Lausitz 2016:

Ein Bremach und Iveco Treffen ...     

 

Die USS VATERLAND ...

Vorbemerkung: Auf der Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau entscheiden sich immer mehr Reisewillige für ein Zwischending zwischen Geländewagen und Allrad-LKW und nehmen einen Aufbau auf Leicht-LKW. Wenn man dabei noch hohe Geländetauglichkeit und Robustheit verlangt, kommt man fast zwangsläufig zu Bremach und Iveco, mit denen man bei etwa 4-5 Tonnen landet. Auch im Fahrverhalten liegt diese Klasse genau in der Mitte zwischen den beiden oben genannten Grundformen und ein Landyfahrer muss ein wenig umlernen, wenn er mit Ivecos zurechtkommen will. Ein Neuling im Allradbereich sollte ohnehin vor der ersten Reise im Sand und auf der Piste sein Fahrzeug kennenlernen und schwierige Fahrsituationen üben.

Zu diesem Zweck gibt es seit 2012 ein zweitägiges Fahrtraining für Bremach- und Ivecofahrer auf dem Gelände der Braunkohlenreviere in der Lausitz. Oliver Bothe hat mit seinem Unternehmen Expedition Lausitz - Abenteuer im Tagebau Zugang zu den für öffentlichen Verkehr gesperrten Bereichen des Tagebergbaus und macht diese Touren schon viele Jahre – meistens mit normalen Geländewagen. Einmal im Jahr lädt er Fahrer und Fahrerinnen der Bremachklasse ein und für große LKW gibt es ebenfalls eine Sonderveranstaltung. Mischen kann man die verschiedenen Gewichtsklassen wohl auch, aber dann wäre der zu wählende Parcour nicht für alle Teilnehmer optimal ...

Unterwegs im Tagebau ... Vorher: Kohleabbau ... ... und nachher: Kulturlandschaft mit Weinberg ...

Die Zukunft des Braunkohletagebaus in der Lausitz ist dieser Tage gerade hochaktuell: Einerseits gilt dieser Rohstoff zur Energiegewinnung als besonders schädlich für die CO2-Bilanz und Deutschland will sich mittelfristig ganz von den fossilen Rohstoffen abwenden. Auf der anderen Seite wenden wir uns aber auch von der Kernenergie ab und schaffen für die Windkraftwerke mit der 10H-Regel zunehmend höhere Hürden. Die Wasserkraft ist in Deutschland auch nicht mehr viel weiter ausbaubar und die Photovoltaik hat ihre umweltunschädliche Gesamtbilanz noch lange nicht bewiesen. Woher wollen wir dann also in der Zukunft unseren Strom beziehen? "Aus der Steckdose" lautet die einfachste Antwort des deutschen Michel.

Tatsache ist, dass der Braunkohleabbau in dem Gebiet etwa 100 km südlich von Berlin seit 4-5 Generationen betrieben wird und schon heute ein riesiges Terrain geschaffen hat, das nach Abbau der Kohle nun aussieht wie eine Sandwüste. Langsam wird daraus wieder eine Natur- und Kulturlandschaft geformt mit tiefen Seen, verbindenen Kanälen, dazwischen Wäldchen und Ackerland, versuchsweise sogar mit einem Weinberg an künstlich geschaffener optimaler Hanglage. Bis diese Retortenlandschaft allerdings fertig ist und den Berliner Bürgern ein riesiges Naherholungsparadies bietet, darf ohne Schaden an Natur und Umwelt und ohne schlechtes Gewissen darin gebuddelt, geschoben und auch gefahren werden ...  


Es geht los: Auf nach Lauchhammer!

Anfang Mai 2016 treffen sich die mittelgroßen Expeditionsfahrzeuge mittlerweile zum fünften Mal, für mich ist es nach 2012 die zweite Teilnahme. Da sein kleiner Unimog noch nicht fertig ist, verzichtet mein "bewährter Reisefreund" Martin auf eine eigene Teilnahme und begleitet mich im Bremach. Das ist auch wesentlich bequemer für ihn, fährt sich der T-Rex doch deutlich leiser und sanfter als ein Unimog und schlafen darf er wie immer in der Königinnenloge ganz im Heck, dem Vorzugsplatz meiner komfortbewussten Frau ...

