22.05. - 29.05.99: Zurück nach Hause

Abschied von Australien

Abschluss? Ja - es war unglaublich: Vor 22 Tagen hatten wir Deutschland verlassen, saßen nun hier wieder im Outback wohl wissend, dass demnächst auf unseren Kompass-Systemen Nordwest angesagt sein würde: Back home, 7.500 Meilen, knapp 14.000 Kilometer.

Der nächste Morgen wurde von den meisten für eine traumhafte Wanderung an nahe gelegene Wasserfälle genutzt. Ich nahm die erste Möglichkeit, zum Flugplatz zu kommen, so richtig wohl sollte mir erst wieder sein, wenn alle Maschinen in der Luft waren.

Risiken gab es grundsätzlich keine. Aber die Enge des Flugplatzes, wenig mehr als eine Schneise durch einen Wald mit viel Felsen drum herum, ist doch sehr gewöhnungsbedürftig, wuchs man in einer Flugplatzwelt der verordneten Hindernisfreiflächen auf.

Die Baron startete als erste, gab über Funk noch eine Warnung: Am Beginn der Bahn 14 seien massive Fässer als Platzreiter - rot-weiß angemalt zwar, aber verdächtig nahe an der Bahn. Auch die zweite Maschine kam gut weg, die Aerostar der Crew Jäger.

Dann wir, weil es unmöglich war, mit der King Air an uns vorbeizurollen. Die Regel auf diesen Plätzen lautet: Immer in Bewegung bleiben. Wenn man steht, staubt man sich ein, füttert den Luftfilter und die Propellerspitzen mit kleinen Partikeln, Steine gab es glücklicherweise nicht.

Also beim Rollen zur 14 die Motorenchecks erledigt, pre take off check, die Klappen ausnahmsweise auf 20°, um den take off roll zu verkürzen, umgedreht und zügig Gas gegeben. Als Fixpunkt diente mir die am anderen Ende stehende King Air, sie half, dieser optischen Täuschung des Knicks in der Bahn zu eliminieren. Mit 95 kts rotiert, klaglos hob die Twin ab, am Ende der Bahn war das Fahrwerk schon drin ...

Wie meist in solchen Fällen: 1.400 m Bahn sind 1.400 m Bahn, also völlig unkritisch, kein Grund zur Besorgnis. Die King Air war kurze Zeit später in der Luft, dann Walter Adam als letzter mit seiner 700 HP-Aerostar.

Auf verschiedenen, oft verschlungenen Wegen flogen die Crews zurück nach Broome - teilweise direkt, teilweise an der Küste entlang, ein letztes Mal zeigte Australien eindrucksvoll seine gigantische Größe, seine facettenreiche Natur.

Am 22. Mai landeten wir ein zweites Mal in Broome, die letzte Nacht auf dem Kontinent Australien stand bevor. Um die Tour zurück nicht gleich mit einem brutalen Schnitt beginnen zu lassen, düsten wir am 23. lediglich bis nach Bali, spannten dort noch einen Tag aus, dann aber ging es zur Sache ...

Gewitter bahnen sich an: CB-Bewölkung ...Nervosität war zu spüren: Bali-Singapore, tanken, dann Singapore-Bangkok. Ist über den Unfall am 3. Mai auch wenig gesprochen worden - seine Gedanken hatte sich jeder gemacht in der Zwischenzeit. Nicht nur das: Man hatte Gewitter gesehen auf dem Hinflug, man hatte nun eine Significant Weather Chart, die über dem Golf von Bengalen mächtiges Wetter zeigte ...

Wieder Richtung Bali und Bangkok

Und getreu der Regel, dass sich Gewitter nachmittags eindeutig wüster darstellen als morgens, wenn sie im Entstehen sind, machten die Leute sich früh, sehr früh auf den Weg. Ich schickte von Bali aus ein Fax an die thailändische Unfalluntersuchung mit dem Hinweis, dass ich am 25. Mai, nachmittags in Bangkok landen werde, mit der Bitte, mich zu empfangen und sich mit mir auszutauschen - immerhin war ich der letzte Checker des verunglückten Piloten.

Der Flug nach Bangkok war stressfrei harmlos, harmloser als die Wetterkarte es andeutete. Der gesamte Trip von Bali nach Bangkok begann um 22:26 UTC, endete um 06:54 UTC, wir waren also 8:28 Stunden unterwegs, davon 7:34 h reine Flugzeit, beide Legs zusammen entsprachen 1.709 NM ohne Terminal Procedures.

