Schattenseiten: Kenianische und ägyptische Abenteuer ...

Sehr pünktlich hoben wir am nächsten Morgen ab, um 7:30 Ortszeit. Es herrschte wieder ausgezeichnetes Wetter, wie geschaffen für den anstrengenden Tag, der knapp 2.000 NM bereit hielt - jedenfalls für uns, alternativ konnten die Crews in Khartoum oder in Luxor übernachten. Gleichwohl begann der Flug mit Stress. Vor uns war Herr H. mit seiner Mooney gestartet - 2 Tage zuvor hatte er Mombasa für 45 Minuten lahmgelegt, weil er keinen ILS-Anflug bei CAVOK fliegen konnte, eine Boeing 737 und auch die TBM700 von Uli Busche mussten sich in Holding flüchten, bis dieser unsägliche Pilot unter Bruch aller Verkehrsregeln endlich in Mombasa gelandet war.

Mombasa hat kein Radar. Die Dame von Approach musste daher über Positionreports staffeln - daraus resultierte, dass die Crews regelmäßig nach der Distance zur VOR-DME Mombasa und der aktuellen Flughöhe gefragt wurden: "D- ... say DME distance and altitude passing?" Ein logisches, von der Phraseologie her einfaches Verfahren. Gleichwohl konnte Pilot H., versehen mit einem LBA-IFR, auch hier nicht mitmachen.

Er meldet Distancen, die offensichtlich regelmäßig nicht stimmten, denn die Mooney flog mal mit Überschall, mal unterhalb der Stallspeed. Und auf die Frage "altitude passing" gab der Mann regelmäßig "FL 160" zurück - das war aber nicht die Altitude, in der er sich just bewegte, sondern sein Final Level gemäß Flugplan.

Ich durchschaute das relativ schnell, intervenierte auch nicht, als wir uns von hinten der Mooney näherten, versehen mit der Clearance für FL 140, also von hinten auflaufend durch den Mooney-Level gecleared waren, wir sahen angestrengt aus dem Cockpit, statt das Chaos noch größer zu machen: Die Mooney dieses Herrn H. verfehlten wir um runde 2 NM und befanden abermals, dass der Mann im Luftraum nichts zu suchen hat.

Noch einmal in Lokichogio ...Anflug auf Lokichogio, hier sollte abermals ein kleines Kenia-Abenteuer auf mich warten. Ich meldete mich etwa 50 NM südlich im Descent, wurde aufgefordert, "field in sight" zu reporten. Rund 8 NM südlich sahen wir die schmale Asphaltpiste, meldeten das auch, bekamen die Aufforderung, im "downwind runway 09" zu melden. 

Das sah etwas ungewöhnlich für mich aus: Der Downwind führt nördlich von der 09, dort befinden sich Hügel und auch eine Siedlung, während im Süden, also im "right downwind" weder Hügel noch Siedlung waren.

Also meldete ich überdeutlich akzentuiert zurück, im "downwind" zu melden, was der Lotse bestätigte - Lokichogio ist ein kontrollierter Flugplatz. Nach der Landung dann Aufregung: Ein Tower Controller kam auf mich zu und bekniete mich, den anrückenden Militärs zu sagen, ich hätte keine Ahnung von "dem Sperrgebiet" und sei "aus Versehen" drüber geflogen. Nun ist tatsächlich in der Jeppesen-Karte kein Sperrgebiet eingezeichnet, gleichwohl ließ ich mich auf nichts ein. Zwei Offiziere der kenianischen Luftwaffe rückten an: Ich sei über eine Raketenstellung geflogen, und das sähe man nicht so gerne, eröffnete man mir, verfrachtete mich auf einen Jeep und fuhr mich zum Entsetzen von Angelika - sie in Erinnerung an meinen Gefängnisaufenthalt in Nairobi - zum Tower.

Es gelang dort relativ rasch, den Offizieren klar zu machen, wer hier den Fehler gemacht hat: Der Lotse nämlich, der den "right downwind" hätte anweisen müssen. Und ich bekniete die Offiziere, zunächst den Controller zu briefen, denn hinter uns rollte die halbe Flotte der Leserreise an - und tatsächlich, er begriff es: Der nächste wurde aufgefordert, den "right downwind runway 09" zu melden. Nachdem ich mich weigerte, ein Violation-Formular zu unterschreiben, gaben die Kenianer auf und nahmen sich den Controller zur Brust. 

Weiterer Ärger wartete: Man versuchte, uns die Caltex-AVGAS-Fässer zu einem um ein Drittel überhöhten Preis zu verkaufen. Ich ließ den Supervisor kommen, stellte den barsch zur Rede, beschimpfte ihn als Betrüger - und flugs waren die Fässer um 120,- US-Dollar billiger, wie schriftlich garantiert. Diese lautstarke Auseinandersetzung schüchterte die herumstehenden Leute derart ein, dass niemand mehr den Versuch machte uns anzubetteln. So gesehen war unsere Bodenzeit von 01:13 h recht kurz - und kurzweilig.

