen kann.
  • Variable Aufzeichnungsmodi. Mit SP (Short Play, Standard) kann man auf 4 GB ca. 1 h 20 m Videos aufzeichnen, bei LP (Long Play - reduzierte Qualität) kann man die Aufzeichnungsdauer auf ca. 2 h 30 m verlängern, bei XP (erhöhte Qualität) reichen 4GB nur für ca. 50 Minuten aus. Wir  finden SP für den Alltagsgebrauch vollkommen ausreichend. Zusätzlich kann man noch das Format 4:3 bzw. 16:9 auswählen.
  • Gegenlichtausgleich und Programme für schwierige Belichtungsbedingungen wie Schnee, Sonnenuntergang usw.
  • Auslöseknopf für Fotos (1024 x 768), das Format der Fotos ist nicht änderbar, reicht aber für Schnappschüsse aus.
  • Selbstauslöser - für Fotos brauchbar, aber für Videos? Da kann man doch den unbrauchbaren Teil einfacher wegschneiden ...
  • 6,7 cm LCD Monitor, kann insgesamt um 270° gedreht werden, die Hintergrundbeleuchtung kann per Knopfdruck eingeschaltet werden, das ist praktisch und bringt bei greller Sonne ein wenig mehr Sicht, ein Sucher wäre aber trotzdem praktischer.
  • Bildstabilisatoren (Dynamisch, wenn es mal mehr wackelt und Standard, wenn nur kleine Bewegungen ausgeglichen werden sollen). Je mehr gezoomt wird, umso ineffektiver werden die Bildstabilisatoren. Uns hat der Bildstabilisator "Dynamisch" überzeugt und er trägt sicher dazu bei, dass unser Saugstativ Delkin Fat Gecko so schön im Auto genutzt werden kann..
  • Zoomregler auf der Oberseite des Gehäuses - der Regler kann gut während der Aufzeichnung bedient werden, mit etwas Gefühl kann man die Geschwindigkeit gut regeln, wenn man im Setup-Menü die Zoomgeschwindigkeit auf Variabel (Standard) eingestellt hat. Leider werden die Bilder hin und wieder während der Zoomfahrt unscharf.
  • Einfache Menüsteuerung per Mini-Joystick, die Menüs sind klar und verständlich aufgebaut.
  • Einfache Abfrage des Batteriestatus per Knopfdruck.
  • Abspielfunktionen für Video und Fotos, das geht ganz einfach, viel einfacher als mit der  JVC GR-D360E mit ihrer Bandkassette. Bei der Canon werden die Szenen in einer Playlist angezeigt und können einzeln für die Wiedergabe oder auch zum Löschen ausgewählt werden. Bei der Videowiedergabe sind sogar Zeitraffer und Zeitlupe einstellbar.
  • Videos im mod-Format / Fotos im jpg-Format. Beide Formate können standardmäßig am PC verarbeitet werden.
  • Keine Anschlussmöglichkeit für externe Mikrofone, für uns kein Nachteil, das eingebaute Stereomikrofon mit Windpuschel reicht aus.
  • LED-Lämpchen zur Ausleuchtung - naja, man sollte sich nicht darauf verlassen, dass es die Szenerie tatsächlich erhellt ...
  • Standby-Funktion - ist die Kamera eingeschaltet und man schließt den LCD-Bildschirm, bleibt die Kamera im Standby-Modus und ist nach dem Aufklappen des Bildschirms sofort wieder aufnahmebereit.
  • Praktische Schnellanleitung auf Papier (reicht für den Sofort-Nach-Kauf-Einsatz vollkommen aus) und gut verständliches, ausführliches  Handbuch auf CD.
  • In die mitgelieferte Tasche kann man neben der Kamera auch gut einen Ersatzakku und Ersatz-SD-Karten unterbringen.

Übersichtliche Anordnung der BedienelementeZusätzlich gibt es jede Menge Gimmicks, die kein Mensch braucht, zum Beispiel

  • Unterstützung von Eye-FI-Karte, damit kann man Videos und Bilder von der Speicherkarte per Wifi auf einen PC oder sogar ins Internet übertragen. Wir lesen lieber die Speicherkarte direkt am PC aus und sparen uns die Zusatzinvestition von ca. 100 EUR für eine Eye-Fi-Karte.
  • Dann die digitalen Effekte wie Schwarz/Weiß-Aufzeichnung, Sepia-Einfärbung oder Fading. Das sollte man lieber in der Nachbearbeitung am PC mit einem Videobearbeitungsprogramm erledigen.
  • Musikuntermalung bei der Wiedergabe - ja man kann tatsächlich während der Wiedergabe von Videos oder Fotos Musik abspielen. Bei den Videos wird der Originalton dann ganz unterdrückt. Da stellt sich die Frage, wer bitte setzt sich vor das 6,7 cm LCD-Display und schaut sich eine musikuntermalte Video-Show an? Oder wer schließt dazu die Kamera an einen Fernseher an?
  • Die Pixela Bild- und Videobearbeitungs-Software, so etwas braucht auch niemand, denn in der Regel hat man doch seine Lieblingssoftware auf dem PC und bearbeitet dort all die Ergebnisse der unterschiedlichen Kameras. Die Kommentare der "glücklichen" Benutzer im Internet bestärken einen, die CD ganz schnell zu archivieren ...

Insgesamt hat uns die Videokamera überzeugt, das Preis-/Leistungsverhältnis ist gut, als Einsteigerkamera ist sie sehr empfehlenswert. Sie wird nach der Reparatur unserer JVC GR-D360E ihren Dienst als Zweitkamera sicher gut erledigen. In zwei wesentlichen Punkten ist sie nämlich der JVC überlegen: Wenn´s mal schnell gehen soll, ist die Canon sehr viel schneller "schussbereit" und die Übertragung zum PC  ist ebenfalls sehr viel einfacher möglich (bei der JVC nur mit der Kamera per Firewire, bei der Canon ohne Kamera per Auslesen der Speicherkarte).

Wer an einem Beispielvideo interessiert ist, kann sich das Einsatzvideo zum Saugstativ Delkin Fat Gecko anschauen ...


© 2012 Sixta Zerlauth