Samstag, 09.05.15: Masse (und) Schiffe ...

Das Frühstück ist wieder ordentlich, nur der Blick nach draußen lässt nichts gutes erwarten: Der Himmel ist dunkel, es regnet, keine Spur mehr vom guten Wetter des Vortags.

Als wir unten am Hoteleingang stehen, bewahrheiten sich die Befürchtungen: Es gießt in Strömen und der Regenumhang scheint das Kleidungsstück des Tages zu werden. Doch zum Glück weit gefehlt! Kaum sind wir an unserer Haltestelle Baumwall wieder der S-Bahn entstiegen, hat der Regen aufgehört, der Umhang kann weggepackt werden und dem Bad in der Menge steht nichts mehr im Wege. Vorarbeiten elbabwärts von Schiff zu Schiff bis zum Cruise Center steht nur auf dem Plan für heute, der erst um 17:00 Uhr konkreter wird: Dann ist nämlich das berühmte "Schlepperballett" an den Landungsbrücken angesetzt, das wir keinesfalls verpassen wollen, bevor wir uns zu 19:00 Uhr wieder aufmachen in Richtung Abendessen. Im Fischerhaus Restaurant am St. Pauli Fischmarkt 14 sind Plätze reserviert. Den Abend beschließen soll um 22:30 Uhr das berühmte AIDA-Feuerwerk, zu dem wir die AIDAbella erwarten.

Angekommen am Sporthafen fällt bereits wieder eine Menschenschlange auf an der BRIGITTE BARDOT von Sea Shepherd - offenbar ist die Anziehungskraft dieses auffälligen Bootes auch am zweiten Tag ungebrochen. Uns dagegen spült die Menge in militärische Gefilde: Vor der Fregatte AUGSBURG ist die Schlange aber für Ungeduldige unverändert viel zu lang - auch das längsseits liegende polnische Landungsschiff TORUN der "Lublin"-Klasse wird sich später mit seiner auffälligen Bugklappe lediglich auf unseren Fotos wiederfinden ...

Mehr Fregatte AUGSBURG geht heute nicht ... Besucherschlange zu lang für Ungedurldige ... Volle Kanone: Schnellboot geht auch ... Wir. Dienen. Deutschland.
Wir helfen, wo wir können: Etwas Kunst am Tau muss sein ... Kunsthandwerk, das sich sehen lassen kann ... ... und das sofort auch ganz besonders bewacht wird ...

Auf dem Schnellboot S 72 schließlich sind wir erfolgreicher: Der Zugang zur PUMA, einem Schiff der "Gepard"-Klasse, gestaltet sich erheblich einfacher, da sich an Bord auch nicht ansatzweise so viele Besucher aufhalten wie auf der sehr viel größeren Fregatte.

Beeindruckende Waffensysteme werden aber auch hier zur Schau gestellt - insbesondere das Lenkwaffensystem sowie das respektgebietende 76 mm-Geschütz wecken das Interesse der Besucher: Klar natürlich, dass sich jeder echte Kerl hier der Reihe nach neben einem solchen Geschütz ablichten lassen muss ...

Das Explorer Team zeigt sich an Bord natürlich aufgeschlossen und hilft getreu dem Motto WIR. DIENEN. DEUTSCHLAND mit, so gut es kann: Im Gegensatz zu den eher nüchternen Verfahrensweisen auf dem benachbarten Küstenwachboot der Bundespolizei BAD BRAMSTEDT, wo die Leinen lediglich "ordentlich" ausliegen, sind an Bord des Marineschnellbootes eher "Leinenkünstler" am Werk gewesen.

Nicht nur sorgfältig, sondern geradezu beeindruckend kunstvoll sind hier die Taue ausgelegt - ist das auch ein Ausdruck des Selbstverständnisses der Truppe? Wir machen mit und verschaffen einem Tau auf die Schnelle noch eine zusätzliche künstlerisch wertvolle Schleife: Die sieht nicht nur klasse aus, sondern wird nur Minuten später bereits von einem Matrosen bewacht. Der stellt sich nun extra zu diesem Zweck neben unserem unveränderten Kunstwerk auf, weil er wohl doch irgendwelche Bewegungen dort aus dem Augenwinkel bemerkt hat. Auch in diesem Moment bestätigt sich wieder einmal die schon viele Jahre zurückliegende persönliche Erfahrung: Im militärischen Umfeld wirkt alles um so natürlicher, je absurder es ist ...

Abwechslung von soviel Schifffahrt ist kurz geboten und so machen wir uns wieder auf den Weg: Nur gut, dass auch heute das Feuerschiff mit etwas Platz an Bord bereit liegt, wo wir uns mit einem Bier versorgen können und ein wenig Ausruhen möglich ist - wo sonst eigentlich hätte man das machen können ..?

Volksfest-Trubel ... Gegrillt werden von der Deichperle?
Verkleidung ist bei solchem Event alles ... Besuch von See-Bayern ..?
Brandübung: Der Kahn qualmt schon ... Die Retter nahen ... Hoffentlich verheddert sich da keiner ... Geschafft und gerettet!

