Rumänien  Rumänien ´09:

Zu Fuß durch Siebenbürgen: Von Viscri (Deutsch-Weißkirch) nach Fagaras (Fogarasch)


Wer die alte deutsche Kulturlandschaft der Siebenbürger Sachsen im Herzen Rumäniens als Wandergebiet entdeckt hat, der kann leicht süchtig werden. Süchtig nach all dem, was das Land im Karpatenbogen zu bieten hat: dem Wechsel aus unberührter Natur und alt-ehrwürdigen Dörfern, der Stille einer nicht vom Motorenlärm zerfressenen Landschaft, den freundlichen und hilfsbereiten Menschen …

Im Herzen von Siebenbürgen ... Wir waren im Spätsommer 2009 in acht Tagen von Sibiu (Hermannstadt) über Mediasch nach Viscri (Deutsch-Weißkirch) gewandert - und hatten darüber ein Büchlein geschrieben (siehe dazu auch die Anmerkung unten).

Im vergangenen Sommer wollten wir nun unseren Rundweg von Viscri bis nach Fagaras weiter führen. Wir packten unsere Rucksäcke und steckten die "Transilvania"-Karte des Dimap-Verlags sowie das unverzichtbare Bändchen "Siebenbürgen - Gästehäuser und Wanderwege in der Kirchenburgenlandschaft" ein.

Vier Tage bleiben wir diesmal im malerischen Dörfchen Viscri, in das wir uns im letzten Jahr verliebt hatten. Wir schlafen wieder im sorgfältig renovierten Bauernhaus des Mihai Eminescu Trusts (guesthouses@mihaieminescutrust.org) und tauchen gleich ein in das Leben vergangener Jahrhunderte. Durch die kleinen Fenster dringen immer noch in aller Frühe die Geräusche der Pferde und Kühe, die auf die Weide getrieben werden.

Burghüterin Sarah Dootz weist nach wie vor unermüdlich und vielsprachig in die Geheimnisse der Kirchenburg ein. Zu Mittag läutet sie immer noch mit dem Seil die schweren Glocken im Torturm, bis die kleine Frau vom letzten Glockenzug ein wenig in die Luft gehoben wird. Nur Hans ist in der Zwischenzeit gestorben, mit dem wir im letzten Sommer noch auf der Kneipenbank gesessen und über die Zukunft des pittoresken Sachsendorfes philosophiert hatten ...

So sehr wir die Muße genießen: Am vierten Tag freuen wir uns, den Rucksack zu packen und uns wieder auf den Weg zu machen. Dietmar Gross, versierter Siebenbürgen-Führer, empfiehlt uns, die Cabana 3 Stejari anzusteuern. Die ganz aus Holz gebaute Pension liegt in 15 Kilometern Entfernung einsam in einer Waldlichtung auf einem kleinen Plateau (cabana3stejari@yahoo.ca). Vier Stunden brauchen wir für die abwechslungsreiche Wanderung, die uns zunächst auf den Hügel hinter Deutsch-Weißkirch führt. Von dort aus gehen wir südöstlich auf dem Kamm durch dichten Wald, bis wir wieder ins Freie treten: Hier überrascht uns ein herrlicher Blick hinunter in das Mare Kosd-Tal, wo wir im Südwesten das Dörfchen Dacia (Stein) ausmachen. Querfeldein geht es den Berg hinunter, an einer schmalen Stelle über den Fluss und dann sind es nur noch zwei Kilometer auf einem Forstweg, bis wir die "Waldhütte" erreichen. Man hat uns nicht zuviel versprochen. Herr Stanciu hat hier in idyllischer Lage ein sehr komfortables Haus mit elf sauberen Doppelzimmern (mit Bad) errichtet.