Der Controller vergaß dann noch, uns eine enroute-Clearance zu geben, wir flogen in den Sudan ein und atmeten tief durch, als die Grenze von Kenia hinter uns lag. Die 749 NM nach Khartoum spulten wir in 03:06 h ab, empfangen wurden wir mit der gewohnten Freundlichkeit, was den Schmerz über 380,- Dollar Handling, Lande- und Nav-Gebühr etwas minderte.

Auf zum letzten Leg des Tages: Khartoum-Luxor, 642 NM, 02:50 h benötigten wir. Ägypten empfing mit einem Chaos im Funk, wie es schlimmer nicht sein konnte: Kairo Control funkte wie eine Kalaschnikow, es war unmöglich, dazwischen zu kommen - so etwas hatte ich noch nicht erlebt. Und zog die Konsequenz: Wenn Kairo mich nicht will - so what. Und rief Asswan Tower, erklärte, keinen Kontakt zu Kairo zu bekommen. Asswan regte sich überhaupt nicht auf, man solle Richtung Luxor fliegen und Luxor Approach rufen.

Gesagt, getan: Die Frage, ob wir von Kairo "released" seien beantwortete ich unwahrheitsgemäß mit "affirmative" - was hätte ich tun sollen, das System ließ mir keine andere Chance. Vor uns die Mirage der Crew Fischer/Dr. Thier, man hielt uns lange zu hoch um bei bestem Wetter einen VORDME Anflug auf die 02 zu erledigen, was bedeutete: In 6000 ft flog man am Platz vorbei, auf den man so schön einen schnellen Visual hätte fliegen können, drehte ein oder zwei Holdings über der VOR, wurde dann plötzlich zu einem Approach in den "Downwind" freigegeben - Flugsicherung paradox.

In Luxor hatte während unserer Abwesenheit eine Bombe eingeschlagen: Wir hatten den Botschafter in der Bundesrepublik über die fürchterlichen Verhältnisse, die Schikanen und die massive Abpresserei von Geld durch Polizisten und Sicherheitsdienst informiert. Die Leute gaben sich beflissen - aber nach wie vor unfähig. So wurden wir abgestellt auf einer neuen Parkfläche östlich der Bahn - das Terminal befindet sich im Westen.

In Luxor werden sie dort hingeleitet von einem mit mindestens drei Mann besetzten Follow Me - dann aber vergessen. Wer nichts unternimmt, verdurstet dort, weil sich niemand darum kümmert, die Crews der dort abgestellten Flugzeug abzuholen. Ich machte einen Test, schnappte mir den Follow-Me-Fahrer und bat, den Fuel Truck zu holen. Der Mann grinste mich an und erklärte, der Fuel Truck sei kaputt, morgen früh aber könnten wir tanken. Ich wurde laut und gab ihm 10 Minuten, den Fuel Truck her zu schaffen.

"Kaputter" Fuel Truck erscheint in Luxor ...Der Test gelang, ich wusste, der Botschafter hatte reagiert: Der Mann zuckte zusammen, fuhr fort. Der "kaputte" Fuel Truck kam zwar nicht nach 10 Minuten, aber nach 20 Minuten - bedient von diesem schnieke gekleideten Follow-Me-Fahrer höchstpersönlich.

Dann das nächste Problem: Wir mussten rüber auf die Westseite des Flughafens. Der Follow-Me-Fahrer zuckte mit den Schultern und fragte: "Which Company?" - was heißen sollte: Welche Fluggesellschaft. Ich marschierte zum Flugzeug, rief Tower an und erklärte, in 5 Minuten zu Fuß über die Runway zu laufen, wenn nicht sofort eine Transportation zur Verfügung gestellt werden würde.

Es funktionierte wieder: Der Follow Me - ein großer Chevy Pick-up - raste heran, wir warfen unser Gepäck auf die Ladefläche und brachten zunächst die Passagiere ins Terminal, mittlerweile war auch die Familie Thurner gelandet, man wartete auf Jet.

Beim Betreten des Terminals eine peinliche Situation: Die gesamte Mannschaft des Flugplatzes lag auf einem Betteppich mitten in dem Abfertigungsraum. Nachdem das Ritual fertig war, wurde es laut: Die Ägypter zeigten sich nicht in der Lage zu begreifen, dass Piloten und Passagiere jener Flugzeuge, die auf Anweisung des Flughafen auf dieser neuen Ramp im Osten geparkt wurden, versorgt gehören, versorgt mit Treibstoff und Transportation: Die Leute begriffen das einfach nicht. Ich testete meine Bandbreite aus: Lautstark verlangte ich von einem hochrangigen Polizisten, sofort dafür zu sorgen, dass die Crews der ankommenden Flugzeuge abgeholt werden und dass die Tankwagen bereitstehen. 