Während draußen Traditionsschiffe ihre Paraden fahren und die Hafenrock-Livekonzerte begonnen haben, setzen wir unseren langen Weg elbabwärts fort, vorbei an jeder Menge Jubeltrubel, Verkaufsständen und sonstigem Sehenswerten. Neben uns auf dem Wasser findet gerade eine Vorführung der Seenotretter von Marine, Feuerwehr und Wasserschutzpolizei statt: Dichte rote Rauchschwaden simulieren den Brand eines Bootes, ein Marinehelikopter naht und holt Menschen von Bord - was durch das Tekleobjektiv wirkt, als ließe sich die Kollision mit dem Mastengewirr im Hafen kaum vermeiden, gelingt schließlich problemlos und die "Geretteten" fliegen davon - Mission accomplished!

Richtung Fischmarkt wird es nun auch politisch: Unmengen an Transparenten mit Sponti-Sprüchen und anderem zieren den Wegesrand, begleitet von entsprechenden "Geburtstagsgästen" und Hafenstraßen-Bewohnern in passender Gesamtaufmachung. Wer hier aufdringlich fotografiert, sollte schon wissen, was er tut und so lassen wir uns im Gewimmel weiter treiben - langsam aber sicher wird klar, dass es selbst im Eilmarschtempo niemals mehr klappen kann, die QUEEN ELIZABETH am Cruise Center Altona zu besichtigen, die heute Abend um 19:00 Uhr ausläuft und danach noch pünktlich zurück zu sein an den Landungsbrücken zum "Schlepperballett" ...

Viele Sprüche beim Hafenfest ... ... und viel zu trinken gibt´s auch ...
Für´s leibliche Wohl ist gesorgt ... Wer traut sich ran an die Pullen ..?
Politik ist wichtig heute: Hoffentlich liest´s der Richtige ... Ausreichender Polizeischutz: Unser Abendessen ist gesichert!

Das Tempo steigert sich, es reicht nur noch zu einem Distanzschuss auf die "Queen", bevor wir versuchen, mit noch höherem Tempo wieder zurückzukehren - irgendwie war da wohl die Planung nicht ganz passend zur Realität vor Ort, vor allem, wenn man bedenkt, dass nach dem eiligen Rückmarsch zu den Ladungsbrücken es danach schon wieder hierhin zurückgehen würde, diesmal zum Abendessen. Nun, die Füße sollten es schon mitmachen und beim nächsten Mal wird alles anders ...

Pünktlich gegen 17:00 Uhr erreichen wir trotz allem wieder die Landungsbrücken und - oh Wunder - bekommen sogar einen guten Stehplatz in der Nähe der Kaimauer. Hier soll man möglichst etwas Abstand halten zur Hafenkante, da die 5.000 PS-Monster bei ihrer Schunkelei und ihren Walzern durchaus eine entsprechende Welle bis zur Kaimauer erzeugen können.

Die rund einstündige Veranstaltung beginnt traditionell mit der Vorbeifahrt eines wassersprühenden Bootes der Feuerwehr, sämtliche Plätze rund um die Landungsbrücken, von denen aus man das Schauspiel verfolgen kann, sind voll belegt ...

Mehr QUEEN ELIZABETH ist heute nicht drin ... ... denn schon beginnt das Schlepperballett ... Wie alles hier gut besucht: Warten auf die Schlepper ...
Formationsschippern angesagt ... Das Ballett nimmt seinen Lauf ... Wer darf da mitfahren? Auf und nieder im Walzertakt! Keine Mitfahrgelegenheit für Seekrankheits-Gefährdete ...

Während der Tanz der Boote zur passenden Musik beginnt, trübt sich leider auch das Wetter zunehmend ein: In Anbetracht der aufziehenden Wolken muss man annehmen, dass die letzten Takte im Wolkenbruch untergehen werden, aber - glücklicher Hafengeburtstag - es hält sich weitgehend und der große Regenguss bleibt aus, während die Schiffe kreisen, schwanken, rollen und stampfen. Die einstündige Show erfüllt alle Erwartungen; während die Schlepper mit ihren Passagieren, die darauf mitfahren, in verschiedensten Formationen vorbei ziehen - bei vielen Manövern werfen die Menschen an Bord die Arme herauf und herunter. Hilft das vielleicht, die Stunde an Bord trotz der Dauerschunkelei ohne Tüten- oder Relingbenutzung zu überstehen?

Die Stimmung an Bord scheint auf jeden Fall ungetrübt, und auch die Begeisterung der Zuschauer ist entsprechend, bis nach einer Stunde schließlich die Abschlussfahrt aller beteiligten Boote vorbei ist - benommen von soviel Seefahrt auf einmal treten wir zum x-ten Mal heute wieder unseren Fußmarsch in Richtung Fischauktionshalle an ...