Wechsel aus unberührter Natur und alt-ehrwürdigen Dörfern Stille einer nicht vom Motorenlärm zerfressenen Landschaft

Am nächsten Tag geht es wieder geradeaus Richtung Süden, zunächst durch Wald und später über offenes Weideland: Hier müssen wir auf die Hütehunde aufpassen und sind dankbar, wenn die Hirten ihre Schützlinge zurückpfeifen. Dass wir heute nur eine kurze Wanderung von knapp drei Stunden vor uns haben, liegt an der einzigen Übernachtungsmöglichkeit auf dem weiteren Weg nach Fogarasch: dem Gästeappartement (lydiazapf@yahoo.de) in Ticusu Vechi (Deutsch-Tekes), in dem man auch ein vorzügliches Abendessen bekommt. Das deutsch-österreichische Ehepaar Zapf hat neben seinem Domizil, dem 160 Jahre alten Pfarrhaus, ein schmuckes Appartement-Häuschen ausgebaut.

Wir nutzen den Nachmittag zur Besichtigung der Kirchenburg. Die ganze Anlage ist frisch hergerichtet und gereinigt. "Das habe ich in die Wege geleitet." sagt der alte Mann, der uns die Kirche aufgesperrt hat, nicht ohne Stolz. Unser Führer ist ein Sachse, der in der Nähe der Kirche sein Anwesen hat. Nach der Wende ist er mit seiner Familie nach Bayern gezogen. Aber im Sommer kommt er für mehrere Monate hierher. Jedes Jahr. Hier ist er zuhause. Hier kennt er jeden Stein. In der Kirche hängen die Kirchenpelze der Männer an der Wand: Zeugen einer längst vergangenen Zeit, den schwankenden Temperaturen, den Motten und der Feuchtigkeit ausgesetzt. Einer dieser Mäntel gehört der Familie unseres Kirchenführers. Die Gemeinschaft der Sommersachsen ist in Ticusu Vechi sehr aktiv, erzählt er uns. Erst vor kurzem hat man hier ein Fest mit 300 Sachsen gefeiert, jeden Sommer reisen an die 100 Langzeiturlauber hier an. Jetzt, Anfang September, sind die meisten bereits wieder weg ...

Der nächste Tag bietet uns die schönste und anspruchsvollste Etappe unserer Wanderung: Lydia Zapf, unsere Gastgeberin der letzten Nacht, hat sich von unseren Wander-Erzählungen animieren lassen und begleitet uns nach Fogarasch. Auf der Tour, die über die beiden Hügelkämme südwestlich von Deutsch-Tekes und durch das Felmertal führt, stoßen wir auf keine Ansiedlung. Grober Orientierungspunkt bleibt die Karpatenkette, der wir uns langsam nähern. Heiß scheint die Sonne vom wolkenlosen Himmel und wir sind dankbar, als wir nach sechs Stunden schließlich die im Sonnenschein gleißenden Häuser von Fogarasch im Tal liegen sehen. Da wir uns von Nordosten nähern, führt unser Wanderweg über eine Ziganie fast direkt ins Zentrum.

Am Stadtplatz hat uns die Zivilisation wieder: Hier gibt es nicht nur einen Bankautomaten und damit auch frisches Geld, das uns auszugehen drohte, sondern auch die italienischen Kaffee-Spezialitäten, die einen gelungenen Sommer-Urlaub abrunden ...

Anm. der Red.: Die ganze Geschichte ihrer Wanderung kann man in Silvia Eckert-Wagners Buch "Zu Fuß durch Siebenbürgen - Von Hermannstadt/Sibiu nach Deutsch-Weißkirch/Viscri" nachlesen. 132 Seiten, Preis: 19,50 EUR (inkl. Porto, Stand Februar 2011). Bestellung: Tel. 08253/7000, Email: sub-verlag@t-online.de oder rechts klicken.

Auch von der Autorin stammt das Buch "Reise zum großen Fluss" aus dem Jahr 2013, von dem wir ebenfalls einen Auszug vorstellen.


© Silvia Eckert-Wagner 2011