Die Enttäuschung in Bangkok: Keiner da von der Unfalluntersuchung. Per Handy rief ich Herrn Jutrarat an: "Oh Mr. Teegen, yes, I received a telefax from you. Where are you?" "On the ramp of Bangkok International." "Oh, ja?"

Das von mir gewünschte Treffen scheiterte an dem offensichtlichen Desinteresse des Herrn Jutrarat. Eine Nacht im Oriental, am Morgen des 27. Mai mit dem Hotel-Mercedes zum Flughafen, gegen 9 Uhr trafen wir an unserem Flieger ein und machten große Augen: Alle, alle waren fort. Auch jene, die eher gemütlich die Tage angegangen waren: Weg, auf dem Wege nach Calcutta und Bombay. Insbesondere unsere mitreisenden Damen hatten auf dem frühestmöglichen Start bestanden ...

Bangkok ist sehr busy, zwischen Großflugzeugen schoben wir uns langsam in die Startposition, stiegen dann in eine dampfige, schlechtsichtige Atmosphäre hinein, allerdings gab es über Thailand keinerlei Quellungen. Das änderte sich über dem Golf von Bengalen und Myanmar, einzelne Gewitter waren sichtbar auf dem Radar, aber auch visuell, flugbetriebliche Probleme gab es aber überhaupt nicht.

Hitze in Calcutta ...Von Calcutta zum Oman und ab nach Hause ...

Der Descent nach Calcutta hinein ebenfalls völlig easy, da standen einige Quellungen mit Tops bei 10.000, 12.000 ft, das war's. Wir landeten in der feuchten Schwüle - rund 42° C! - Calcuttas um 11:22 Uhr Ortszeit, unsere Bodenzeit von 1:37 h war natürlich die blanke Tortur: Bei dieser Hitze auf der Ramp, ohne jeden Schatten. Einigermaßen besorgt beobachtete ich eine blauschwarze Wand, die sich im Abflugsektor der Bahn 19 drohend aufmantelte, und hatte stets die Standard Departure im Kopf: After take off climb to 2.000 ft, turn right ... Und dort, wohin dieser right turn führte, waren noch einzelne blaue Löcher zwischen dicken weißen Wolken zu erkennen.

Endlich: Start up approved. Taxi - so schnell wie möglich zur Bahn 19. Cleared take off, direkt auf die schwarze Wand zu, aber wir hatten Glück: 2.000 ft, rechts herum in relativ klar konturierte Wolken hinein. Es war intensive Arbeit mit dem Radar. Wir waren schon auf Westkurs Richtung Jamshedpur, als auf dem Schirm leicht rechts vom Track zwei feste Echos auftauchten, wir sollten aber 5 Meilen links vorbei kommen.

Steigflug. Dann sahen wir die beiden Quellungen, die böse bis sicher deutlich über 30.000 ft reichten, wir im Climb jenseits 12.000 ft. Vorbei an den beiden Trümmern, es macht sich dann ja immer etwas Erleichterung breit im Cockpit, wenn das Radar voraus nichts als reine Luft - jedenfalls die nächsten 60 Meilen - sieht.

In etwa 14.000 bis 15.000 ft tauchten wir in einen leichten, flirrigen Overcast ein, nichts als ein paar Wassertröpfchen, man konnte fast hindurch sehen. Kaum drin, rauschte es verdächtig: Funk weg, rote Flagge auf der HSI 2. Sekunden später war der Spuk vorbei ...

Kunst: Handgemalte Gewitterturm-Wetterkarte aus Calcutta ...

Dann noch einmal das selbe Phänomen, Radar umgeschaltet auf 20 NM Range: Irgend etwas übersehen? Nichts, der Schirm blank. Dann war der Funk wieder da, die VOR wieder da, die ADF Nadel zeigte nach hinten, wo sie hingehört. Ein Blitz. Von links nach rechts. Ein dumpfer Schlag, als ob jemand mit dem Sandsack gegen unseren Rumpf schlägt. Wir sahen uns an im Cockpit, irgend jemand sagte: "Glück gehabt, der hätte uns erwischen können ..."

Unsere älteste Tochter, 14, in Australien zugestiegen, sah kurz von ihrem Buch auf und fragte: "War das gefährlich?" Beide Elternteile verneinten beflissen, den faradayschen Käfig bemühend. Was wir nicht wussten: Dieser Blitz ist durch die Maschine gegangen, unten in eine Com-Antenne hin ein, zur VOR-Antenne am Leitwerk hinaus, am Rumpfboden hat es altes Öl abgefackelt, der Antennenfuß wurde verschmort.