Bei dichtem Autobahnverkehr und nach mehreren kleinen Staus dauert es am heutigen Christi Himmelfahrt einen ganzen Fahrtag, um von Südbayern über Würzburg bis nach Dresden und 60 km weiter in den Norden nach Lauchhammer zu kommen. Der dortige Offroadpark Nordring ist unser Treffpunkt, wo schon das Abendessen und ein Lagerfeuer auf uns Spätankömmlinge wartet. Manche bekannte Gesichter von früheren Treffen warten auf uns, andere Teilnehmer kenne ich nur namentlich vom VierMalVier-Forum. Die nachfolgende Allradgeneration ist ebenfalls vertreten mit berühmten Automarken wie etwa dem legendären "Bobby-Car" ...

Ankunft bei Jeep und Bobby-Car ... Am Lagerfeuer ...

Der erste Fahrtag beginnt mit einer Rundfahrt im Pulk über das Gelände des 4x4 Adventure Clubs Lauchhammer e.V. mit allerlei Buckeln, Mulden und Schräglagen. Oliver Bothe hat einen sehr spannenden Trial durch den Wald gesteckt, der mit unseren größeren Wendekreisen gerade noch - aber äußerst schwierig - zu meistern ist. Auch ich ecke da und dort mal an, was zu Strafpunkten führt. An einer kurzen Steilrampe bergauf bleibe ich plötzlich hängen. Mehrere Versuche ergeben das gleiche Bild: Die Vorderachse dreht staubaufwirbelnd durch, während sich die hauptsächlich belasteten Hinterräder nicht bewegen. Wie das? Die Zentralsperre ist doch drin, beide Achsen sind damit gegeneinander gesperrt. Aber offensichtlich stimmt das nicht. Was ist hier defekt ..?

Bei meinem Wagen werden Zentralsperre und Untersetzung elektrohydraulisch betätigt: Also ein Schalter am Armaturenbrett gibt die 12 Volt Bordspannung an ein Hydraulikventil, dieses betätigt einen Hydraulikzylinder und der wiederum legt den entsprechenden Hebel am Verteilergetriebe um, schaltet also die Sperre. Nun schaltet er aber nicht!

Trial durch den Wald ... ... und staubaufwirbelnde Vorderräder Wieso startet das Ding nicht ..?

Auch die Kontrollampen von Sperre und Reduktion sind ausgefallen. Aha, wohl ein elektrisches Problem, also Sicherungen überprüfen. Leider enthält der Sicherungsplan keinen Hinweis auf die Funktion "Elektrohydraulik" oder "Sperre". Die italienischen Hersteller haben gemurkst, haben den Stromkreis offenbar auf irgendeine andere schon vorhandene Sicherung gelegt, dies aber nicht dokumentiert. So muss ich alle Sicherungen ziehen und überprüfen, bis ich - wie immer - erst bei der vorletzten Sicherung fündig werde, Bezeichnung "Nebenantrieb Motor". Tatsächlich, nun leuchtet das Lämpchen wieder und die Sperre funktioniert ...

Ein weiterer mysteriöser Ausfall stört den reibungslosen Ablauf: Jürgens Iveco 40-10 aus der alten Serie mit elektronikfreiem Turbodiesel-Direkteinspritzer und Verteilereinspritzpumpe geht mittendrin plötzlich aus und lässt sich nicht mehr starten trotz ausreichender Anlasserdrehzahl. Das kann bei den einfachen alten Motoren im Regelfall nur eines bedeuten: es kommt kein Diesel im Zylinder an. Dass der Tank leer gefahren ist, kann man hier mal ausschließen und deshalb gibt es nur zwei mögliche Ursachen: Luft im System (also entlüften) oder das Dieselsperrventil öffnet nicht. So einfach ist das - im Prinzip.

Trotzdem muss der Kfz-Meister Jürgen einige Zeit suchen, bis er die Ursache als elektrischen Defekt erkennt: das Sperrventil hat keine Spannung trotz intakter Sicherung. Ursache hierfür war ein Defekt am Zündanlassschalter, der später behoben wurde. Vielleicht auch für andere interessant: Es trat trotz des geschlossenen Ventils beim Entlüften Diesel an den Einspritzleitungen aus (wenn auch weniger als normal), was erst einmal von dem Ventil ablenkte.