Am Fischerhaus Restaurant angekommen lässt der Füllungsgrad auf den Straßen und in den Gaststätten kein bisschen nach und wir sind froh, hier Plätze reserviert zu haben, die wir vorbei an starker Polizeipräsenz vor dem Lokal erreichen. Das Restaurant, das sich als "Hamburgs größtes Fisch-Restaurant mit dem schönsten Blick über den Hafen" bezeichnet, übertreibt hier wohl eher nicht: Von unseren Plätzen aus haben wir tatsächlich eine tolle Sicht auf alles, was draußen vorbeischwimmt, und das ist in den nächsten Stunden wahrhaftig eine Menge. Bei einem rustikalen "Hamburger Pannfisch" samt gewohnt gutem Pils sehen wir ein Schiff nach dem anderen vorbeiziehen: Segler, die zu einer abendlichen Ausfahrt aufbrechen, ein- und ausfahrende Barkassen aller Art und auch den uns noch gut bekannte HALUNDER JET, mit dem wir beim letzten Hamburg-Trip nach Helgoland aufgebrochen waren. 

Die Zeit vergeht und erneut machen wir uns auf den Rückmarsch: Abendstimmung überall und gespannte Erwartung bereits dort, wo man das Feuerwerk der AIDAbella erwartet, die bei uns aufgrund des unvergessenen Ausflugs mit ihrem Schwesterschiff AIDAmar natürlich einen echten Sympathievorschuss genießt ...

Abendstimmung kommt auf an den Landungsbrücken Werbung nicht verboten: Segeln mit Beleuchtung ...
Majestätische Ankunft: Die AIDAbella naht ... Aktiver Sponsor: Viele Infos zu AIDA ... Das Feuerwerk beginnt ... Grandioses Hafenspektakel für Tausende ...

Hoch in den Masten der beiden nahen Segelschulschiffe stehen bereits Matrosen, kaum noch zu erkennen in der Dunkelheit, ebenfalls erwartungsvoll hinsichtlich des baldigen Schauspiels. Wieder haben wir einen guten Stehplatz am Hafenrand, während der NDR einen Mitarbeiter der AIDA Cruises interviewt, die mindestens noch bis 2017 Sponsor des Hamburger Hafengeburtstages sind.

Der Mann weiß viel über die AIDAprima zu berichten, das nagelneue und größte Flaggschiff der AIDA-Flotte. Das gigantische Schiff der Superlative, das man wohl als Antwort auf MEIN SCHIFF 4 von TUI sehen kann, wird noch in diesem Jahr mit der Jungfernfahrt beginnen. Deren erste Etappe wird von Japan nach Dubai führen. Im Jahr 2016 schließlich wird sie dann im Heimathafen Hamburg stationiert - ein künftiges Ziel für Explorer Touren?

Es ist bereits lange dunkel geworden, als sich die AIDAbella majestätisch aus Richtung Cruise Center Hafencity den Landungsbrücken nähert - Laserkanonen auf dem Vorschiff, die währenddessen in die tief hängende Wolkendecke zielen, verschaffen dem Auftritt eine grandiose Wirkung - das prächtig beleuchtete Schiff mit dem angestrahlten Kussmund ist schließlich DER Hingucker im Hafen, als es schließlich zum Stillstand kommt. Zwischen jeweils einem Schlepper am Bug und einem am Heck hält der AIDAbella ihre Position - kurze Zeit später beginnt ein atemberaubendes Feuerwerk, das auf dem Achterschiff des Kreuzfahrtriesen gezündet wird, eine gute halbe Stunde dauert und schließlich von einem gewaltigen Geheul unzähliger Schiffssirenen beantwortet wird: Gänsehaut-Feeling pur!

Nachdem das gewaltige Spektakel abgeklungen ist und sich die AIDAbella wieder in Bewegung gesetzt hat, die noch heute Nacht Hamburg verlassen wird, ist es Zeit, wieder auf ein letztes Bier im bereits bewährten "Captain´s Dinner" an Brücke 3 Platz zu nehmen. Während es leerer wird an den Landungsbrücken, kann man beim Bier noch viele beleuchtete Schiffe vorbei ziehen sehen - ein grandioser Abschluss dieses gelungenen "Geburtstages" ...

Lange sitzt man noch an den Landungsbrücken ... ... bis man irgendwann merkt: Es ist noch Bahnerstreik!

Weig später wird es dann leider noch einmal deutlich weniger grandios: Als wir nämlich später an der S-Bahn ankommen, wird mehr als bemerkbar, dass wir noch Bahnerstreik haben: Eine gewaltige Menschenmenge steht einigen hilflos wirkenden Ordnern gegenüber, die den Einlass für die Wartenden so lange versperren, bis wieder der nächste Schub Abfahrwilliger auf den Bahnsteig darf. Eingekeilt in die nach Freigabe losspurtende Menge lässt bei uns die Ahnung aufkommen, wie es bei einer Massenpanik in so einer Meute zugehen kann - aber es passiert heute Nacht zum Glück nichts mehr, was einen Schatten auf diesen Tag des Hafengeburtstags werfen könnte ... 


© 2015 J. de Haas