Der Polizist war irritiert, wohl noch nie - und schon gar nicht in Gegenwart des gesamten Flugplatzpersonals - derart angegangen. Aber er verhaftete mich nicht, sondern bemühte sich - hilflos, absolut hilflos zwar, aber man bemerkte doch, dass sich langsam aber sicher eine gewisse Beschämung einstellte über die offensichtlich chaotischen Zustände.

Irgendwann regulierte es sich: Der Follow-Me-Fahrer verlor seinen arroganten Gesichtsausdruck und erschien plötzlich unheimlich gestresst, raste hin und her, mit unglaublichem Tempo bewegten sich zwei Fuel Trucks auf die Ostseite, einer mit Avgas, einer mit Jet.

Einmal hatte ich noch das Vergnügen, im Follow-Me mitzufahren. Drei Mann Besatzung, in ständiger aufgeregter Konversation miteinander, einer redete fast ununterbrochen auf das Mikrophon des Funkgerätes ein - trotzdem hielt er vor der leeren Runway, offensichtlich nicht in der Lage, eine Freigabe zum Queren zu bekommen: Ich nahm ihm das Mike ab, bekam meine Frage bestätigt, dass dieses Funkgerät mit dem Tower verbindet, rief den auf Englisch, bat um die Clearance zum Kreuzen der Bahn, bekam die sofort: Wozu dieses hysterische arabische Palaver dient, wurde mir nicht klar.

Klar wurde mir aber, was der Botschafter angerichtet hatte: Mein Auftreten war eindeutig unangemessen und - bewusst - provozierend. Der Lohn dafür: Der oberste Polizist am Flughafen reichte mir Limonade, geleitete uns ohne jede Kontrolle aus dem Flughafen heraus. Schade für Luxor - siehe auch Fliegen in Afrika - Praktische Hinweise.

Aktuelle Flugdaten: Durchschnittsgeschwindigkeit  von 221,1 kts ...Eine letzte Nacht in Ägypten. Der Abflug am 14. März gestaltete sich problematisch: Rund eine Stunde Delay, weil Kairo die Freigaben nicht erteilte. Das Warten auf dem Flughafen war kurzweilig, so konnte man im Funk die Besatzung einer LTU-Boeing 757 hören. 

Der Copilot offensichtlich meldete sich im Anflug auf die VOR in FL 140 und bat um Descent. Die Boeing blieb in FL 140. Nach dreimaligem Bitten um den Descent gab Luxor eisern nicht nach, so rauschte die 757 in FL 140 über die VOR - die ist Initial Approach Fix, dort sollte man 4.500 ft haben - und bekam nonchalant die Freigabe für den VORDME-Approach 02. Resignierende Stimme aus dem LTU Cockpit bestätigte das, die Crew hatte somit rund 34 Trackmiles, um von FL 140 auf Airport Elevation - 294 ft - zu sinken: ATC made by Egypt.

Take Off dann für uns um 12:43 Uhr lokal. Nach rund einer Stunde und zehn Minuten überflogen wir die VOR Baltim, ließen die nordafrikanische Küste hinter uns: Für Angelika und mich endete damit der zweite Afrika- Besuch. Der erste im Oktober 1999, um die Reise vorzubereiten, der zweite um unsere Leser zu betreuen und sicher zu stellen, dass das, was wir organisiert haben, auch klappt.

War der erste Afrika-Flug schon aufregend genug durch den Zwischenfall in Nairobi, als wir wegen einer angeblich fehlenden Permission vier Tage festgehalten, ich anschließend vor das Kriminalgericht gestellt wurde und anschließend auch noch für kurze Zeit im Gefängnis verschwand, aufregend genug, war die aktuelle Leserreise für uns durch den technischen Defekt an dem Turbolader in Luxor und der anschließenden "Aufholjagd" doch stressig, dank der Bereitschaft der Crews Thurner und Busche gelang es, die Gruppe weiter vor Ort zu betreuen.

Angelika und ich überflogen daher die Küsten mit gemischten Gefühlen. Belohnt wurden wir beide für den Stress jedoch am Abend dieses Tages: Bei einer wirklich gelungenen Abschiedsparty im Paphos Amathus Hotel wurde insbesondere Angelika geehrt für ihren perfekten Einsatz, für ihr Engagement in Lokichogio. Dass Pilot und Flugzeug ansonsten alles richtig gemacht hat, die richtigen Hotels, die richtigen Attraktionen gewählt hat, zeigt dieser Spruch eines Mitreisenden: "Ich glaube, das war die bisher schönste Leserreise."

Wenn das so ist, dann kann man das zurück führen auf: Afrikas Menschen, Afrikas Flora, Afrikas Fauna, Afrikas Atmosphäre ...


© Text/Bilder 2000 Heiko Teegen, Pilot und Flugzeug 05/00-06/00