Und ich habe als Zuschauer und Fotograf der Aktion wieder etwas gelernt. Leider sind diese einfachen Regeln und Erfahrungen nicht übertragbar auf unsere T-Rex Systeme mit modernem Euro 4 bis 5, aber schwer durchschaubarer Motorsteuerelektronik. Früher war eben alles besser - auch die Sauriere!

Nach dem Mittagessen geht es endlich in den Tagebau: Für den ersten halben Fahrtag hat Oliver den seit Jahrzehnten stillgelegten Tagebau Klettwitz ausgewählt, der inzwischen schon in der Flutungsphase ist. In den vergangenen 20 Jahren sind hier ohne menschliche Einflussnahme zahlreiche kleine Büsche und Bäumchen - vorwiegend Birken - gewachsen, die der ganzen Landschaft ein frisches und freundliches Gesicht geben und mancherorts ein wenig an die skandinavische Tundra (ohne Bäume) bzw. Taiga (mit Bäumen) erinnern ... 

Anfahrt zum ehemaligen Tagebau ... Sandspiele erlaubt! Zur schönen Aussicht ...
Runter kommen sie alle ... ;-)) Man beachte: nicht aufgesteilt ..! ;-)) Hoppla, Sand im Weg!
Man seilt sich voran ... Das Vorderrad hat etwas abgekriegt ... ;-((

Anstrengend geht es bergauf, notfalls mit fremder Hilfe, danach gewagt bergab, in Vertiefungen, die in der Zukunft einen Seegrund bilden werden, und schließlich über eine Buckelpiste, die manchen fahrerischen Leckerbissen bereit hält. Aber auch Gefahren lauern, wie Reto mit seinem grauen T-Rex erfahren muss, als er an einer schrägen Abwärtskurve ins Rutschen gerät, mit dem Vorderrad an der Böschung "anwandelt" und dabei die Hardyscheibe seiner Lenkung schrottet. Er kann aber noch fahren und so geht es weiter einen Sandhügel hinauf zu einem Aussichtspunkt.

Wer hoch fuhr, muss auch wieder herunter und dabei sind der Fantasie und der Experimentierlaune wenig Grenzen gesetzt: Dieses Gefälle ist für den dunkelblauen Militär-Iveco durchaus noch machbar – naja, wenn sich kein Hindernis plötzlich und unerwartet in den Weg schiebt. Die große Zahl potentieller Helfer bei einer Bergung ist der Grund dafür, dass der eine oder andere Allradler Varianten wagt, die er auf Reisen niemals versuchen würde ...

So vergehen Stunden um Stunden und irgendwann müssen wir das Spielen im Sandkasten leider beenden. Mit den langen Schatten der Abendsonne fahren wir nun wirklich wie durch eine skandinavische Landschaft unserem Nachtplatz entgegen, dem Ponyhof Terra Nova, wenige Meilen nördlich der Stadt Hoyerswerda.

Unterwegs treffen wir auf das Original-Schaufelrad einer Förderanlage, die restauriert und als Denkmal aufgestellt wurde. Dabei fällt unseren Österreichern in der Gruppe eine bekannte Geschichte aus der Spanischen Hochliteratur ein und sie bekommen Gelüste, es dem armen Don Quichote gleich zu tun: Der Salzburger Ritter, der sonst den ganzen Tag auf seinem 4x4-Esel namens "Gwenn" durch die Sandhügel kriecht, nimmt den Kampf gegen das Ungetüm auf, unterstützt von seinem Burgfräulein und zwei Linzer Knappen. Leider sieglos ...

Am Abend auf dem Platz schaut sich Jürgen, ohne den man am besten überhaupt nicht erst losfahren sollte, den Schaden an Retos Lenkung an, bestellt telefonisch das erforderliche Ersatzteil und rät zum Abschleppen in die Werkstatt nach Cottbus. Reto und Gaby müssen deshalb aus dem "Rennen" aussteigen und bis zum ersten Werktag auf die Reparatur warten. Aber sie genießen den Aufenthalt so gut es geht, verlieren nur zwei Arbeitstage und sind längst wieder wohlbehalten in Bern angekommen.

Kampf gegen das Mühlenrad, sorry, Schaufelrad ... Nichts geht ohne Jürgen!

@ 2016 Sepp Reithmeier. Fotos: siehe Berichtsende