Das Wetter besserte sich zusehens Richtung Bombay, nach einem nur chaotisch zu nennenden Approach, geleitet von einem kaum verständlichen Controller, dessen stressgeschrillte Stimme alles noch schwieriger machte, erreichten wir wie der unseren provisorischen Parkplatz auf dem alten Taxiway.

1.774 NM in 7:53 h Flugzeit, insgesamt dauerte unsere Reise vom Start in Bangkok bis zur Landung in Mumbai 9 Stunden und 5 Minuten.

Abschiedsparty im Oman ...Völlig ereignislos dann unser letzter Reisetag nach Muscat, noch einmal 3:41 h, und wir landeten bei brüllender Hitze im Oman, der Ende Mai am Beginn seiner heißesten Jahreszeit steht. Abends klang die Reise aus im Hotel Hyatt. Angelika und ich wurden - wieder einmal - von den Teilnehmern reich beschenkt mit Erinnerungsstücken an Australien.

Begreifen konnte es so recht niemand an diesem Abend, jeder war in der Phase einer gewissen Betäubung: Australien, waren wir tatsächlich vor vier Wochen nach Australien aufgebrochen. Und wie sich die Maßstäbe verschoben haben: Dort, wo 1997 die Reise endete, umdrehte, nämlich im Oman, feierten wir dieses Mal unsere Abschiedsparty, man hatte das Gefühl, "fast schon zu Hause zu sein".

War man natürlich nicht, sondern anstrengende Flüge warteten auf uns. Kurz vor 9 Uhr lokal am nächsten Morgen flogen wir ab nach Bahrain, dort dauerte die Tankerei geschlagene zwei Stunden in der fast unmenschlichen Hitze. Um kurz vor 11 Uhr endlich fuhren wir das Fahrwerk ein und begannen einen nervigen Flug von Bahrain nach Paphos, der begleitet wurde von permanenter Rechnerei: In Amman landen oder nicht ...

Gnädige Winde über Saudi Arabien erlaubten die Fliegerei mit 75%, erst auf dem letzten 250 NM blies es gnadenlos von vorn mit bis zu 60 kts. 5:23 h war die längste Flugzeit überhaupt, die wir jemals mit unserer Aerostar geflogen sind, non stop Bahrain-Paphos, Zypern. 5:20 h dauerte der Trip zurück nach Europa, von Paphos nach Rom, auch hier permanenter Gegenwind im Bereich von 20 kts.

In Rom schlug Eurocontrol wieder zu, nachdem zunächst der Flugplan nicht abgenommen wurde, bekamen wir 4:02 h Delay verordnet. Erst eine Feilscherei mit einem Flugsicherungs-Mitarbeiter in Brüssel per Handy von der Ramp in Rom aus in der Art eines Pferdehandels geführt, ließ uns früher raus: Die Bodenzeit in Rom Ciampino, wo wir nur tanken wollten, betrug sage und schreibe 2 Stunden und 26 Minuten - nur wegen dieser dusseligen Flugsicherung in Brüssel ...

Rom-Straubing in 2:01 h, damit landete die N6OHT nach 98 Stunden und 14 Minuten Gesamtflugzeit wieder dort am 29. Mai, wo sie am 30. April früh morgens um 9 Minuten nach sieben gestartet war: Einmal Australien und zurück.

Unglaublich regelmäßig sind wir unterwegs gewesen mit unserer Aerostar, nicht der kleinste technische Defekt suchte uns heim. Es ist gelungen: Die Leserreise nach Australien hat stattgefunden. Was keiner zunächst als machbar beurteilen wollte, hat geklappt. Und zwar in einer Art, die alle Teilnehmer begeistert hat. Zurück blieben Petra Kokemüller und Franz Bader. Dieser Unfall soll keinen Schatten auf die Leserreisen werfen, deshalb werde ich alles tun, mir, uns Aufklärung zu verschaffen. Und ich werde Konsequenzen ziehen für die künftigen Leserreisen, an denen keine Flugzeuge teilnehmen werden, die in der Art der N602PK modifiziert, umgebaut, mit derart großem zusätzlichem Tankvolumen ausgerüstet worden sind.

Heiko Teegen


© Text/Bilder 2000 Heiko Teegen, Pilot und Flugzeug 08/99-09/99